1. Korinther 9 – Die Rechte eines Apostels

A. Paulus erklärt seine Rechte als Apostel

1. Paulus verteidigt seinen Status als Apostel

1. Korinther 9, 1-2

1. Korinther 9, 1-2
Bin ich nicht ein Apostel? Bin ich nicht frei? Habe ich nicht unseren Herrn Jesus Christus gesehen? Seid nicht ihr mein Werk im Herrn? Wenn ich für andere kein Apostel bin, so bin ich es doch wenigstens für euch; denn das Siegel meines Aposteldienstes seid ihr im Herrn.

  1. Bin ich nicht ein Apostel? Erinnere dich an den Kontext: Paulus wendet sich an die Christen in Korinth wegen ihrem auf ‚Erkenntnis‘ beruhenden ‚Recht‘ Fleisch zu essen, das Götzen in einem Tempelrestaurant geopfert wurde.
    1. Paulus bittet sie, ihr ‚Recht‘ Götzen geopfertes Fleisch zu essen, nicht einzufordern, so wie auch er seine eigenen Rechte als Apostel nicht eingefordert hat. Paulus wird die Gelegenheit aber auch dazu nutzen, seine Stellung als Apostel vor den zweifelnden Christen aus Korinth zu verteidigen.
  2. Bin ich nicht ein Apostel? Eine so offensichtliche Wahrheit sollte kaum der Feststellung bedürfen. Natürlich war Paulus ein Apostel! So offensichtlich dies auch war, es wurde von einigen Christen in Korinth angezweifelt und geleugnet.
  3. Bin ich nicht ein Apostel? Der Beleg für den wahren Status des Paulus als Apostel ist in den folgenden Aussagen zu finden:
      1. Bin ich nicht frei? Paulus unterlag der ‚Autorität‘ von niemandem außer Jesus Christus, aber andere Christen standen unter apostolischer Autorität.
      2. Habe ich nicht unseren Herrn Jesus Christus gesehen? Paulus besteht darauf, dass er nicht nur eine Vision von Jesus gesehen hat, sondern eine authentische Erscheinung des auferstandenen Jesus.
      3. Seid nicht ihr mein Werk im Herrn? Der Beweis für Paulus’ Apostelamt liegt auf der Hand. Das Werk Gottes unter den Christen in Korinth war Beweis genug für die apostolische Beglaubigung des Paulus. In der Tat waren sie das Siegel von Paulus’ Aposteldienst im Herrn.
    1. Einige behaupten heutzutage aufgrund von Visionen oder Erfahrungen, die sie angeblich gehabt haben, Apostel auf dem Niveau eines Paulus zu sein. Aber das Sehen des auferstandenen Jesus ist nicht die einzige Qualifikation eines wahren Apostels. Paulus wurde ausdrücklich als Apostel beauftragt, als Jesus ihm auf der Straße von Damaskus erschien (Apostelgeschichte 26, 12-18).
  4. Wenn ich für andere kein Apostel bin, so bin ich es doch wenigstens für euch: Einige der Christen aus Korinth zweifelten an der Stellung des Paulus als Apostel. Doch dies hätten sie nicht tun sollen. Die Christen von Korinth hatten mehr Grund als die meisten anderen, zu wissen, dass Paulus ein echter Apostel war, weil sie sein Werk aus nächster Nähe gesehen hatten.
    1. Das macht den Zweifel unter den Christen aus Korinth umso ironischer, und Paulus versucht, ihnen diese Ironie bewusst zu machen.

2. Die Geltendmachung der Rechte des Paulus als Apostel

1. Korinther 9, 3-6

1. Korinther 9, 3-6
Dies ist meine Verteidigung denen gegenüber, die mich zur Rede stellen: Sind wir nicht berechtigt, zu essen und zu trinken? Sind wir nicht berechtigt, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen, wie auch die anderen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas? Oder sind nur ich und Barnabas nicht berechtigt, die Arbeit zu unterlassen?

  1. Meine Verteidigung: Paulus wird nun seine Rechte als Apostel geltend machen, als wäre er ein Anwalt, der einen Fall vorträgt. Die hier mit Verteidigung (apologia) und zur Rede stellen (anakrino) übersetzten Wörter sind beides juristische Ausdrücke, die dem römischen Rechtssystem entnommen sind. Paulus hat das Gefühl, dass er vor Gericht steht, oder dass er bereits von den Christen aus Korinth ‚für schuldig befunden‘ wurde.
  2. Sind wir nicht berechtigt, zu essen und zu trinken? Paulus hatte, wie alle Apostel, das Recht zu essen und zu trinken. Es war nicht so, dass die Christen aus Korinth das Recht des Paulus zu essen und zu trinken in Frage stellten. Paulus meint hier, dass er das Recht hat, auf Kosten der Gemeinden, denen er diente, zu essen und zu trinken.
  3. Sind wir nicht berechtigt, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen: Paulus hatte, wie alle Apostel, das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit sich zu führen. Auch hier würde es die Christen aus Korinth nicht stören, wenn er eine Frau mit sich führt, solange sie den Apostel und seine Frau nicht unterstützen müssen. Aber Paulus macht deutlich, dass er das Recht hatte, nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Familie Unterstützung zu erwarten.
    1. Wie auch die anderen Apostel: Offenbar waren die meisten anderen Apostel verheiratet, und ihre Frauen reisten mit ihnen, während sie ihren Dienst verrichteten. Dies ist besonders interessant in Bezug auf Petrus (Kephas), der offensichtlich verheiratet war, aber von der römisch-katholischen Kirche immer noch als der erste Papst angesehen wird, was im Widerspruch zum Prinzip des obligatorischen Zölibats steht.
  4. Oder sind nur ich und Barnabas nicht berechtigt: Die meisten anderen Apostel erhielten Unterstützung von den Gemeinden, in denen sie dienten. Paulus und Barnabas waren in dieser Hinsicht einzigartig, denn sie entschieden sich dafür, zu arbeiten und sich selbst zu unterhalten, sodass ihnen niemand vorwerfen konnte, wegen des Geldes zu predigen.
    1. Man könnte meinen, dass Paulus und Barnabas dadurch in den Augen der Christen aus Korinth mehr Ansehen bekämen, aber seltsamerweise wurden sie dadurch weniger geachtet. Es war fast so, als ob die Christen in Korinth sagten: „Wenn Paulus und Barnabas echte Apostel wären, würden wir sie unterstützen; aber da sie nicht unterstützt werden, nehmen wir an, dass sie keine echten Apostel sind.“

3. Warum Paulus das Recht hat, von denen unterstützt zu werden, denen er dient

1. Korinther 9, 7-14

1. Korinther 9, 7-14
Wer zieht je auf eigene Kosten in den Krieg? Wer pflanzt einen Weinberg und isst nicht von dessen Frucht? Oder wer weidet eine Herde und nährt sich nicht von der Milch der Herde? Sage ich das nur aus menschlicher Sicht? Oder sagt dies nicht auch das Gesetz? Ja, im Gesetz Moses steht geschrieben: »Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, wenn er drischt«. Kümmert sich Gott etwa um die Ochsen? Oder sagt er das nicht vielmehr um unsertwillen? Denn es ist ja um unsertwillen geschrieben worden: Der, welcher pflügt, soll auf Hoffnung hin pflügen, und der, welcher drischt, soll auf Hoffnung hin [dreschen], dass er an seiner Hoffnung [auch] Anteil bekommt. Wenn wir euch die geistlichen Güter gesät haben, ist es etwas Großes, wenn wir von euch diejenigen für den Leib ernten? Wenn andere an diesem Recht über euch Anteil haben, sollten wir es nicht viel eher haben? Aber wir haben uns dieses Rechtes nicht bedient, sondern wir ertragen alles, damit wir dem Evangelium von Christus kein Hindernis bereiten. Wisst ihr nicht, dass die, welche die heiligen Dienste tun, auch vom Heiligtum essen, und dass die, welche am Altar dienen, vom Altar ihren Anteil erhalten? So hat auch der Herr angeordnet, dass die, welche das Evangelium verkündigen, vom Evangelium leben sollen.

  1. Wer zieht je auf eigene Kosten in den Krieg: In einer Armee werden die Soldaten versorgt. Der Bauer wird durch das Feld, auf dem er arbeitet, ernährt (Wer pflanzt einen Weinberg und isst nicht von dessen Frucht?). Der Hirte wird von den Schafen ernährt, die er hütet (Oder wer weidet eine Herde und nährt sich nicht von der Milch der Herde?). Daher sollte es den Christen in Korinth nicht seltsam erscheinen, dass Paulus das Recht hat, von den Menschen, denen er dient, versorgt zu werden.
  2. Oder sagt dies nicht auch das Gesetz? Das Recht des Paulus ist auch im mosaischen Gesetz festgehalten. Er beruft sich auf die Schrift, nicht nur auf menschliche Regeln (Sage ich das nur aus menschlicher Sicht?).
    1. In 5. Mose 25, 4 befahl Gott: Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, wenn er drischt. Dieses Gesetz befahl lediglich die artgerechte Behandlung eines Nutztieres. Damals wurde das Korn von seiner Schale abgebrochen, indem ein Ochse wiederholt (gewöhnlich im Kreis) darauf lief. Es war grausam, den Ochsen zu zwingen, über all das Korn zu laufen, ihm aber das Maul zu verbinden, damit er nicht davon essen konnte.
    2. Kümmert sich Gott etwa um die Ochsen? Das Prinzip aus 5. Mose 25, 4 beinhaltet viel mehr, als für die Bedürfnisse von Ochsen zu sorgen. Gott stellt das Prinzip auf, dass ein Diener Gottes das Recht hat, von den Menschen, denen er dient, unterstützt zu werden. Wie Wiersbe sagt: „Da Ochsen nicht lesen können, wurde dieser Vers nicht für sie geschrieben.“
    3. Das Gesetz über Ochsen stellte ein Prinzip dar, das ein breitere Anwendung hatte. Aber: „Wir dürfen nicht den Fehler begehen, zu denken, Paulus wolle dieses Gebot allegorisch erklären; manche hohlköpfigen Geschöpfe machen dies zu einem Vorwand, um alles in Allegorien zu verwandeln, sodass sie Hunde in Menschen, Bäume in Engel und die ganze Schrift in ein lustiges Spiel verwandeln.“ (Calvin)
  3. Der, welcher pflügt, soll auf Hoffnung hin pflügen, und der, welcher drischt, soll auf Hoffnung hin [dreschen], dass er an seiner Hoffnung [auch] Anteil bekommt: Es wäre grausam, diejenigen verhungern zu lassen, die dein Essen bereitstellen und zubereiten. Dies zu tun, würde ihnen all ihre Hoffnung nehmen. Es gibt ihnen das Gefühl, missbraucht und nicht gewürdigt zu werden.
  4. Wenn wir euch die geistlichen Güter gesät haben: Paulus macht hier deutlich, dass es richtig ist, dass das geistliche Werk der Diener Gottes mit der materiellen Unterstützung der Menschen, denen sie dienen, vergolten wird.
  5. Wenn andere an diesem Recht über euch Anteil haben: Es war nicht so, dass die Christen aus Korinth sich geweigert hätten, jemanden im Dienst zu unterstützen. Nein, andere haben Anteil an diesem Recht. Das Problem mit den Christen aus Korinth war, dass sie Paulus die Unterstützung verweigerten und gleichzeitig weniger von ihm hielten, gerade weil er die Unterstützung nicht bekam.
  6. Aber wir haben uns dieses Rechtes nicht bedient … damit wir dem Evangelium von Christus kein Hindernis bereiten: So nachdrücklich wie Paulus sein Recht bekräftigt, von den Menschen, denen er dient, unterstützt zu werden, so nachdrücklich wird er auch sein Recht bekräftigen, von diesem Recht keinen Gebrauch zu machen, wenn sein Gebrauch dem Evangelium von Christus ein Hindernis bereiten könnte.
    1. Hier sehen wir das wahre Herz von Paulus. Entlohnt oder nicht entlohnt, es war ihm egal. Was zählte, war das Werk des Evangeliums. War es für das Evangelium wirksamer, wenn Paulus Unterstützung erhielt? Dann würde er sie erhalten. War es für das Evangelium wirksamer, wenn Paulus sich selbst unterstützte? Dann würde er das tun. Es ging ihm nur darum, dass das Evangelium in keiner Weise behindert wurde.
    2. Wenn Paulus bereit war, sich selbst ein so wichtiges Recht für das Wohl des Evangeliums und der Christen aus Korinth zu verweigern, sollten dann nicht auch die Christen aus Korinth für das gleiche Wohl ihr ‚Recht‘ verleugnen, Fleisch zu essen, das Götzen geopfert wurde?
  7. So hat auch der Herr angeordnet, dass die, welche das Evangelium verkündigen, vom Evangelium leben sollen: Diese zusammenfassende Aussage schließt den Abschnitt ab. Manch einer könnte sagen: „Ja, die Apostel hatten das Recht, bezahlt zu werden, aber heute hat niemand mehr dieses Recht.“ Aber dieser Befehl des Herrn bedeutet, dass jeder, der das Evangelium predigt, das Recht hat, von denen unterstützt zu werden, denen er predigt.
    1. Sollten moderne Pastoren ihr Recht auf Unterstützung geltend machen oder aufgeben? Sie sollten das tun, was dem Evangelium und der Kirche besser dient. Aber wenn ein Pastor Geld für Unterstützung nimmt, sollte er hart arbeiten, um dieses Geld zu verdienen.
    2. „Wenn ein Mann, der nicht arbeitet, seinen Unterhalt von der Kirche Gottes nimmt, ist das nicht nur ein häuslicher Diebstahl, sondern ein Sakrileg. Wer seine Zeit für diese Arbeit aufgibt, hat ein Recht auf den Lebensunterhalt für sich und seine Familie: Wer mehr nimmt, als für diesen Zweck ausreicht, ist ein begehrlicher Mietling. Wer nichts für die Sache Gottes und des Glaubens tut und dennoch die Kirche verpflichtet, ihn zu unterstützen und seinem Müßiggang, seinen Regelwidrigkeiten, seinem Luxus, seiner Gier und seinem Ehrgeiz zu dienen, ist ein Ungeheuer, für das die menschliche Sprache noch keinen Namen hat.“ (Clarke)
  8. So hat … der Herr angeordnet, dass die, welche das Evangelium verkündigen, vom Evangelium leben sollen: Wir haben keine Aufzeichnungen über genau diese spezifischen Worte Jesu, aber an zwei Stellen erwähnt er dieses Prinzip. In Matthäus 10, 10 (denn der Arbeiter ist seiner Nahrung wert) und in Lukas 10, 8 (Und wenn ihr in eine Stadt kommt und sie euch aufnehmen, da esst, was euch vorgesetzt wird).

B. Paulus‘ Wunsch, seine Rechte nicht in Anspruch zu nehmen

1. Paulus‘ Belohnung: zu predigen, ohne sich auf die Unterstützung eines Menschen zu verlassen

1. Korinther 9, 15-18

1. Korinther 9, 15-18
Ich aber habe davon keinerlei Gebrauch gemacht; ich habe dies auch nicht deshalb geschrieben, damit es mit mir so gehalten wird. Viel lieber wollte ich sterben, als dass mir jemand meinen Ruhm zunichtemachte! Denn wenn ich das Evangelium verkündige, so ist das kein Ruhm für mich; denn ich bin dazu verpflichtet, und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigen würde! Denn wenn ich dies freiwillig tue, so habe ich Lohn; wenn aber unfreiwillig, bin ich mit einem Haushalterdienst betraut. Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich bei meiner Verkündigung das Evangelium von Christus kostenfrei darbiete, sodass ich von meinem Anspruch am Evangelium keinen Gebrauch mache.

  1. Ich aber habe davon keinerlei Gebrauch gemacht: Paulus hatte das Recht, unterstützt zu werden, aber er hat von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht.
  2. Ich habe dies auch nicht deshalb geschrieben: Indem er dies schrieb, spielte Paulus nicht auf eine heimlich gewollte Unterstützung durch die Christen in Korinth an. Er zeigt ihnen den Wert und die Gründe für einen Verzicht auf die eigenen Rechte auf.
  3. Viel lieber wollte ich sterben, als dass mir jemand meinen Ruhm zunichtemachte: Paulus Ruhm bestand nicht darin, dass er das Evangelium verkündete. Er musste das tun (denn ich bin dazu verpflichtet); stattdessen lag sein Ruhm darin begründet, dass er es tun konnte, ohne seine Zuhörer um Unterstützung zu bitten.
    1. Wie bereits erwähnt blickte die griechische Kultur, die von den Christen aus Korinth so sehr geschätzt wurde, auf jede handwerkliche Arbeit von oben herab. Auch wenn die Christen aus Korinth weniger von Paulus zu halten schienen, weil er mit seinen eigenen Händen arbeitete, um sich selbst zu versorgen, brachte das Paulus keineswegs in Verlegenheit. Er will sich damit rühmen!
  4. Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigen würde! Der Dienst des Paulus war nicht nur eine Entscheidungssache oder persönlicher Ehrgeiz; er war etwas, zu dem Paulus berufen war, etwas, das er tun musste. Er hatte nicht nur einen ‚Reiz zu predigen‘. Er war zum Predigen berufen und fühlte sich gezwungen, diesen Ruf zu erfüllen.
  5. Wenn ich dies freiwillig tue: Einige werden in ihrem Dienst nicht unterstützt, ohne dass es ihre Entscheidung ist, sondern es liegt an ihren Umständen. Wenn man aber freiwillig keine Unterstützung empfängt, dann hat man einen Lohn. Wenn ich jedoch unfreiwillig ohne Unterstützung bleibe, dann bin ich mit einem Haushalterdienst (Dienst eines Sklaven, der keinen Lohn dafür erhält, dass er tut, was er soll) betraut.
  6. Dass ich bei meiner Verkündigung das Evangelium von Christus kostenfrei darbiete: Zu Paulus‘ Zeiten gab es eine Menge religiöser Unternehmer, die darauf aus waren, jede Botschaft zu predigen, um Geld zu bekommen. Paulus war glücklich, sich von diesen zu distanzieren, indem er niemals eine Spende annahm, damit niemand dachte, er würde seinen Anspruch am Evangelium missbrauchen. Das war der Lohn des Paulus.
    1. Wir werden vielleicht nie vor der gleichen Entscheidung stehen wie Paulus – Unterstützung zum Wohle des Evangeliums anzunehmen oder sie zu verweigern. Aber jeder von uns hat eine entscheidende Frage zu beantworten: Welche Rechte bist du bereit, für die Sache Jesu zu opfern?

2. Die Flexibilität des Paulus im Dienst

1. Korinther 9, 19-23

1. Korinther 9, 19-23
Denn obwohl ich frei bin von allen, habe ich mich doch allen zum Knecht gemacht, um desto mehr [Menschen] zu gewinnen. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne; denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich geworden, als wäre ich unter dem Gesetz, damit ich die unter dem Gesetz gewinne; denen, die ohne Gesetz sind, bin ich geworden, als wäre ich ohne Gesetz — obwohl ich vor Gott nicht ohne Gesetz bin, sondern Christus gesetzmäßig unterworfen —, damit ich die gewinne, die ohne Gesetz sind. Den Schwachen bin ich wie ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne; ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette. Dies aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.

  1. Denn obwohl ich frei bin von allen … um desto mehr [Menschen] zu gewinnen: Paulus war frei zu tun, was er wollte, aber Menschen zu Jesus zu bringen, war ihm wichtiger, als seine Freiheit für sich zu nutzen.
  2. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne: Für außenstehende Beobachter mag es so ausgesehen haben, als sei das Leben des Paulus widersprüchlich gewesen, aber er verfolgte konsequent ein Ziel: Menschen für Jesus zu gewinnen.
    1. In Apostelgeschichte 21, 23-26 nahm Paulus an jüdischen Reinigungszeremonien teil, von denen er wusste, dass sie für sein eigenes Glaubensleben nicht notwendig waren, aber er hoffte, sie würden helfen, eine Brücke des Dienstes zu den Juden zu bauen. Auch in Apostelgeschichte 16, 3 ließ Paulus Timotheus beschneiden – wiederum nicht, weil es notwendig war, sondern weil es hilfreich sein konnte, um das Evangelium unter die Juden zu bringen.
    2. „Den Heiden gegenüber verhielt er sich, als ob er selbst ein Heide gewesen wäre, d.h. er verzichtete auf die Einhaltung des levitischen Gesetzes, gegenüber dem Heiden niemals irgendeine Verpflichtung hatten.“ (Poole)
    3. „Paulus versuchte, Menschen für Jesus Christus zu gewinnen, indem er einfühlsam auf ihre Bedürfnisse einging und sich mit ihnen identifizierte. Wir sollten versuchen, Menschen dort zu erreichen, wo sie heute sind, und erwarten, Veränderungen später zu sehen.“ (Smith)
  3. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette: Wir sollten nicht denken, dass Paulus seine Lehre oder Botschaft geändert hat, um verschiedene Gruppen anzusprechen (er erteilt dieser Ansicht eine klare Absage in 1. Korinther 1, 22-23), aber er würde sein Verhalten und seine Art der Annäherung ändern.
    1. „An dieser Stelle wurde oft der Gedanke der ‚Anpassung‘ in der Evangelisation gesehen, d.h. der Anpassung der Botschaft an die Sprache und Perspektive der Empfänger. Auch wenn diese Diskussion eine notwendige ist, wird sie in diesem Abschnitt nicht direkt angesprochen. Er behandelt vielmehr die Art und Weise, in der man unter denen lebt oder sich verhält, die man evangelisieren möchte.“ (Fee)
    2. „Diejenigen, die für das System der Anpassung nach dem Beispiel des heiligen Paulus plädieren, sollen sich mit dem Ziel, das er im Auge hatte, und der Art und Weise, wie er dieses Ziel verfolgte, befassen. Es ging nicht um Geld, Einfluss oder Ehre, sondern darum, Seelen zu retten! Es ging nicht darum, einen leichteren Weg zu gehen, sondern darum, seine Arbeit zu steigern. Es ging nicht darum, sein Leben zu retten, sondern vielmehr darum, dass es ein Opfer für das Wohl unsterblicher Seelen sein soll!“ (Clarke)
  4. Dies aber tue ich um des Evangeliums willen: Paulus war bereit, Menschen wegen des Evangeliums vor den Kopf zu stoßen, aber er wollte sie nur wegen des Evangeliums vor den Kopf stoßen.

3. Die Haltung des Paulus: die Haltung eines Athleten

1. Korinther 9, 24-27

1. Korinther 9, 24-27
Wisst ihr nicht, dass die, welche in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, aber nur einer den Preis erlangt? Lauft so, dass ihr ihn erlangt! Jeder aber, der sich am Wettkampf beteiligt, ist enthaltsam in allem — jene, um einen vergänglichen Siegeskranz zu empfangen, wir aber einen unvergänglichen. So laufe ich nun nicht wie aufs Ungewisse; ich führe meinen Faustkampf nicht mit bloßen Luftstreichen, sondern ich bezwinge meinen Leib und beherrsche ihn, damit ich nicht anderen verkündige und selbst verwerflich werde.

  1. So laufe ich … ich führe meinen Faustkampf: Sportveranstaltungen waren zu Paulus’ Zeiten ebenso populär wie zu unserer Zeit. Das war für die Korinther besonders bedeutsam, weil ihre Stadt das Zentrum der Isthmischen Spiele war, die an Prestige nur den Olympischen Spielen der Antike unterlagen.
    1. Paulus verwendet häufig Figuren aus Arenawettkämpfen (mindestens zwölf verschiedene Bezüge in seinen Briefen), darunter Beispiele von Läufern, Boxern, Gladiatoren, Wagenlenkern und Trophäen.
  2. Lauft so, dass ihr ihn erlangt: Paulus sagt uns, wir sollen als Athleten trainieren und antreten, die wirklich gewinnen wollen. Ohne Anstrengung kann bei einer Sportveranstaltung nichts gewonnen werden.
  3. Jeder aber, der sich am Wettkampf beteiligt, ist enthaltsam in allem: Um als Athlet antreten zu können, muss man enthaltsam sein. Dieser Begriff bezieht sich auf die Art und Weise, in der römische Athleten zehn Monate lang trainieren mussten, bevor sie an den Spielen teilnehmen durften.
    1. Ein Athlet muss auf Dinge verzichten, die an sich nicht verwerflich sein mögen, aber die Verfolgung seines Ziels behindern. Ebenso müssen die Korinther auf Dinge verzichten, die an sich nicht verwerflich sind (wie Fleisch, das Götzen geopfert wird), weil sie die Verfolgung des wichtigen Ziels behindern können: einen unvergänglichen Siegeskranz, eine himmlische Belohnung, die niemals vergehen wird.
  4. Ich bezwinge meinen Leib: Bezwingen ist eine zurückhaltende Übersetzung. Das altgriechische Wort bedeutet „unter das Auge schlagen; ein blaues Auge geben“. Paulus wollte nicht, dass sein Körper über sein ganzes Wesen herrscht.
    1. Und beherrsche ihn bedeutet buchstäblich als Sklave herumführen. Paulus sorgte dafür, dass sein Körper der Diener und sein innerer Mensch der Herr war. Die Begehrlichkeiten seines Körpers würden nicht über sein ganzes Selbst herrschen.
    2. Paulus dachte allerdings nicht, dass der Körper an sich schlecht sei; schließlich gehört er Jesus (1. Korinther 6, 20); auch würde er nicht mit späteren Asketen übereinstimmen, die ihren Körper im Streben nach Super-Heiligkeit bestraften. Im Laufe der Jahrhunderte peitschten, schlugen und quälten sich als Flagellanten bekannte Christen buchstäblich selbst – in einem fehlgeleiteten Versuch, diesen Vers zu erfüllen. Gewöhnlich dachten diese Christen, sie könnten für ihre Sünden durch solche Selbstquälerei bezahlen, und sie weigerten sich anzuerkennen, dass Jesus die Strafe für ihre Sünde vollständig bezahlt hat.
  5. Damit ich nicht anderen verkündige: Paulus sieht sich sowohl als Herold der Spiele (der die Regeln verkündete), als auch als Teilnehmer. Paulus erklärte anderen die Regeln des Spiels, und er musste die Regeln selbst befolgen.
    1. Verkündige: „Bezieht sich auf das Amt des … Herolds bei diesen Spielen, dessen Aufgabe es war, die Bedingungen der Spiele zu verkünden, die Preise auszustellen, die Kämpfer zu ermahnen, die Anfeuerung derer, die antreten sollten, anzuregen, die Regeln jedes Wettbewerbs zu verkünden, die Namen der Sieger auszusprechen und ihnen die Krone auf den Kopf zu setzen.“ (Clarke)
  6. Damit ich nicht … selbst verwerflich werde: In diesem Zusammenhang bezieht sich verwerflich (im Sinne einer Disqualifizierung) wohl nicht auf den Verlust des Heils (keinem Griechen wurde bei Verlust die Bürgerschaft entzogen), sondern auf den Verlust der Belohnung.
    1. Verwerflich: „Bezeichnet eine Person, welche die … Schiedsrichter der Spiele, ablehnen, weil sie den Preis nicht verdient hat. So könnte es sein, dass Paulus selbst vom großen Richter zurückgewiesen wird; und um dies zu verhindern, lief er, rang er, verleugnete sich selbst und brachte seinen Körper unter die Gewalt seines Geistes, und ließ seinen Geist vom Geist Gottes regieren.“ (Clarke)

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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