1. Korinther 13 – Das Hohelied der Liebe

George Campbell Morgan schrieb, dass die Untersuchung dieses Kapitels wie das Sezieren einer Blume sei. Wenn man sie zu sehr auseinander nimmt, verliert sie ihre Schönheit. Alan Redpath sagte, man könne von der Wärme dieses Kapitels eine spirituelle Sonnenbräune bekommen.

A. Die Vormachtstellung der Liebe

1. Liebe ist den geistlichen Gaben an und für sich überlegen

1. Korinther 13, 1-2

1. Korinther 13, 1-2
Wenn ich in Sprachen der Menschen und der Engel redete, aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich Weissagung hätte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben besäße, sodass ich Berge versetzte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts.

  1. Wenn ich in Sprachen der Menschen und der Engel redete: Die Korinther liebten geistliche Gaben, insbesondere die Gabe der Sprachen. Paulus erinnert sie daran, dass sogar die Gabe der Sprachen ohne Liebe bedeutungslos ist. Ohne Liebe kann ein Mensch mit der Gabe der Sprachen sprechen, aber es ist so bedeutungslos wie tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Es ist nichts als leerer Lärm.
    1. „Menschen mit geringem Glauben sind immer laut; wer nicht die Liebe Gottes und des Menschen in seinem Herzen trägt, ist wie ein leerer Wagen, der stürmisch einen Hügel hinuntersaust: Er macht großen Lärm, weil nichts in ihm drin ist.“ (Josiah Gregory, zitiert in Clarke)
  2. Sprachen der Menschen und der Engel: Das hier aus dem Altgriechischen übersetzte Wort ‚Sprachen‘ ist an einigen Stellen einfach zu verstehen als „die Fähigkeit verbaler Kommunikation“ (Apostelgeschichte 2, 11 und Offenbarung 5, 9). Dies hat dazu geführt, dass manche meinen, die Gabe der Sprachen sei einfach die Fähigkeit, das Evangelium in anderen Sprachen zu kommunizieren, oder die Fähigkeit, Sprachen schnell zu erlernen. Aber die Art und Weise, wie der Begriff ‚Sprachen‘ hier verwendet wird, zeigt, dass es sich auf übernatürliche Sprachen beziehen könnte, und dies in der Regel auch tun, durch die ein Gläubiger mit Gott kommuniziert. Es gibt keine andere Möglichkeit, den Bezug auf die Sprache der … Engel zu verstehen.
    1. Zu Paulus‘ Zeiten glaubten viele Juden, dass Engel ihre eigene Sprache besäßen und man diese durch den Geist sprechen könne. Der Bezug auf die Sprache der … Engel zeigt, dass die wahre Gabe der Sprachen zwar eine echte Sprache ist, aber vielleicht keine ‚lebendige‘ menschliche Sprache oder überhaupt keine menschliche Sprache. Offenbar gibt es Engelssprachen, die Menschen durch die Einwirkung des Heiligen Geistes sprechen können.
    2. In einem faszinierenden Kommentar weist Poole darauf hin, dass die Sprache der … Engel aufzeigen könnte, wie Gott mit uns auf eine nonverbale Weise kommuniziert: „Engel haben weder Zungen, noch machen sie irgendwelche artikulierten, hörbaren Laute, durch die sie sich verständigen; aber dennoch gibt es sicherlich eine gesellschaftliche Verbindung oder einen Austausch unter Engeln, der nicht aufrechterhalten werden könnte, wenn es keine Möglichkeit für sie gäbe, sich untereinander ihren Geist und Willen mitzuteilen. Wie das möglich ist, können wir nicht sagen. Einige der Gelehrten sagen, es sei ein Gefühlseindruck: Auf diese Weise teilt Gott tatsächlich manchmal seinen Anhängern seine Ansichten mit; indem er ihren Verständen geheime Einblicke seines Willens gibt.“ Poole lag falsch mit seiner Annahme, dass Engel nicht sprechen können – an vielen Stellen in der Bibel reden engelhafte Wesen, sowohl im Himmel als auch auf der Erde. Dennoch ist es interessant zu erwägen, dass Engel Kommunikationsfähigkeiten haben, die wir nicht besitzen und nicht haben werden, bis die Gläubigen in ihrer Auferstehung erhoben werden.
  3. Weissagung, Erkenntnis und Glauben, Wunder vollbringen zu können, ist ebenso bedeutungslos ohne die Liebe. Die Christen aus Korinth verfehlten das Motiv und das Ziel dieser Gaben und machten sie selbst zum Ziel. Paulus lenkt die Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Liebe.
    1. Paulus, der hierbei den Gedanken von Jesus zitiert, bezieht sich auf den Glauben, der Berge versetzte (Matthäus 17, 20). Was für eine großartige Sache wäre es doch, einen Glauben zu haben, der das Unmögliche möglich macht! Doch selbst mit dieser Art von Glauben sind wir nichts ohne Liebe.
    2. Ein Mann mit solch einem Glauben kann große Berge versetzen, aber er wird sie direkt auf den Weg eines anderen Menschen – oder direkt auf einen anderen Menschen – setzen, wenn er keine Liebe hat.
    3. Es geht hier nicht darum, entweder Liebe oder Gaben zu haben. Eine Kirche sollte nie gezwungen sein, sich zwischen der Liebe und den Gaben des Heiligen Geistes zu entscheiden. Paulus betont den Fokus und das Ziel der Gaben: Liebe, nicht die Gaben um ihrer selbst willen.
    4. „Der Besitz der Gaben ist nicht das Zeichen des Geistes; die christliche Liebe ist es.“ (Fee)
  4. Keine Liebe hätte: Paulus verwendet das altgriechische Wort ‚agape‘. Die alten Griechen hatten vier verschiedene Wörter, die wir als Liebe übersetzen könnten. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen den Wörtern zu verstehen und nachvollziehen zu können, warum der Apostel Paulus hier das griechische Wort ‚agape‘ benutzt hat.
    1. Eros war eines der Worte für Liebe. Es beschrieb, wie das Wort selbst schon vermuten lässt, die erotische Liebe. Es bezieht sich auf sexuelle Liebe.
    2. Storge war das zweite Wort für Liebe. Es bezieht sich auf die Familienliebe, die Art von Liebe, die zwischen einem Elternteil und einem Kind oder zwischen Familienmitgliedern im Allgemeinen besteht.
    3. Philia ist das dritte Wort für Liebe. Es bezieht sich auf brüderliche Freundschaft und Zuneigung. Es ist die Liebe in einer tiefen Freundschaft und Partnerschaft. Man könnte sie als die höchste Liebe bezeichnen, zu der ein Mensch ohne Gottes Hilfe fähig ist.
    4. Agape ist das vierte Wort für Liebe. Es ist eine Liebe, die liebt, ohne sich zu verändern. Es ist eine sich schenkende Liebe, die gibt, ohne Gegenleistung zu verlangen oder zu erwarten. Es ist eine Liebe, die so groß ist, dass sie den Unliebsamen oder Unansehnlichen gegeben werden kann. Es ist eine Liebe, die auch dann liebt, wenn sie abgewiesen wird. Agape Liebe gibt und liebt, weil sie das will; sie verlangt oder erwartet keinen Ausgleich für die gegebene Liebe. Sie gibt, weil sie liebt; sie liebt nicht, um etwas zu empfangen. Nach Alan Redpath kommt das Wort ‚Agonie‘ von Agape. „Es bedeutet die tatsächliche Absorption unseres Seins in einer großen Leidenschaft.“ (Redpath) Streng genommen kann Agape nicht als ‚Gottes Liebe‘ definiert werden, weil von den Menschen gesagt wird, dass sie die Sünde und die Welt ‚agape (lieben) (Johannes 3, 19 und 1. Johannes 2, 15). Aber sie kann als eine aufopfernde, gebende und akzeptierende Art von Liebe definiert werden. Das Wort hat wenig mit Emotionen zu tun; es hat viel mit Selbstverleugnung um eines anderen willen zu tun.
    5. Man kann dieses Kapitel lesen und denken, dass Paulus sagt, unser Leben sei bedeutungslos, wenn wir unfreundlich sind. Aber agape ist nicht wirklich Freundlichkeit; es ist Selbstverleugnung um eines anderen willen.

2. Die dramatischsten Selbstverleugnungen sind ohne Liebe ebenso nutzlos

1. Korinther 13, 3

1. Korinther 13, 3
Und wenn ich alle meine Habe austeilte und meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde, aber keine Liebe hätte, so nützte es mir nichts!

  1. Alle meine Habe austeilte: Das trug Jesus dem jungen, reichen Herrscher auf (Matthäus 19, 16-30) und dieser lehnte es ab. Aber selbst wenn der junge, reiche Herrscher getan hätte, was Jesus sagte, jedoch keine Liebe in sich hätte, wäre es von keinem Nutzen gewesen.
  2. Meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde: Selbst wenn ich mein Leben in einem dramatischen Martyrium niederlegen würde, wäre es, in Abwesenheit von Liebe, ohne Nutzen. Normalerweise würde niemand an der spirituellen Glaubwürdigkeit von jemandem zweifeln, der alles, was er hat, weggegeben und sein Leben in einem dramatischen Martyrium aufgegeben hat. Aber das ist nicht der beste Maßstab für die wahren spirituellen Qualitäten eines Menschen. Liebe ist das beste Maß.
    1. Es gab einige frühe Christen, die so arrogant waren, zu glauben, dass das Blut eines Martyriums jede Sünde wegwaschen würde. Sie waren so stolz auf ihre Fähigkeit, das Leiden für Jesus zu ertragen, dass sie dachten, es sei das Wichtigste im christlichen Leben. Es ist wichtig, aber nicht das Wichtigste. Ohne Liebe … nützte es mir nichts. Selbst wenn es freiwillig geschieht (Poole merkt an „und ich nicht auf den Scheiterhaufen geschleppt werde, sondern mich aus freier Entscheidung dieser grausamen Art von Tod hingäbe“)) nützte es mir nichts ohne Liebe.
    2. Einige glauben, dass die Verbrennung, von der hier die Rede ist, keine Hinrichtung ist, sondern eine Brandmarkung als Verbrecher oder als Sklave um des Evangeliums willen. Die wahrscheinlichere Bedeutung ist die Hinrichtung, wobei das eigentlich unbedeutend ist, denn die wesentliche Aussage ist dieselbe – großes, persönliches Opfer.
    3. Außerdem steht in einigen altgriechischen Manuskripten, wenn ich meinen Leib hingäbe, damit ich mich rühmen kann, anstatt meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde. Auch hier ist die Bedeutung dieselbe, und der Unterschied ist nur sehr gering.
    4. Viele Christen glauben, dass es im christlichen Leben nur um Opfer geht – darum, sein Geld, sein Leben für Jesus Christus zu opfern. Opfer ist wichtig, aber ohne Liebe ist es nutzlos, es nützte mir nichts.
  3. Jede Sache, die in 1. Korinther 13, 1-3 beschrieben wird, ist gut. Sprachen sind gut, Weissagung, Erkenntnis und Glauben sind gut, Aufopferung ist gut. Aber Liebe ist so wertvoll, so wichtig, dass ohne sie jede andere gute Sache nutzlos ist. Manchmal machen wir den großen Fehler, das, was am Besten ist, für etwas anderes loszulassen, das zwar gut, aber nicht das Beste ist.

B. Die Beschreibung der Liebe

Damit die Korinther nicht zu dem Apostel sagen: Was ist das für eine Liebe, von der du sprichst? Oder wie sollen wir wissen, ob wir sie haben? Der Apostel nennt hier dreizehn Kennzeichen einer wohltätigen Person.“ (Poole)

1. Zwei Dinge ist die Liebe: langmütig und gütig

1. Korinther 13, 4a

1. Korinther 13, 4a
Die Liebe ist langmütig und gütig,

  1. Die Liebe: Am Anfang sehen wir, dass die Liebe mit Eigenschaftswörtern beschrieben wird, die ein bestimmtes Verhalten charakterisieren, nicht mit hochtrabenden Begriffen. Paulus schreibt nicht darüber, wie sich Liebe anfühlt. Er schreibt darüber, welches Verhalten sie hervorbringt. Wahre Liebe wird immer durch entsprechende Taten gezeigt.
  2. Die Liebe ist langmütig: Die Liebe wird lange erdulden. Es ist das Herz, das sich in Gott zeigt, wenn vom Herrn gesagt wird: „Der Herr zögert nicht die Verheißung hinaus, wie etliche es für ein Hinauszögern halten, sondern er ist langmütig gegen uns, weil er nicht will, dass jemand verlorengehe, sondern dass jedermann Raum zur Buße habe.“ (2. Petrus 3, 9) Wenn die Liebe Gottes in uns ist, werden wir denen gegenüber, die uns verärgern und verletzen, Langmut zeigen.
    1. Der antike Prediger Johannes Chrysostomus sagte, dies seien die Worte eines Mannes, dem Unrecht zugefügt wurde und dem es ein Leichtes wäre, sich zu rächen, der es aber aus Barmherzigkeit und Geduld nicht tut. Rächst du dich, sobald du die Gelegenheit dazu hast?
  3. Die Liebe ist … gütig: Wenn wir Gottes Liebe haben und zeigen, wird sie sich in einfachen Taten der Güte ausdrücken. Ein wunderbares Maß für Güte ist es, zu sehen, wie Kinder uns empfangen. Kinder werden nichts von unfreundlichen Menschen empfangen oder auf sie reagieren.

2. Acht Dinge, die Liebe nicht ist: nicht neidisch, nicht stolz, nicht arrogant, nicht unhöflich, nicht klüngelhaft, nicht reizbar, nicht misstrauisch, nicht erfreut an dem Bösen

1. Korinther 13, 4b-6

1. Korinther 13, 4b-6
Die Liebe beneidet nicht, die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf; sie ist nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu; sie freut sich nicht an der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit.

  1. Die Liebe beneidet nicht: Neid ist eine der nutzlosesten und schädlichsten aller Sünden. Er erreicht nichts anderes, als zu verletzen. Liebe hält Abstand von Neid und nimmt es nicht übel, wenn jemand anders begünstigt oder gesegnet wird. Clarke beschreibt ein Herz, das nicht beneidet: „Solche Herzen sind immer damit einverstanden, wenn andere ihnen gegenüber bevorzugt werden.“
    1. Ist Neid eine kleine Sünde? Neid ermordete Abel (1. Mose 4, 3-8). Neid versklavte Joseph (1. Mose 37, 11;37, 28). Neid brachte Jesus ans Kreuz: Denn er wusste, dass sie ihn aus Neid ausgeliefert hatten. (Matthäus 27, 18)
    2. „Viele Menschen verdecken einen Geist voller Neid und Lieblosigkeit mit dem Namen göttlichen Eifers und der zärtlichen Sorge um die Rettung anderer; sie finden an allem etwas auszusetzen; ihr Geist ist ein Geist der allbekannten Tadelsucht; niemand kann es ihnen recht machen; und jeder leidet unter ihnen. Diese zerstören mehr Seelen, indem sie den Zehnten für Minze und Kummin geben, als andere es tun, indem sie die gewichtigeren Angelegenheiten des Gesetzes vernachlässigen. Solche Menschen haben das, was man zu Recht als ‚saure Frömmigkeit‘ bezeichnet.“ (Clarke)
  2. Die Liebe prahlt nicht: Aktive Liebe kann anonym wirken. Sie braucht nicht das Rampenlicht, die Aufmerksamkeit oder mit dem Ergebnis zufrieden zu sein, um eine gute Arbeit zu leisten. Die Liebe gibt, weil sie es liebt zu geben, nicht wegen dem Lob und der Ehre, die sie bekommen kann, wenn sie sich selbst zur Schau stellt.
    1. Manchmal sind die Menschen, die sich am meisten um die Liebe zu bemühen scheinen, diejenigen, die am weitesten davon entfernt sind. Sie tun Dinge, die viele als liebevoll wahrnehmen, aber sie tun diese auf eine Art und Weise, die prahlt. Das ist nicht Liebe; es ist Stolz, der durch den Anschein von Liebe nach Ruhm sucht.
  3. Die Liebe … bläht sich nicht auf: Aufgebläht zu sein bedeutet, arrogant und egozentrisch zu sein. Es beschreibt jemanden, der ein Angeber ist. Liebe ist nicht angeberisch, sie konzentriert sich auf die Bedürfnisse der anderen.
    1. Sowohl das Prahlen als auch das sich Aufblähen sind im Stolz verwurzelt. Unter Christen ist der schlimmste Stolz spiritueller Stolz. Stolz wegen Äußerlichkeiten ist widerlich, Stolz wegen Abstammung ist geschmacklos, aber der schlimmste Stolz ist Stolz wegen der Gnade!
    2. William Carey wird von vielen als der Gründer der modernen Missionsbewegung angesehen. Christen auf der ganzen Welt wissen heute, wer er war, und schenken ihm Anerkennung. Er kam von einem bescheidenen Ort; er war ein Schuhmacher, als Gott ihn dazu berief, in die Welt hinauszugehen. Einmal, als Carey auf einer Dinnerparty war, versuchte ein eingebildeter Lord, ihn zu beleidigen, indem er sehr laut sagte: „Mr. Carey, ich habe gehört, dass Sie einmal Schuhmacher waren!“ Carey antwortete: „Nein, Eure Lordschaft, kein Schuhmacher, nur ein Flickschuster!“ Heute erinnert man sich an den Namen William Carey, aber niemand erinnert sich, wer dieser eingebildete Lord war. Seine Liebe zeigte sich darin, dass er nicht eingebildet war.
  4. Die Liebe … ist nicht unanständig: Wo Liebe ist, da gibt es Freundlichkeit und gute Umgangsformen. Vielleicht nicht in der spießigen, „schau, wie kultiviert ich bin“-Art, Manieren zu zeigen, sondern auf die einfache Art und Weise, sich nicht unanständig zu verhalten.
  5. Die Liebe … sucht nicht das Ihre: Paulus vermittelt den gleichen Gedanken in Römer 12, 10: in der Ehrerbietung komme einer dem anderen zuvor. Auch in Philipper 2, 4 zeigt sich derselbe Leitgedanke: Jeder schaue nicht auf das Seine, sondern jeder auf das des anderen. Das bedeutet, in grundlegendster Weise wie Jesus zu sein, eine auf die anderen zentrierte Person zu sein, anstatt egozentrisch zu sein.
    1. „Liebe ist nie gesättigt, außer im Wohlergehen, im Trost und der Erlösung aller. Derjenige ist kein Christ, der nur auf sein eigenes Glück bedacht ist; und sich nicht darum kümmert, was sonst noch in der Welt los ist, damit er es bequem hat.“ (Clarke)
  6. Die Liebe … lässt sich nicht erbittern: Uns allen fällt es leicht, provoziert zu werden oder uns über jene zu ärgern, die einfach nur nervig sind. Jedoch ist es eine Sünde, sich erbittern zu lassen, und es ist keine Liebe. Mose wurde vom verheißenen Land ferngehalten, weil er sich von den Israeliten erbittern ließ (4. Mose 20, 2-11).
  7. Die Liebe … rechnet das Böse nicht zu: Wörtlich bedeutet dies: „Liebe häuft keine Erinnerung an ein Unrecht an, das sie empfangen hat“. Die Liebe legt die Verletzungen der Vergangenheit ab, anstatt sich an ihnen festzuklammern.
    1. Ein Schriftsteller erzählt von einem Stamm in Polynesien, wo es Brauch war, dass jeder einige Andenken an seinen Hass auf andere aufbewahrte. Diese Andenken wurden an den Dächern ihrer Hütten aufgehängt, um die Erinnerung an das Unrecht, ob wahrhaftig oder eingebildet, wach zu halten. Die meisten von uns tun dasselbe.
    2. Wahre Liebe „geht nie davon aus, dass eine gute Handlung ein schlechtes Motiv haben könnte … Das Original beinhaltet, dass man nichts Böses erfindet oder sich etwas Böses ausdenkt.“ (Clarke)
  8. Die Liebe … freut sich nicht an der Ungerechtigkeit: Sie ist bereit, das Beste für andere zu wollen, und weigert sich, die Dinge gegen andere auszuspielen. Stattdessen freut sich die Liebe an der Wahrheit. Liebe kann immer zur Wahrheit und auf der Wahrheit stehen, denn Liebe ist rein und gut wie die Wahrheit.

3. Vier weitere Dinge ist die Liebe: stark, glaubend, hoffnungsvoll und beständig. Spurgeon nennt diese vier Tugenden die vier süßen Gefährten der Liebe

1. Korinther 13, 7

1. Korinther 13, 7
Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.

  1. Alles: Vielleicht wäre es uns lieber gewesen, dass Paulus hier irgendeine andere Formulierung gewählt hätte als diese! ‘Alles’ deckt eben wirklich alles ab! Wir alle können manche Dinge ertragen, wir alle können manche Dinge glauben, wir alle können manche Dinge hoffen und wir alle können manche Dinge erdulden. Aber Gott beruft uns weiter und tiefer in die Liebe zu ihm, zueinander, und zu einer untergehenden Welt.
    1. „Du musst leidenschaftliche Nächstenliebe gegenüber den Heiligen haben, jedoch wirst du sehr viel über die Besten von ihnen herausfinden, was deine Geduld auf die Probe stellen wird; denn sie sind, wie du selbst, nicht perfekt, und sie werden dir nicht immer ihre beste Seite zuwenden, sondern manchmal traurigerweise ihre Gebrechlichkeiten zur Schau stellen. Sei deshalb bereit, dich mit ‚allem‘ in ihnen auseinanderzusetzen.“ (Spurgeon)
    2. „Die Liebe bittet nicht darum, es sich leicht zu machen: die Eigenliebe macht sich dies jedoch zu ihrem Ziel. Liebe verleugnet sich selbst, opfert sich auf, damit sie Siege für Gott erringen kann, und ihre Krone wird kein Flitterkranz sein.“ (Spurgeon)
  2. Die Liebe … erträgt alles: Das Wort für ertragen kann auch als bedecken übersetzt werden. So oder so zeigt Paulus im 1. Petrus 4, 8 eine wichtige Wahrheit auf: Vor allem aber habt innige Liebe untereinander; denn „die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken“.
    1. „Liebe bedeckt; das heißt, sie verkündet niemals die Fehler guter Menschen. Es gibt Wichtigtuer da draußen, die nie einen Fehler eines Bruders ausspähen ohne mit der pikanten Nachricht zum nächsten Nachbarn zu eilen, und dann rennen sie die Straße auf und ab, als wären sie zu Ausrufern gewählt worden. Es ist keineswegs ehrenvoll von Männern oder Frauen, sich als gemeine Spitzel aufzustellen. Dennoch kenne ich einige, die nicht halb so begierig darauf sind, das Evangelium bekannt zu machen, wie Beleidigungen bekannt zu machen. Liebe erträgt in der Gegenwart eines Fehlers, mit einem Finger auf den Lippen.“ (Spurgeon)
    2. „Ich möchte, meine Brüder und Schwestern, dass wir alle die Perlenauster nachahmen können. Ein verletzender Partikel dringt in ihre Schale ein, und das belästigt und bekümmert sie. Sie kann das Übel nicht abstoßen, also bedeckt sie es mit einer kostbaren Substanz, die sie aus ihrem eigenen Leben gewonnen hat, was den Eindringling in eine Perle verwandelt. Oh, wenn wir dies mit den Provokationen von unseren Mitchristen machen könnten, damit Perlen der Geduld, der Sanftmut, des Langmutes und der Vergebung durch das, was uns Schaden zugefügt hat, in uns gezüchtet würden.“ (Spurgeon)
  3. Die Liebe … glaubt alles: Wir glauben niemals eine Lüge, aber wir glauben auch niemals das Böse, es sei denn, die Tatsachen verlangen es. Wir entscheiden uns dafür, das Beste von anderen zu glauben.
    1. „Die Liebe glaubt, soweit sie kann, an ihre Mitmenschen. Ich kenne einige, die aus Gewohnheit an alles Schlechte glauben, aber sie sind keine Kinder der Liebe … Ich wünschte, die Schwätzer würden sich daran machen, die Tugenden anderer Leute zu übertreiben, und von Haus zu Haus gehen und schöne Geschichten über ihre Bekannten auftischen.“ (Spurgeon)
  4. Die Liebe … hofft alles: Liebe hat Zuversicht für die Zukunft, nicht Pessimismus. Wenn sie verletzt wird, sagt sie nicht: „Es wird für immer so sein, und sogar noch schlimmer werden“. Sie hofft auf das Beste, und sie hofft auf Gott.
  5. Die Liebe … erduldet alles: Die meisten von uns können alle Dinge ertragen, und alles glauben, und alles hoffen, aber nur für eine Weile! Das Großartige an der agape-Liebe ist, dass sie immer weiter alles erträgt, glaubt, und hofft. Sie gibt nicht auf. Sie vernichtet Feinde, indem sie diese zu Freunden macht.
    1. „Wenn deine Brüder ohne Grund zornig sind, habe Mitleid mit ihnen, aber lass dich nicht von ihnen bezwingen, indem sie dich in einen schlechten Gemütszustand bringen. Bleib fest in der Liebe; ertrage nicht einige Dinge, sondern alle Dinge, um Christi willen; so wirst du dich als ein wahrer Christ erweisen.“ (Spurgeon)

4. Der beste Weg, all diese Eigenschaften und Handlungsweisen der Liebe zu verstehen, ist, sie im Leben von Jesus zu sehen

  1. Man könnte das Wort Liebe durch den Namen Jesus ersetzen und die Beschreibung würde absolut Sinn machen. Man kann leicht sagen: Jesus ist langmütig und gütig; Jesus beneidet nicht … und das durch das ganze Kapitel durchziehen.
  2. Wir können unsere spirituelle Reife messen, indem wir schauen, wie es klingt, wenn wir unseren eigenen Namen an die Stelle des Wortes Liebe setzen. Klingt das völlig lächerlich oder nur ein ‚bisschen‘ weit hergeholt?
  3. Es gibt einen Grund, warum Paulus dieses Kapitel inmitten seiner Diskussion über die geistlichen Gaben platziert hat. Paulus möchte, dass sich die Christen in Korinth daran erinnern, dass nicht Gaben das Maß der Reife sind, sondern die Demonstration von Liebe.

C. Die Beständigkeit der Liebe

1. Die Liebe wird alle Gaben überdauern

1. Korinther 13, 8-10

1. Korinther 13, 8-10
Die Liebe hört niemals auf. Aber seien es Weissagungen, sie werden weggetan werden; seien es Sprachen, sie werden aufhören; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden. Denn wir erkennen stückweise und wir weissagen stückweise; wenn aber einmal das Vollkommene da ist, dann wird das Stückwerk weggetan.

  1. Die Liebe hört niemals auf: Paulus spricht die Überbetonung der Gaben des Heiligen Geistes an, die die Christen in Korinth hatten. Er zeigt, dass sie die Liebe mehr gewichten sollten als die Gaben, denn die Gaben sind vorübergehende ‚Gefäße‘ von Gottes Werk; Liebe ist das Werk selbst.
  2. Daher sind die Gaben des Heiligen Geistes für die gegenwärtige Zeit gedacht, aber sie sind nicht von Dauer. Sie sind unvollkommene Gaben für eine unvollkommene Zeit.
  3. Das Vollkommene: Paulus sagt, wenn das Vollkommene da ist, dann werden die Gaben ‚aufhören‘. Was aber ist das Vollkommene? Einige, die glauben, dass die Geistesgaben mit den Aposteln aufgehört haben, sagen, es beziehe sich auf die Vollendung des Neuen Testaments. Doch sie irren sich. So gut wie alle Ausleger sind sich darin einig, dass das Vollkommene erfüllt ist, wenn wir in der ewigen Gegenwart des einen Vollkommenen sind, wenn wir für immer beim Herrn sind, entweder durch die Wiederkunft Christi oder durch den Aufstieg zum Ewigen.
    1. Das altgriechische Wort für ‘vollkommen’ (im Sinne von: vollendet) ist telos. Betrachtet man die Art und Weise, in welcher das Wort telos in anderen Abschnitten des Neuen Testaments verwendet wird, so scheint es sich mit Sicherheit auf die Ankunft Jesu zu beziehen (1. Korinther 1, 8; 15, 24; Jakobus 5, 11; Offenbarung 20, 5; 20, 7; 21, 6 und 22, 13).
  4. Seien es Sprachen, sie werden aufhören: Im Originaltext steht ‘werden aufhören’ nicht im Passiv, sondern im sogenannten Mediopassiv (spezielle Verbform zwischen Aktiv und Passiv). Viele von denjenigen, die der Meinung sind, die Geistesgaben endeten mit den Aposteln (wie z.B. John MacArthur), behaupten deswegen, man könne hier übersetzen „Sprachen werden von selbst aufhören“. Ihre Analyse klingt wissenschaftlich, findet aber bei praktisch allen Gelehrten des Altgriechischen keine Beachtung.
    1. Selbst wenn diese Übersetzung korrekt ist, sagt sie nichts darüber aus, wann die Sprachen aufhören werden. John MacArthur behauptet: „Sprachen hörten im Urchristentum auf, und als sie aufhörten, taten sie das für immer“. Aber diese Passage sagt uns nicht, „dass Sprachen von selbst aufhören werden“. Sie sagt uns, dass Sprachen erst aufhören werden, wenn das Vollkommene da ist.
    2. Johannes Calvin war der Meinung, dass sich ‘werden aufhören’ hier auf den Zustand in der Ewigkeit bezieht. „Aber wann wird diese Vollkommenheit kommen? Sie beginnt tatsächlich beim Tod, denn dann legen wir zusammen mit dem Körper viele Schwächen nieder.“ (Calvin)
  5. Seien es Sprachen, sie werden aufhören: In seinem Gebrauch von ‘werden aufhören’ und ‘werden weggetan’ versucht Paulus unter der Eingebung des Heiligen Geistes nicht zu sagen, dass Weissagungen, Sprachen und Erkenntnis unterschiedliche Schicksale haben. Er hat einfach einen guten Schreibstil und sagt ein und dasselbe auf verschiedene Arten: Sie werden enden, aber die Liebe hört niemals auf.
    1. „Es gibt praktisch keinen Unterschied zwischen den beiden griechischen Verben, die die Beendigung sowohl der Weissagungen als auch der Sprachen beschreiben. Das Verb mit Bezug auf Weissagungen steht im Passiv (die Gläubigen sind hier die Handelnden), während das Verb im Zusammenhang mit Sprachen als aktiver Ausdruck interpretiert wird. Der Unterschied ist nur auf eine stilistische Änderung zurückzuführen und nichts weiter.“ (Kistemaker)
  6. Wir weissagen stückweise: Dies ist ein hieb- und stichfester Beweis dafür, dass Weissagung (Prophetie) nicht genau dasselbe ist wie Predigen, oder gar ‚inspiriertes‘ Predigen. Wer kann einem Prediger zuhören, der endlos immer weiter und weiter redet, und von ihm sagen, er weissage nur stückweise? Es scheint viel mehr zu sein als nur ein Stück! Mit ‘stückweise ist nicht der Umfang oder die Länge des Gesagten gemeint, sondern der Grad der Erkenntnis.
    1. „Predigen ist im Wesentlichen eine Verschmelzung der Gaben der Lehre und der Ermahnung. Weissagung besitzt die primären Elemente der Vorhersage und der Offenbarung.“ (Farnell, zitiert in Kistemaker)

2. Veranschaulichung des vorübergehenden Charakters der Gaben und der Dauerhaftigkeit der Liebe

1. Korinther 13, 11-12

1. Korinther 13, 11-12
Als ich ein Unmündiger war, redete ich wie ein Unmündiger, dachte wie ein Unmündiger und urteilte wie ein Unmündiger; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg, was zum Unmündigsein gehört. Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels wie im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.

  1. Als ich ein Unmündiger war: Unmündige Angelegenheiten (kindliche Dinge) sind für Kinder angebracht und die Gaben sind für unsere heutige Zeit angebracht. Aber die Gaben des Heiligen Geistes werden nicht für immer angebracht sein.
    1. Paulus versucht nicht zu vermitteln, dass wir keine geistlichen Gaben brauchen werden, wenn wir geistlich reif sind. Aber er sagt, dass wir die geistlichen Gaben nicht überbetonen werden, wenn wir geistlich reif sind, vor allem nicht auf Kosten der Liebe.
  2. Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels wie im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht: Wenn wir Jesus vollständig sehen können (nicht wie bei einem schlecht reflektierten Bild), wird das Bedürfnis nach den Gaben verschwunden sein, wodurch die Gaben vergehen werden. Die Gaben des Heiligen Geistes werden von der unmittelbaren Gegenwart Jesu überschattet werden. Wenn die Sonne aufgeht, schalten wir die schwächeren Lichter aus.
  3. Von Angesicht zu Angesicht: Paulus verwendet diesen Begriff, um die vollkommene, ungestörte Gemeinschaft mit Gott zu beschreiben. 1. Johannes 3, 2 sagt uns, dass wir ihn sehen werden, wie er ist, wenn wir in den Himmel kommen. Es wird keine Hindernisse mehr für unsere Beziehung zu Gott geben.
    1. In 2. Mose 33, 11 heißt es, dass der Herr von Angesicht zu Angesicht mit Mose redete, wie ein Mann mit seinem Freund redet. In 2. Mose 33 ist „von Angesicht zu Angesicht“ ein bildlicher Ausdruck, der freie und offene Gemeinschaft bedeutet. Mose hatte nicht – und konnte nicht – das wirkliche Gesicht Gottes des Vaters in seiner Herrlichkeit sehen. In diesem Sinne sagt Johannes, dass niemand Gott jemals gesehen hat (1. Johannes 4, 12). Im geistlichen Sinne, in dem Mose eine Beziehung mit Gott von Angesicht zu Angesicht hatte, können auch wir eine freie und offene Beziehung zu Gott haben. Aber letztendlich wird sie bis dann warten, wenn wir mit Jesus in Herrlichkeit vereint sind.
    2. In einem Abschnitt wie 4. Mose 12, 8, wo der Herr von Mose sagt: „Mit ihm rede ich von Mund zu Mund, von Angesicht zu Angesicht“, ist der Ausdruck „von Angesicht zu Angesicht“ eine Redewendung, die von großer und ungestörter Vertrautheit erzählt. Moses Gesicht sah nicht buchstäblich das Gesicht Gottes, aber er genoss das direkte, innige Gespräch mit dem Herrn. Das von ‘Angesicht zu Angesicht’, von dem Paulus hier spricht, ist das ‚wirkliche‘ von ‘Angesicht zu Angesicht’.
  4. Wir sehen jetzt mittels eines Spiegels: Hier wird erneut von der vollkommenen Gemeinschaft mit Gott gesprochen, die wir eines Tages haben werden. Heutzutage sehen wir, wenn wir in einen guten Spiegel schauen, ein klares Bild. Aber in der Antike wurden Spiegel aus poliertem Metall hergestellt, und das Bild war immer unklar und etwas verzerrt. Wir sehen Jesus nur schwach und undeutlich, aber eines Tages werden wir ihn mit vollkommener Klarheit sehen. Wir werden erkennen, gleichwie wir erkannt sind.
    1. Die Stadt Korinth war für die Herstellung von einigen der besten Bronzespiegeln der Antike berühmt, aber selbst im besten Fall konnten sie kein wirklich klares Bild zeigen. Wenn wir in den Himmel kommen, werden wir eine wirklich klare Vision des Herrn haben.
    2. Wir könnten mit diesem größeren Wissen diesseits der Ewigkeit nicht umgehen. „Wenn wir mehr von unserer eigenen Sündhaftigkeit wüssten, könnten wir vielleicht zur Verzweiflung getrieben werden; wenn wir mehr von Gottes Herrlichkeit wüssten, könnten wir vor Schrecken zugrunde gehen; wenn wir mehr Erkenntnis hätten, könnten wir, wenn wir nicht gleichermaßen die Fähigkeit hätten, es anzuwenden, von Einbildung erfüllt und von Bestreben gequält werden. Aber dort oben werden unser Verstand und unsere Systeme gestärkt werden, um mehr zu empfangen, ohne den Schaden zu nehmen, der uns hier durch das Überschreiten der Grenzen der Ordnung entstehen würde; von höchster Stelle bestimmt und göttlich geregelt.“ (Spurgeon)
  5. Dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin: Gott weiß alles über mich; das ist damit gemeint, wenn hier steht „gleichwie ich erkannt bin“. Im Himmel aber werde ich Gott so vollkommen erkennen, wie es mir nur möglich ist; dann werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Das bedeutet nicht, dass ich allwissend sein werde, wie Gott es ist. Es bedeutet, dass ich ihn so vollkommen erkennen werde, wie es mir nur möglich ist.
    1. Der Himmel ist für uns aus vielen Gründen kostbar. Wir sehnen uns danach, mit geliebten Menschen zusammen zu sein, die vor uns gestorben sind und die wir sehr vermissen. Wir sehnen uns danach, mit großen Männern und Frauen Gottes zusammen zu sein, die in vergangenen Jahrhunderten gelebt haben. Wir wollen durch die Straßen aus Gold gehen, die Perlentore sehen [diese erwarten uns laut Offenbarung 21, 21 bei Gott], die Engel um den Thron Gottes sehen, wie sie ihn Tag und Nacht anbeten. Doch nichts von all diesen Dingen, so kostbar sie auch sind, macht den Himmel wirklich ‚himmlisch‘. Was den Himmel wirklich himmlisch macht, ist die ungehinderte, uneingeschränkte Gegenwart unseres Herrn. Zu erkennen, gleichwie ich erkannt bin, wird die größte Erfahrung unseres ewigen Daseins sein.
    2. „Die Straßen aus Gold werden einen kleinen Reiz auf uns haben und die Harfen der Engel werden uns nur leicht verzaubern, verglichen mit dem König auf dem Thron. Er ist es, der unsere Blicke auf sich ziehen, unsere Gedanken einnehmen, unsere Zuneigung fesseln und all unsere geistlichen Leidenschaften auf die höchste Stufe himmlischer Begeisterung heben wird. Wir werden Jesus sehen.“ (Spurgeon)
  6. Jetzt erkenne ich stückweise: Die Gaben des Heiligen Geistes sind notwendig und angemessen für die gegenwärtige Zeit, in der wir noch nicht voll ausgereift sind, und wir nur stückweise erkennen. Es wird ein Tag kommen, an dem die Gaben unnötig sind, aber dieser Tag ist noch nicht da.
    1. Es ist eindeutig, dass es bei der Zeit der Erfüllung, auf die sich Paulus mit den Worten ‘dann aber von Angesicht zu Angesicht’ und ‘dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin’ bezieht, darum geht, mit Jesus in der Herrlichkeit des Himmels zu sein. Gewiss ist das auch das Vollkommene, von dem im 1. Korinther 13, 10 die Rede ist. In diesem Kontext kann es nichts anderes bedeuten.

3. Eine Zusammenfassung der Beständigkeit der Liebe: Die Liebe bleibt ewig

1. Korinther 13, 13

1. Korinther 13, 13
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.

  1. Nun bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: Die drei großen Bestrebungen des christlichen Lebens sind nicht „Wunder, Macht und Gaben“; es sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Obwohl die Gaben kostbar sind und heute vom Heiligen Geist geschenkt werden, waren sie nie dazu bestimmt, der Mittelpunkt oder das Ziel unseres christlichen Lebens zu sein. Stattdessen streben wir nach Glauben, Hoffnung und Liebe.
    1. Worauf ist dein christliches Leben ausgerichtet? Von was willst du wirklich mehr? Es sollte alles auf Glauben, Hoffnung und Liebe hinauslaufen. Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir Gottes Sinn für Prioritäten empfangen und unseren Fokus auf das richten, wo er hingehört.
  2. Weil Glaube, Hoffnung und Liebe so wichtig sind, sollten wir erwarten, dass sie im ganzen Neuen Testament hervorgehoben werden. Und das werden sie:
    1. Indem wir unablässig gedenken an euer Werk im Glauben und eure Bemühung in der Liebe und euer standhaftes Ausharren in der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus vor unserem Gott und Vater. (1. Thessalonicher 1, 3)
    2. Wir aber, die wir dem Tag angehören, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Brustpanzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. (1. Thessalonicher 5, 8)
    3. Wir aber erwarten im Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit; denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist. (Galater 5, 5-6)
    4. Die ihr durch ihn an Gott glaubt, der ihn aus den Toten auferweckt und ihm Herrlichkeit gegeben hat, damit euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott gerichtet seien. Da ihr eure Seelen im Gehorsam gegen die Wahrheit gereinigt habt durch den Geist zu ungeheuchelter Bruderliebe, so liebt einander beharrlich und aus reinem Herzen. (1. Petrus 1, 21-22)
    5. Da wir gehört haben von eurem Glauben an Christus Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, um der Hoffnung willen, die euch aufbewahrt ist im Himmel, von der ihr zuvor gehört habt durch das Wort der Wahrheit des Evangeliums (Kolosser 1, 4-5)
    6. Aus diesem Grund erleide ich dies auch; aber ich schäme mich nicht. Denn ich weiß, an wen ich glaube, und ich bin überzeugt, dass er mächtig ist, das mir anvertraute Gut zu bewahren bis zu jenem Tag. Halte dich an das Muster der gesunden Worte, die du von mir gehört hast, im Glauben und in der Liebe, die in Christus Jesus ist! (2. Timotheus 1, 12-13)
  3. Die größte aber von diesen ist die Liebe: Die Liebe ist am größten, weil sie im ewigen Zustand andauern, ja sogar wachsen wird. Wenn wir im Himmel sind, werden Glaube und Hoffnung ihren Zweck erfüllt haben. Wir werden keinen Glauben brauchen, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Wir brauchen nicht auf das Kommen Jesu zu hoffen, sobald er kommt. Aber wir werden den Herrn und einander immer lieben und in dieser Liebe bis in alle Ewigkeit wachsen.
  4. Liebe ist auch die Größte, weil sie ein Attribut Gottes ist (1. Johannes 4, 8). Glaube und Hoffnung sind nicht Teil von Gottes Charakter und Persönlichkeit. Gott hat keinen Glauben in der Art und Weise, wie wir Glauben haben, weil er niemals auf etwas außerhalb von sich selbst ‚vertrauen‘ muss. Gott hat keine Hoffnung, so wie wir Hoffnung haben, weil er alle Dinge weiß und die volle Kontrolle hat. Aber Gott ist Liebe und wird immer Liebe sein.
    1. Glücklicherweise müssen wir uns nicht zwischen Glauben, Hoffnung und Liebe entscheiden. Paulus will uns nicht dazu bringen, eine Wahl zu treffen, aber er möchte den Christen in Korinth gegenüber betonen: Ohne Liebe als Anlass und Ziel sind die Gaben bedeutungslose Ablenkungen. Wenn man die Liebe verliert, verliert man alles.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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