Apostelgeschichte 18 – Paulus in Korinth; das Ende der zweiten Missionsreise und der Beginn der dritten

A. Paulus in der Stadt Korinth

1. Paulus kommt in Korinth an und trifft Aquila und Priscilla

Apostelgeschichte 18, 1-3

Apostelgeschichte 18, 1-3
Danach aber verließ Paulus Athen und kam nach Korinth. Und dort fand er einen Juden namens Aquila, aus Pontus gebürtig, der vor Kurzem mit seiner Frau Priscilla aus Italien gekommen war, weil Claudius befohlen hatte, dass alle Juden Rom verlassen sollten; zu diesen ging er, und weil er das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete; sie waren nämlich von Beruf Zeltmacher.

  1. Und kam nach Korinth: Korinth war eine bedeutende Stadt im Römischen Reich, die an einem wichtigen Knotenpunkt für Handel und Reiseverkehr lag. Sie war außerdem eine Stadt, die für ihren Hedonismus (Genusssucht) und ihre Unmoral berüchtigt war.
    1. Zu Paulus Zeit war Korinth bereits eine uralte Stadt. Sie war ein Handelszentrum mit zwei Häfen und stand lange Zeit in Konkurrenz zu ihrer nördlichen Nachbarin, Athen. Die Stadt Korinth hatte einen bemerkenswerten Ruf für ein lockeres Leben und insbesondere für sexuelle Sittenlosigkeit. Im klassischen griechischen Sprachgebrauch bedeutete, sich wie ein Korinther zu verhalten, Unzucht zu treiben, und eine korinthische Gefährtin war gleichbedeutend mit einer Prostituierten. Diese sexuelle Unmoral war unter der allgemein verbreiteten Anbetung der Aphrodite (auch bekannt als Venus, die Göttin der Fruchtbarkeit und Sexualität) erlaubt. Im Jahr 146 v. Chr. rebellierte Korinth gegen Rom und wurde von den römischen Armeen brutal zerstört. Sie lag ein Jahrhundert lang in Trümmern, bis Julius Caesar die Stadt wieder aufbaute. Sie erlangte schnell wieder ihre frühere Position als Zentrum für den Handel und Unmoral jeder Art. Ein antiker Schriftsteller beschrieb Korinth als eine Stadt, in der „niemand außer den Hartgesottenen überleben konnte.“ (Williams)
    2. „Es ist bemerkenswert, dass es diese Stadt war, von der aus Paulus seinen Brief an die Römer schrieb; wenn man seine Beschreibung der heidnischen Korruption im Römerbrief liest, hat man mit großer Sicherheit ein Ebenbild dessen, was er in Korinth vorfand, vor Augen. (Römer 1:22-32)“ (Morgan)
    3. Paulus wusste, dass eine starke Gemeinde dort Menschen aus dem ganzen Imperium berühren kann, weil die Menschen aus dem ganzen Imperium durch Korinth zogen. Er wusste, dass Korinth eine schlimme Stadt war, aber er war nicht nur daran interessiert, dort Gemeinden zu gründen, wo er davon ausging, dass es leicht werden würde.
  2. Und dort fand er einen Juden namens Aquila, … mit seiner Frau Priscilla … zu diesen ging er: Es wird angedeutet, wenn auch nicht klar gesagt, dass Aquila und Priscilla zu dieser Zeit Christen waren. Aber es ist durchaus auch möglich, dass Paulus sie beide zu Jesus geführt hat, als sie zusammen als Zeltmacher arbeiteten.
    1. Das war der Beginn einer der wichtigsten Freundschaften des Neuen Testaments – Paulus und Aquila und seine Frau Priscilla. Paulus nannte sie seine Mitarbeiter, die für mein Leben ihren eigenen Hals hingehalten haben (Römer 16, 3-4).
    2. „Priscilla ist eine Verniedlichungsform von Prisca, das war eine der großen Familien in Rom. Sie war wahrscheinlich in irgendeiner Weise mit dieser Familie verwandt.“ (Hughes) Bei der Hälfte aller Erwähnungen dieses Ehepaares im Neuen Testament wird Priscillas Name zuerst geschrieben – was als ungewöhnlich gilt.
  3. Denn von Beruf waren sie Zeltmacher: Paulus Tätigkeit als Zeltmacher war ein wichtiger Teil seines Dienstes. Obwohl er sein Recht anerkannte von denjenigen versorgt zu werden, denen er diente (1. Korinther 9, 7-14), versorgte er sich in seiner Missions- und Predigtarbeit lieber selber, damit ihm niemand vorwerfen konnte, dass er Menschen zum Glauben an Christus zu bringe, um sich selbst zu bereichern (1. Korinther 9, 15-18).
    1. In der modernen Missionsbewegung nennt man jede Arbeit, die ein Missionar tut, um sich selbst auf dem Missionsgebiet zu versorgen, ‚Zeltmachen‘.
    2. „Im Judentum wurde es nicht als angemessen angesehen, dass ein Schriftgelehrter oder ein Rabbi eine Bezahlung für sein Lehren erhielt, daher übten viele von ihnen zusätzlich zu ihrem Studium und Lehren des Gesetzes einen Beruf aus.“ (Bruce)
  4. Weil Claudius befohlen hatte, dass alle Juden Rom verlassen sollten: Der römische Historiker Suetonius schrieb, dass Claudius die Juden aus Rom verbannte, weil sie „sich auf Veranlassung des Chrestus ständig Unruhen hingaben.“ Es hat viele Versuche gegeben, zu erklären, wer Chrestus war, eine wahrscheinliche Lösung ist jedoch, dass Suetonius sich auf Jesus Christus bezog, aber da er etwa 70 Jahre nach den Ereignissen schrieb, kann es sein, dass er den Namen etwas durcheinander gebracht hatte. Es scheint, dass die Verbannung mit der „Uneinigkeit und Unordnung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft Roms, die durch die Einführung des Christentums in einer oder mehreren der Synagogen der Stadt entstanden war“, zu tun hatte. (Bruce)
    1. Die chronologische Betrachtung ist oft eine heikle Angelegenheit, aber es scheint, dass diese Vertreibung der Juden aus Rom etwa um 49 n. Chr. stattfand.

2. Der Dienst des Paulus unter den Juden und Heiden in Korinth

Apostelgeschichte 18, 4-5

Apostelgeschichte 18, 4-5
Er hatte aber jeden Sabbat Unterredungen in der Synagoge und überzeugte Juden und Griechen. Als aber Silas und Timotheus aus Mazedonien ankamen, wurde Paulus durch den Geist gedrängt, den Juden zu bezeugen, dass Jesus der Christus ist.

  1. Er hatte aber jeden Sabbat Unterredungen in der Synagoge: Paulus war erfolgreich, als er sich mit den Juden und Griechen unterredete (diskutierte, debattierte). Die in der Synagoge anwesenden Griechen waren Heiden, die sich für das Judentum interessierten und mit ihm sympathisierten.
    1. Paulus beschrieb später die Art und Weise seines mutigen Predigens in Korinth: Denn ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu wissen als nur Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten. (1. Korinther 2, 1-16).
  2. Als aber Silas und Timotheus aus Mazedonien ankamen: Als Timotheus kam, berichtete er davon, wie die Christen in Thessalonich unerschütterlich am Glauben festhielten (1. Thessalonicher 3, 6-10). Das bereitete Paulus große Freude und spornte ihn in seinem Dienst an (Paulus wurde durch den Geist gedrängt). Er antwortete, indem er den 1. Thessalonicherbrief von Korinth aus schrieb.
    1. Laut 2. Korinther 11, 8-9 erhielt Paulus, während er in Korinth war, finanzielle Unterstützung von den Christen in Philippi, und er konnte das Zeltmachen für eine Weile beiseitelegen und sich mehr auf die Aufgabe konzentrieren, die Gemeinde in Korinth zu bauen.

3. In Korinth erhebt sich Widerstand gegen Paulus

Apostelgeschichte 18, 6-8

Apostelgeschichte 18, 6-8
Als sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut sei auf eurem Haupt! Ich bin rein davon; von nun an gehe ich zu den Heiden! Und er ging von dort weg und begab sich in das Haus eines gottesfürchtigen Mannes mit Namen Justus, dessen Haus an die Synagoge stieß.
Krispus aber, der Synagogenvorsteher, wurde an den Herrn gläubig samt seinem ganzen Haus; auch viele Korinther, die zuhörten, wurden gläubig und ließen sich taufen.

  1. Als sie aber widerstrebten und lästerten: Die Gotteslästerung muss sich gegen Jesus gerichtet haben, denn Paulus predigte Jesus als den Messias (er wollte vor den Juden bezeugen, dass Jesus der Christus ist, Apostelgeschichte 18, 5). Dies ist eine indirekte Erklärung der Gottheit Jesu, denn Gotteslästerung richtet sich nur gegen Gott selbst.
  2. Von nun an gehe ich zu den Heiden: Paulus spürte eine starke Verantwortung, zuerst zu den Juden zu predigen (Römer 1, 16), als aber seine Botschaft abgelehnt wurde, verschwendete er damit keine Zeit und ging zu den Heiden.
    1. Paulus erfüllte den Gedanken dessen, was Jesus in Matthäus 7, 6 sagte: Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Säue, damit diese sie nicht mit ihren Füßen zertreten und [jene] sich nicht umwenden und euch zerreißen. Wenn Menschen entschlossen sind, das Evangelium abzulehnen, sollten wir es nicht weiter mit ihnen versuchen, bis die Tür wieder offen ist.
  3. Schüttelte er die Kleider aus: Paulus tat dies, damit nicht ein Staubkorn aus der Synagoge an seinen Kleidern, geschweige denn an seinen Sandalen hängen bleiben würde. Das war eine dramatische Art, um seine Ablehnung gegenüber ihrer Ablehnung zum Ausdruck zu bringen. Paulus war gewiss imstande, seine Botschaft dramatisch und anschaulich zu präsentieren.
  4. Krispus aber, der Synagogenvorsteher, wurde an den Herrn gläubig samt seinem ganzen Haus: Das zeigt, dass Paulus die Juden in Korinth mit Liebe und Gnade behandelte, auch nachdem sie ihn und seine Verkündigung abgelehnt hatten. Er verbot den Juden gewiss nicht, zu Jesus zu kommen; er verlegte lediglich den Schwerpunkt seiner Evangelisation von den Juden zu den Heiden.
    1. Krispus war einer der wenigen in Korinth, die von Paulus persönlich getauft wurden (1. Korinther 1, 14).
  5. Auch viele Korinther, die zuhörten, wurden gläubig und ließen sich taufen: Paulus sagt uns in 1. Korinther 1, 26, was für Menschen diese Korinther waren: Seht doch eure Berufung an, ihr Brüder! Da sind nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme.

4. Gottes besondere Ermutigung für Paulus in Korinth

Apostelgeschichte 18, 9-11

Apostelgeschichte 18, 9-11
Und der Herr sprach durch ein Gesicht in der Nacht zu Paulus: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden; denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt! Und er blieb ein Jahr und sechs Monate dort und lehrte unter ihnen das Wort Gottes.

  1. Fürchte dich nicht: Die Aussage hinter dieser Botschaft war, dass Paulus ängstlich war, weil er fürchtete, dass seine Arbeit hier in Korinth entweder von den Juden, die sich ihm widersetzten (wie in Thessalonich und Beröa), oder von der stark ausgeprägten Weltlichkeit um ihn herum unterbrochen werden würde.
    1. „Es hatte in Athen gegeben einen kulturellen Schock, und nun erlebte Paulus in Korinth einen moralischen Schock. Der Schweiß und Gestank und Schmutz dieser Stadt erstickten Paulus´ rechtschaffene Seele, und er wurde depressiv.“ (Hughes)
  2. Sondern rede und schweige nicht: Der Ausweg aus Paulus´ Furcht war, dass er Jesu Aufforderung, rede und schweig nicht, folgte, d.h. auch weiterhin das Wort Gottes verbreitete.
    1. Jesus sagte Paulus nicht, dass seine Widersacher nicht versuchen würden, ihn zu stoppen, sondern nur, dass sie nicht erfolgreich sein würden (niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden).
  3. Denn ich bin mit dir: Dieses Versprechen war die Grundlage für Gottes Aufforderung, sich nicht zu fürchten und weiter zu predigen. Wenn wir verstehen, was das bedeutet und wer es sagt, dann ist das genug.
    1. Spurgeon dachte über Jesu Zusage, „Denn ich bin mit dir“, nach. Er geht davon aus, dass sie drei Dinge betont: Die Gegenwart Jesu, das Mitgefühl Jesu und die Unterstützung Jesu.
  4. Denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt: Diese weitere Zusage war eine ständige Gewissheit für Paulus, der oft Zweifel am Überleben und dem Gesundheitszustand der korinthischen Gemeinde gehabt haben muss.
  5. Und er blieb ein Jahr und sechs Monate dort: Paulus war eineinhalb Jahre in Korinth, was länger scheint als in jeder anderen Stadt, in der er eine Gemeinde gründete. Sein Dienst in Korinth wird ganz einfach beschrieben: Er lehrte unter ihnen das Wort Gottes.
    1. Die Dauer von Paulus Aufenthalt in Korinth zeigt, wie viel Herz er in seinen Dienst steckte. Er war kein Evangelist, der nur kurz auftauchte und dann wieder weg war, sondern ein Mann, der sich dazu verpflichtete, Jünger zu formen.

5. Die Juden in Korinth versuchen (erfolglos) Paulus vor den Behörden zu verurteilen

Apostelgeschichte 18, 12-17

Apostelgeschichte 18, 12-17
Als aber Gallion Statthalter von Achaja war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf und führten ihn vor den Richterstuhl und sprachen: Dieser überredet die Leute zu einem gesetzwidrigen Gottesdienst! Als aber Paulus den Mund öffnen wollte, sprach Gallion zu den Juden: Wenn es sich nun um ein Verbrechen oder um eine böse Schändlichkeit handeln würde, ihr Juden, so hätte ich euch vernünftigerweise zugelassen; wenn es aber eine Streitfrage über eine Lehre und über Namen und über euer Gesetz ist, so seht ihr selbst danach, denn darüber will ich nicht Richter sein! Und er wies sie vom Richterstuhl hinweg. Da ergriffen alle Griechen Sosthenes, den Synagogenvorsteher, und schlugen ihn vor dem Richterstuhl; und Gallion kümmerte sich nicht weiter darum.

  1. Als aber Gallion Statthalter von Achaja war: Die Juden in Korinth versuchten zu verhindern, dass Paulus in der ganzen Provinz predigen durfte, indem sie zu Gallion gingen.
    1. „Hätte Gallion die jüdische Anklage zugelassen und Paulus des angeblichen Vergehens für schuldig befunden, dann hätten die Stadthalter der Provinzen überall einen Präzedenzfall gehabt und Paulus´ Wirken wäre stark eingeschränkt worden. So ist Gallions ablehnende Haltung in der Angelegenheit zu handeln und die Anerkennung des Christentums als erlaubte (gesetzlich anerkannte) Religion als religio licita gleichbedeutend anzusehen.“ (Longenecker).
  2. Als aber Paulus den Mund öffnen wollte: Bevor Paulus sich verteidigen konnte, tat es Gallion für ihn. Er erkannte richtigerweise, dass es nicht Sache der Regierung ist, über religiöse Angelegenheiten zu entscheiden, wenngleich die Regierung eine legitime Stellung besitzt, wenn es um Verbrechen oder um eine böse Schändlichkeit geht.
  3. Da ergriffen alle Griechen Sosthenes, den Synagogenvorsteher, und schlugen ihn vor dem Richterstuhl: Gallion schaute weg, als wütende Heiden Sosthenes, den Vorsteher der Synagoge, zusammenschlugen. Möglicherweise waren sowohl die Menschenmenge als auch Gallion selbst mehr gegen die Juden, als dass sie für Paulus waren.
    1. „Es war seine Pflicht, diesen guten Mann in Ruhe zu lassen, aber es war nicht seine Pflicht den Heiden zu erlauben damit anzufangen die Juden zu schlagen.“ (Spurgeon)
    2. Offenbar wurde Crispus, als er sich zu Jesus bekehrte, als Vorsteher der Synagoge (Apostelgeschichte 18, 8) durch Sosthenes ersetzt – der später selbst Christ geworden zu sein scheint (1. Korinther 1, 1).

B. Das Ende der zweiten Missionsreise von Paulus

1. Paulus verlässt mit Aquila und Priscilla die Stadt Korinth

Apostelgeschichte 18, 18

Apostelgeschichte 18, 18
Nachdem aber Paulus noch viele Tage dort verblieben war, nahm er von den Brüdern Abschied und segelte nach Syrien, und mit ihm Priscilla und Aquila, nachdem er sich in Kenchreä das Haupt hatte scheren lassen; denn er hatte ein Gelübde.

  1. Nachdem aber Paulus noch viele Tage dort verblieben war: Im Gegensatz zu früheren Städten wurde Paulus nicht aus Korinth vertrieben. Er blieb noch viele Tage dort und erfüllte das Versprechen, das Jesus ihm in Apostelgeschichte 18, 9-10 gegeben hatte.
  2. Mit ihm Priscilla und Aquila: Paulus entwickelte eine so tiefe Freundschaft und Partnerschaft mit diesem Ehepaar, dass sie sich entschlossen, ihn zu begleiten, als er sich dazu entschied, nach Osten zurück nach Jerusalem und dann nach Antiochia zu gehen.
  3. Nachdem er sich in Kenchreä das Haupt hatte scheren lassen; denn er hatte ein Gelübde: Das Gelübde war mit ziemlicher Sicherheit das eines Nasiräers (4. Mose 6). Gewöhnlich wurde dieses Gelübde für einen bestimmten Zeitraum abgelegt und wenn es beendet war, wurde das Haar (das frei hatte wachsen dürfen) abgeschnitten und dem Herrn bei einer besonderen Zeremonie im Tempel in Jerusalem geopfert.
    1. Der Zweck des Gelübdes eines Nasiräers war es, eine einzigartige Hingabe an Gott zum Ausdruck zu bringen, indem er versprach, sich aller Produkte des Weinstocks zu enthalten, sein Haar nicht zu schneiden und sich niemals einem toten Körper zu nähern.
    2. Paulus‘ Ausübung dieses Gelübdes zeigt, dass der jüdische Widerstand gegen seine Botschaft ihn nicht antijüdisch gemacht hatte. Er vergaß nie, dass er Jude war, dass sein Messias Jude war, dass das Christentum jüdisch ist, und dass alttestamentliche Bräuche und Rituale immer noch zu einem guten Zweck verwendet werden können. Obwohl Paulus felsenfest davon überzeugt war, dass jüdische Zeremonien und Rituale von Nichtjuden nicht eingefordert werden dürfen, sah er offensichtlich nichts Falsches an jüdischen Gläubigen, die solche Zeremonien einhalten wollten, sofern ihre Erfüllung in Jesus ebenfalls anerkannt wurde.
    3. William Barclay legt nahe, dass Paulus´ Motiv Dankbarkeit war. „Zweifellos dachte Paulus an all die Güte, die Gott ihm in Korinth entgegenbrachte, und legte dieses Gelübde ab, um seine Dankbarkeit zu zeigen. Aber der Zweck eines nasiräischen Gelübdes scheint eher in der Weihe als in der Danksagung zu bestehen. Vielleicht veranlasste die intensive Weltlichkeit von Korinth Paulus mehr denn je dazu, seine Hingabe und Abgrenzung für den Herrn zum Ausdruck zu bringen.“
    4. Nach der Tradition konnte ein Nasiräer-Gelübde nur in Judäa erfüllt werden. Paulus begann dieses Gelübde in Kenchreä, nicht in Judäa. Dass Paulus das Gelübde außerhalb der von der jüdischen Tradition vorgegebenen Grenzen ablegte, könnte auf den Wunsch hinweisen, eine rein biblische Befolgung der jüdischen Rituale zu praktizieren.

2. Paulus in der Stadt Ephesus

Apostelgeschichte 18, 19-21

Apostelgeschichte 18, 19-21
Und er gelangte nach Ephesus und ließ jene dort zurück; er selbst aber ging in die Synagoge und hatte Gespräche mit den Juden. Als sie ihn aber baten, längere Zeit bei ihnen zu bleiben, willigte er nicht ein, sondern nahm Abschied von ihnen, indem er sprach: Ich muss unter allen Umständen das bevorstehende Fest in Jerusalem feiern; ich werde aber wieder zu euch zurückkehren, so Gott will! Und er segelte von Ephesus ab;

  1. Und er gelangte nach Ephesus: Paulus wollte etwa zwei Jahre zuvor in Ephesus predigen, wurde aber vom Heiligen Geist daran gehindert (Apostelgeschichte 16, 6). Nun gab ihm der Heilige Geist die Freiheit, in dieser wichtigen Stadt zu predigen, was zu großen Erfolgen führte.
    1. Gott hat für alles in unserem Leben ein besonderes Timing. Wenn Paulus es hätte erkennen können, dann hätte der Heilige Geist, als er nach Ephesus gehen wollte, statt ‚nein‘ zu sagen, in Wahrheit ‚warte‘ gesagt. Manchmal sagt Gott ‚warte‘ und weiß dabei immer, was er tut, wenn er das sagt.
  2. Und ließ jene dort zurück: Aquila und Priscilla blieben – anscheinend auf Paulus Wunsch hin – in Ephesus. Es hatte etwas Gutes in Ephesus begonnen, und Paulus wollte, dass die Arbeit durch seine vertrauten Freunde weitergeführt wird.
  3. Als sie ihn aber baten, längere Zeit bei ihnen zu bleiben, willigte er nicht ein,
    sondern nahm Abschied von ihnen, indem er sprach: Ich muss unter allen Umständen das bevorstehende Fest in Jerusalem feiern: Paulus konnte nicht lange in Ephesus bleiben, da er das Opfer seines Nasiräergelübdes bei einem bevorstehenden Fest in Jerusalem darbringen wollte.

3. Nach der Ankunft in Cäsarea und der Reise durch Jerusalem kehrt Paulus zu seiner Heimatgemeinde in Antiochia in Syrien zurück und beendet damit seine zweite Missionsreise

Apostelgeschichte 18, 22

Apostelgeschichte 18, 22
Und als er in Cäsarea gelandet war, zog er hinauf und grüßte die Gemeinde und ging dann hinab nach Antiochia.

  1. Zog er hinauf und grüßte die Gemeinde: Wenn es zog er hinauf und grüßte die Gemeinde heißt, bedeutet das, dass Paulus nach Jerusalem hinauf ging und sein Nasiräer-Gelübde im Tempel erfüllte.
  2. Und ging dann hinab nach Antiochia: Nachdem er Jerusalem verlassen hatte, kehrte Paulus zu seiner Heimatgemeinde im syrischen Antiochia zurück. Die Gemeinde muss sich gefreut haben, dass Paulus zurückkam und von all seiner Arbeit während der letzten Zeit, es waren in etwa drei Jahre, erzählte.

C. Paulus dritte Missionsreise beginnt in den Regionen Galatien, Phyrgien und der Stadt Ephesus

1. In den Regionen Galatien und Phyrgien

Apostelgeschichte 18, 23

Apostelgeschichte 18, 23
Und nachdem er einige Zeit dort zugebracht hatte, zog er weiter und durchreiste nacheinander das Gebiet von Galatien und Phrygien und stärkte alle Jünger.

  1. Und nachdem er einige Zeit dort zugebracht hatte: Wir wissen nicht genau, wie viel Zeit Paulus bei seiner Heimatgemeinde im syrischen Antiochia verbrachte. Lukas beschreibt es so, dass es den Eindruck erweckt, als würde Paulus sofort zu seiner nächsten Missionsreise aufbrechen.
  2. Durchreiste nacheinander das Gebiet von Galatien und Phrygien: Paulus erster Fokus während seiner Reise war es, alle Jünger zu stärken, und so kehrte er zu den Gemeinden zurück, die bereits auf früheren Missionsreisen gegründet worden waren. Dazu gehörten die Gemeinden in Tarsus, Derbe, Lystra, Ikonium und im pisidischen Antiochia.
  3. Stärkte alle Jünger: Paulus´ Leidenschaft Jünger zu formen, nicht nur Leute zu bekehren, zeigte sich hier wieder. Diese Arbeit war für Paulus wichtig.
    1. Wenn Paulus eine unserer heutigen Gemeinden besuchen würde, würde er wissen wollen: „Wie stark bist du als Jünger? Was kann ich tun, um dich auf deinem Weg mit Jesus Christus zu stärken?“ Er würde uns alle daran erinnern, dass es nicht ausreicht, wenn wir stark mit Jesus beginnen, sondern dass wir darin immer stärker werden müssen.

2. Das Wirken des Apollos in Ephesus

Apostelgeschichte 18, 24-26a

Apostelgeschichte 18, 24-26a
Aber ein Jude mit Namen Apollos, aus Alexandria gebürtig, kam nach Ephesus, ein beredter Mann, der mächtig war in den Schriften. Dieser war unterwiesen im Weg des Herrn und feurig im Geist; er redete und lehrte genau über das, was den Herrn betrifft, kannte aber nur die Taufe des Johannes. Und er fing an, öffentlich in der Synagoge aufzutreten.

  1. Aber ein Jude mit Namen Apollos: Als Paulus in Galatien und Phrygien wirkte, kam dieser Mann namens Apollos von Alexandria aus nach Ephesus. In vielerlei Hinsicht war er ein bemerkenswerter Mann.
      1. Apollos war ein beredter Mann.
      2. Apollos war mächtig [ … ] in den Schriften.
      3. Apollos war unterwiesen im Weg des Herrn.
      4. Apollos war feurig im Geiste. Wörtlich bedeutet das, „im Geist zu kochen“ mit dem Gedanken, ‚vor Begeisterung überzusprudeln‘. (Williams)
      5. Apollos redete und lehrte genau über das, was den Herrn betrifft.
    1. Es scheint, dass Apollos (wie viele zu seiner Zeit) allein von Gott als Missionar berufen war, denn wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, dass er von einer bestimmten Gemeinde oder einem Apostel ausgesandt oder beauftragt wurde. Er kam einfach so nach Ephesus.
  2. Kannte aber nur die Taufe des Johannes: Wir sehen wieder, dass der Ruf und das Wirken von Johannes dem Täufer unter den Juden im Römischen Reich weithin bekannt war und es hier sogar bis nach Alexandria reichte.
    1. Weil Apollos das Werk von Johannes dem Täufer kannte, ist anzunehmen, dass er predigte, dass der Messias gekommen ist und wir Buße tun und auf Jesus reagieren müssen, aber er wusste wahrscheinlich nur sehr wenig darüber, wer Jesus war, und was er getan hatte und tut.
    2. „Apollos war ein gebildeter und auch ein vielgereister Mann. Wir können uns vorstellen, dass er in seiner Jugend nach Jerusalem gegangen war, besonders wenn er ein Interesse am Alten Testament hatte, und dabei von der Predigt Johannes des Täufers beeinflusst worden war.“ (Boice)
  3. Und er fing an, öffentlich in der Synagoge aufzutreten: Apollos wusste nicht viel über Jesus, aber was er wusste, lehrte er genau – und mit kühner Leidenschaft. Er wusste nicht viel über Jesus, aber das, was er wusste, begeisterte ihn regelrecht.
    1. „Was hier erwähnt wird, ist ‚Eifer‘, und das bezieht sich nicht nur auf sein Können, sondern auf eine Überzeugung, die auf etwas beruht, das tief in seinem Herzen verankert ist.“ (Boice)

3. Aquila und Priscilla helfen Apollos

Apostelgeschichte 18, 26b-28

Apostelgeschichte 18, 26b-28
Als nun Aquila und Priscilla ihn hörten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer aus. Als er aber nach Achaja hinübergehen wollte, ermunterten ihn die Brüder und schrieben an die Jünger, dass sie ihn aufnehmen sollten. Und als er dort ankam, war er eine große Hilfe für die, welche durch die Gnade gläubig geworden waren. Denn er widerlegte die Juden öffentlich mit großer Kraft, indem er durch die Schriften bewies, dass Jesus der Christus ist.

  1. Aquila und Priscilla: Paulus traf dieses Ehepaar, das den gleichen Beruf ausübte wie er in Korinth (Apostelgeschichte 18, 3). Sie gingen mit ihm von Korinth nach Ephesus und Paulus ließ sie dort zurück, während er ostwärts nach Cäsarea, Jerusalem und Antiochia weiterzog (Apostelgeschichte 18, 18-22).
  2. Nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer aus: Aquila und Priscilla taten etwas Wertvolles für das Reich Gottes. Sie halfen jemandem, der eine Leidenschaft für Gott und zumindest eine gewisse Kraft hatte, ihm zu dienen; doch er hatte nur eingeschränktes Wissen und daher auch nur begrenzte Mittel für einen wirklich effektiven Dienst.
  3. Und schrieben an die Jünger, dass sie ihn aufnehmen sollen: Sowohl mit der Unterweisung durch Aquila und Priscilla als auch mit den Empfehlungsschreiben der Gemeinde in Ephesus konnte Apollos besonders effektiv unter den sich auflehnenden Juden in Achaja dienen (er wiederlegte die Juden öffentlich mit großer Kraft).
    1. Dass Apollos in die Gegend von Achaja gegangen ist, bedeutet wahrscheinlich, dass er in die Stadt Korinth ging, die in der Gegend von Achaja liegt. Nach dem, was Paulus im 1. Korintherbrief schreibt, leistete er dort offenbar einen bemerkenswerten Dienst. Apollos ging nach Korinth, um das zu gießen, was Paulus gepflanzt hatte.
    2. Obwohl sich einige Korinther, die einen Geist der Spaltung besaßen, auf Apollos fixierten (1. Korinther 1, 12; 3, 4) gibt es keinen Grund zu glauben, dass Apollos das selber gefördert hat. Paulus betrachtete Apollos als einen Mitarbeiter, dem er vertraute (1. Korinther 3, 5-7 und 16, 12).
    3. Apollos war Jude und wird als wortgewandt und feurig im Geist beschrieben (Apostelgeschichte 18, 24-25). Er widerlegte außerdem die Juden öffentlich mit großer Kraft und war in der Lage, anhand der Heiligen Schrift zu beweisen, dass Jesus der Christus ist. Aufgrund dessen halten einige Gelehrte ihn für die Person, die den Brief an die Hebräer geschrieben haben könnte.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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