Galater 2 – Paulus verteidigt das Evangelium der Gnade

A. Paulus legt den Leitern der Gemeinde in Jerusalem das Evangelium der Gnade dar, das ihm von Jesus offenbart wurde

1. Paulus’ spätere Reise nach Jerusalem

Galater 2, 1-2

Galater 2, 1-2
Darauf, nach 14 Jahren, zog ich wieder hinauf nach Jerusalem mit Barnabas und nahm auch Titus mit. Ich zog aber aufgrund einer Offenbarung hinauf und legte ihnen, insbesondere den Angesehenen, das Evangelium vor, das ich unter den Heiden verkündige, damit ich nicht etwa vergeblich liefe oder gelaufen wäre.

  1. Darauf, nach 14 Jahren, zog ich wieder hinauf nach Jerusalem: In Galater 1, 18-19 beschrieb Paulus eine Reise nach Jerusalem, die er drei Jahre, nachdem Jesus ihm auf der Straße nach Damaskus begegnet war, unternahm. Hier beschreibt er eine zweite Reise nach Jerusalem, 14 Jahre später.
    1. Erinnere dich an Paulus’ Aussage aus Galater 1. Er verdeutlichte, dass sein Evangelium durch eine Offenbarung von Jesus kam und nicht von Menschen, noch nicht einmal von den Aposteln in Jerusalem. Zwei Besuche in Jerusalem innerhalb von 14 Jahren zeigten, dass Paulus nicht zu den Füßen der Jünger Jesu saß, um das Evangelium zu erlernen.
  2. Mit Barnabas und nahm auch Titus mit: Nach Jerusalem begleiteten sowohl Barnabas (der laut Apostelgeschichte 4, 36-37 und 11, 22 bei den Leitern in Jerusalem hoch angesehen war) als auch Titus (der ein nichtjüdischer Bekehrter war).
    1. Titus war ein bemerkenswerter Mann und Mitarbeiter des Apostels Paulus. Überraschend viele Stellen zeigen uns, dass Paulus Titus liebte und ihm vertraute und ihn als einen wertvollen Mitarbeiter betrachtete.
      1. In 2. Korinther 2, 13 bezieht sich Paulus auf meinen Bruder Titus und sagt, dass er keinen Frieden hatte, als Titus abwesend war.
      2. 2. Korinther 7, 6 sagt aus, wie Paulus getröstet wurde ... durch die Ankunft des Titus.
      3. 2. Korinther 8, 6 zeigt, wie Paulus Titus anvertraute, eine Kollekte von den Korinthern entgegenzunehmen.
      4. 2. Korinther 8, 16 besagt, dass Titus denselben Eifer hatte, der Paulus’ Herz erfüllte.
      5. In 2. Korinther 8, 23 sagt Paulus: „Was Titus betrifft, so ist er mein Gefährte und Mitarbeiter für euch.
      6. In 2. Korinther 12, 18 sprach Paulus erneut von Titus und wie er Paulus’ Herzensanliegen teilte: Hat etwa Titus euch übervorteilt? Sind wir nicht in demselben Geist gewandelt? Nicht in denselben Fußstapfen?
      7. In Titus 1, 4 nannte Paulus Titus [mein] echtes Kind nach unserem gemeinsamen Glauben.
  3. Ich zog aber aufgrund einer Offenbarung hinauf: Der Gedanke ist, dass Paulus auf ausdrückliche Anweisung Gottes nach Jerusalem ging. Er ging nicht, weil ihn irgendjemand dazu aufforderte, sondern weil Gott ihm sagte, er solle gehen.
  4. Und legte ihnen das Evangelium vor, das ich unter den Heiden verkündige: Diese Reise nach Jerusalem ist höchstwahrscheinlich diejenige, die in Apostelgeschichte 11, 27-30 erwähnt wird, als Paulus den unter Hungersnot leidenden Christen in Jerusalem ein Geschenk von Christen aus anderen Städten brachte. Als Paulus zu dieser Zeit in Jerusalem war, versicherte er den dortigen Leitern, dass er Gott gehorsam sei, wann immer er den Nichtjuden (Heiden) das Evangelium predigte.
    1. Zu dieser Zeit gab es einen Streit um den Platz der Nichtjuden in der Gemeinde. Gott gebrauchte Petrus, um in Apostelgeschichte 10 Nichtjuden in der Gemeinde willkommen zu heißen. Aber einige Christen mit jüdischem Hintergrund sagten, dass Nichtjuden in der Tat gerettet werden könnten, wenn sie sich zuerst zu Juden machten und sich so unter das Gesetz des Mose stellten. Ihr Gedanke war, dass die Errettung in Jesus nur für das jüdische Volk bestimmt sei, und dass Nichtjuden zuerst Juden werden müssten, bevor sie Christen werden könnten.
    2. „Die gläubigen Juden konnten es jedoch einfach nicht verstehen, dass die Beschneidung für die Erlösung nicht notwendig war. Sie wurden in ihrer falschen Haltung von den falschen Aposteln ermutigt. Das Ergebnis war, dass das Volk gegen Paulus und seine Lehre in Streit geriet.“ (Luther)
    3. Da sie um diese Auseinandersetzung wussten, wollten die Leiter der Gemeinde in Jerusalem wissen, was Paulus lehrte. Als er Jerusalem besuchte, war das der perfekte Zeitpunkt, es ihnen zu sagen, und so legte ihnen Paulus das Evangelium vor, das ich unter den Heiden verkündige.
  5. Insbesondere den Angesehenen. Einige Bibelübersetzungen geben ‚insbesondere‘ auch mit „in einem weiteren Gespräch“ (HFA) wieder. Es meint, dass das Gespräch mit den Angesehenen auf gesonderter, privater Ebene erfolgte. Paulus wusste, dass er das wahre Evangelium verkündigte; aber er wusste nicht, wie die Angesehenen in Jerusalem es aufnehmen würden. Vielleicht lagen einige der Apostel in dieser Angelegenheit sogar falsch und mussten korrigiert werden! Wenn aber eine Konfrontation nötig war, führte Paulus im Privaten ein weiteres Gespräch mit den Angesehenen. Er tat sein Bestes, um die Angesehenen in Jerusalem nicht öffentlich in Verlegenheit zu bringen.
    1. Das war bemerkenswerte Liebe und Sensibilität von Paulus‘ Seite. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, zu sagen: „Ich habe Recht und jeder, der nicht mit mir übereinstimmt, hat Unrecht, und ich kann es kaum erwarten, ihn öffentlich zu konfrontieren.“ Aber das tat er nicht. Er wusste, dass Recht haben nicht das Vorrecht gab, unhöflich zu sein.
  6. Damit ich nicht etwa vergeblich liefe oder gelaufen wäre. Damit meinte er wahrscheinlich nicht die Angst, dass er selbst abfallen würde. Es ist vielmehr von seiner Befürchtung auszugehen, dass ein unnötiger Konflikt mit den Leitern der Gemeinde in Jerusalem seinem Ruf und seinem Dienst in irgendeiner Weise schaden könnte. Außerdem bestand die Gefahr, dass falsche Lehrer – wenn sie in irgendeiner Weise von den Leitern in Jerusalem ermutigt würden – Paulus’ Arbeit, Gemeinden zu gründen und Jünger für Jesus zu gewinnen, zunichte machen und damit die Arbeit des Paulus vergeblich machen würden.

2. Die Frage nach der Beschneidung des Titus

Galater 2, 3-5

Galater 2, 3-5
Aber nicht einmal mein Begleiter Titus, obwohl er ein Grieche ist, wurde gezwungen, sich beschneiden zu lassen. Was aber die eingeschlichenen falschen Brüder betrifft, die sich hereingedrängt hatten, um unsere Freiheit auszukundschaften, die wir in Christus Jesus haben, damit sie uns unterjochen könnten – denen gaben wir auch nicht eine Stunde nach, dass wir uns ihnen unterworfen hätten, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestehen bliebe.

  1. Aber nicht einmal mein Begleiter Titus, obwohl er ein Grieche ist, wurde gezwungen, sich beschneiden zu lassen. Paulus will damit sagen, dass die Leiter in Jerusalem Titus (einen nichtjüdischen Bekehrten) akzeptierten, obwohl er nicht gemäß dem Gesetz des Mose beschnitten wurde. Dies zeigt, dass die Leitenden in Jerusalem das Evangelium der Gnade so anerkannten, wie Paulus es verstand.
    1. Die Beschneidung von Titus war ein potentielles Problem, weil die Beschneidung – das Abschneiden der männlichen Vorhaut – das Zeichen der Aufnahme in den jüdischen Glauben und den mosaischen Bund war. Wenn ein nichtjüdischer Mann Jude werden wollte, musste er als Erwachsener beschnitten werden. Jüdische Männer wurden als Säuglinge beschnitten. Da alle jüdischen Männer beschnitten wurden und fast alle nichtjüdischen Männer nicht, war es eine einfache Möglichkeit, sich auf „diejenigen, die Teil des Bundes sind“ und auf „diejenigen, die außerhalb des Bundes von Mose sind“ zu beziehen.
    2. „Wenn ein Mann ein Leben im Gehorsam gegenüber dem Gesetz führen wollte, musste er natürlich zuerst beschnitten werden.“ (Morris)
    3. „Paulus verurteilte das Empfangen einer Beschneidung nicht als Sünde. Aber er bestand darauf – und die Konferenz bestätigte ihn – dass die Beschneidung keinen Einfluss auf die Errettung habe und daher den Heiden (Nichtjuden) nicht aufgezwungen werden dürfe.“ (Luther)
  2. Was aber die eingeschlichenen falschen Brüder betrifft, die sich hereingedrängt hatten: Dennoch wurde die fehlende Beschneidung bei Titus zu einem Problem wegen falscher Brüder, die versuchten, Paulus und andere Christen unterjochen zu können (also in eine Unfreiheit zu bringen).
    1. Es ist bedeutsam, dass Paulus diese Männer falsche Brüder nennt – eine ernstzunehmende Bezeichnung. Natürlich betrachteten sie sich selbst nicht als falsche Brüder. Sie betrachteten sich als wahre Brüder. Aber weil sie sich dem Evangelium, das Paulus von Jesus Christus offenbart wurde, widersetzten und ihm widersprachen, waren sie nach dem Maßstab von Galater 1, 6-9 in Wirklichkeit falsche Brüder.
    2. Es ist bezeichnend, dass Paulus sagt, dass sich diese Männer eingeschlichen haben und sich hereingedrängt hatten. Sie kamen nicht mit Namensschildern herein, auf denen ‚Falscher Bruder‘ stand. Sie kamen auch nicht mit einer Absichtserklärung, auf der stand: „Wir sind gekommen, um eure Freiheit in Jesus auszukundschaften, damit wir euch unterjochen können“. Diese Männer hatten wahrscheinlich die besten Absichten, aber sie waren trotzdem gefährliche Männer, denen man sich stellen musste.
    3. Stott über ‚eingeschlichen‘: „Das kann entweder bedeuten, dass sie überhaupt nichts in der Gemeinschaft der Gemeinde zu suchen hatten, oder dass sie in die private Konferenz mit den Aposteln eingedrungen waren.“
    4. Es ist bezeichnend, dass Paulus sagt, dass diese Männer uns unterjochen könnten. Für Paulus war dies nicht nur ein Problem zwischen den falschen Brüdern und den Nichtjuden. Es könnte für Paulus leicht sein, zu sagen: „Das betrifft mich nicht. Schließlich bin ich ein Jude und bin nach dem Gesetz des Mose beschnitten worden. Ich lasse Titus oder andere Nichtjuden sich mit diesem Problem befassen, denn diese falschen Brüder haben ein Problem mit ihnen, nicht mit mir.“ Paulus erkannte, dass, wenn die Botschaft des Evangeliums verfälscht wurde, es nicht nur eine Knechtschaft für die Nichtjuden wäre, sondern eine Knechtschaft für jeden, der den Namen Jesu nannte.
  3. Denen gaben wir auch nicht eine Stunde nach, dass wir uns ihnen unterworfen hätten: Doch Paulus blieb standhaft. So reagieren manche vielleicht aus Stolz oder einfach nur aus Sturheit. Aber Paulus tat es, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch (den nichtjüdischen Christen wie denen in Galatien) bestehen bliebe.
    1. „Hätten sie unter Berufung auf die brüderliche Liebe darum gebeten, hätte Paulus es ihnen nicht verweigert. Aber weil sie es mit der Begründung verlangten, dass es für die Erlösung notwendig sei, widersetzte sich Paulus ihnen und setzte sich durch. Titus wurde nicht beschnitten.“ (Luther)
    2. „Der Abschnitt ist grammatikalisch schwierig … Offensichtlich war Paulus zutiefst bewegt, als er dies schrieb, und hat sich nicht sehr um die Feinheiten der Grammatik gekümmert.“ (Morris)

3. Paulus fasst seinen Standpunkt zusammen: Weder sein Evangelium noch seine apostolische Ermächtigung hing von irgendeiner Art von Zustimmung oder dem Einfluss von Menschen ab, auch nicht von einflussreichen Männern

Galater 2, 6

Galater 2, 6
Von denen aber, die etwas gelten – was sie früher waren, ist mir gleich; Gott achtet das Ansehen der Person nicht -, mir haben diese Angesehenen nichts weiter auferlegt;

  1. Von denen aber, die etwas gelten: Paulus wusste, dass es zu seiner Zeit Leiter von hohem Ansehen gab – ‚berühmte‘ Christen, wenn man so will. Aber sie haben Paulus nicht übermäßig beeindruckt oder eingeschüchtert; was sie früher waren, ist mir gleich; Gott achtet das Ansehen der Person nicht.
  2. Mir haben diese Angesehenen nichts weiter auferlegt: Obwohl Paulus einige Male mit einflussreichen und berühmten Christen zusammentraf, gaben sie ihm das Evangelium nicht vor, das er verkündete. Die Leiter in Jerusalem haben dem von Paulus gepredigten Evangelium und seiner Autorität als Apostel nichts weiter auferlegt; sie hatten der Botschaft, die er verkündete, nichts hinzuzufügen (Neues Leben Bibelübersetzung).
    1. Paulus wartete nicht darauf, dass jemand anderes ihn zu einem großen Christen machte. Er wusste, dass es auf eine persönliche Beziehung zwischen ihm und Jesus ankam. Das soll nicht heißen, dass Paulus nichts von anderen annahm oder dass kein anderer ihn jemals segnen konnte; aber sein christliches Leben war nicht darauf aufgebaut, was andere Menschen für ihn taten.
    2. „Paulus’ Worte sind weder eine Verleugnung noch ein Zeichen von Geringschätzung gegenüber ihrer Autorität als Apostel. Er weist lediglich darauf hin, dass er zwar ihr Amt als Apostel akzeptiert, aber nicht von ihrer Person beeindruckt ist, da sie (von den Irrlehrern) aufgebläht wurde.“ (Stott)

4. Die Leiter der Gemeinde in Jerusalem erkannten das Evangelium des Paulus an

Galater 2, 7-10

Galater 2, 7-10
sondern im Gegenteil, als sie sahen, dass ich mit dem Evangelium an die Unbeschnittenen betraut bin, gleichwie Petrus mit dem an die Beschneidung – denn der, welcher in Petrus kräftig wirkte zum Aposteldienst unter der Beschneidung, der wirkte auch in mir kräftig für die Heiden -, und als sie die Gnade erkannten, die mir gegeben ist, reichten Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen gelten, mir und Barnabas die Hand der Gemeinschaft, damit wir unter den Heiden, sie aber unter der Beschneidung wirkten; nur sollten wir an die Armen gedenken, und ich habe mich auch eifrig bemüht, dies zu tun.

  1. Als sie sahen, dass ich mit dem Evangelium an die Unbeschnittenen betraut bin: Die Leiter der Jerusalemer Gemeinde (Jakobus, der Bruder Jesu; Kephas, auch bekannt als Petrus, und Johannes) bestätigten Paulus und seinen Dienst unter den nichtjüdischen Völkern. Sie erkannten den Dienst des Paulus an in dem Wissen, dass Paulus von den Nichtjuden nicht verlangte, nach dem Gesetz des Mose zu leben, um bei Gott Gnade zu finden.
  2. Dass ich mit dem Evangelium an die Unbeschnittenen betraut bin, gleichwie Petrus mit dem an die Beschneidung: Der Hauptdienst des Paulus galt den nichtjüdischen Völkern, und der Hauptdienst des Petrus galt den Juden. Diese Abgrenzung war nicht strikt; jeder diente auch den anderen Gruppen.
    1. „Denn die Teilung war keine, die harte und feste Grenzen festlegte, die sie nicht überschreiten durften, wie die von Königreichen, Fürstentümern und Provinzen.“ (Calvin)
    2. Dennoch ist die Unterscheidung interessant, vor allem weil die römischen Katholiken behaupten, dass der Papst der Nachfolger von Petrus ist – aber wo in der Geschichte finden wir den Dienst des Papstes an den Juden? „Wenn aber das Apostelamt des Petrus sich in besonderer Weise auf die Juden bezog, so mögen die Romanisten (römischen Katholiken) fragen, mit welchem Recht sie ihre Nachfolge im Primat (Vorrang) von ihm ableiten. Wenn der Papst von Rom den Primat beansprucht, weil er der Nachfolger des Petrus ist, müsste er ihn über die Juden ausüben. Paulus wird hier zum Hauptapostel der nichtjüdischen Völker erklärt; dennoch leugnen sie, dass er der Bischof von Rom war. Wenn also der Papst in den Besitz seines Primats gelangen will, soll er die Gemeinden der Juden versammeln.“ (Calvin)
  3. Nur sollten wir an die Armen gedenken: Die einzige Ermahnung der Leiter in Jerusalem war, dass Paulus an die Armen gedenken sollte. In diesem Fall ging es wahrscheinlich um die Armen in der Gemeinde von Jerusalem, welche die nichtjüdischen Christen nicht vergessen sollten.
    1. Paulus gedachte gewiss an die Armen in Jerusalem. Er bemühte sich sehr, in den nichtjüdischen Gemeinden eine Spende für die Christen in Jerusalem zu sammeln.

B. Die Konfrontation von Paulus mit Petrus bezüglich der Annahme der Heiden (Nichtjuden)

1. Der Grund für Paulus’ öffentliche Zurechtweisung des Apostels Petrus

Galater 2, 11-13

Galater 2, 11-13
Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er war im Unrecht. Bevor nämlich etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete. Und auch die übrigen Juden heuchelten mit ihm, sodass selbst Barnabas von ihrer Heuchelei mit fortgerissen wurde.

  1. Als aber Petrus nach Antiochia kam: Petrus erkannte das Evangelium und den Dienst des Paulus an, als Paulus nach Jerusalem kam (Galater 2, 9), und Gott gebrauchte Petrus selbst, um Nichtjuden im Christentum willkommen zu heißen, ohne die Vorbedingung, Juden werden zu müssen (Apostelgeschichte 11, 1-18).
  2. Zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete: Obwohl Petrus vorher damit einverstanden war, Nichtjuden in die Gemeinde aufzunehmen, ohne dass sie nach dem Gesetz des Mose leben mussten, war die Sache eine andere, als Petrus nach Antiochia (Paulus’ Heimatgemeinde) kam. Er weigerte sich, mit nichtjüdischen Christen zusammen zu sein, als bestimmte jüdische Christen aus Jerusalem kamen.
    1. Diese Männer waren Christen mit jüdischem Hintergrund. Paulus nannte sie etliche von Jakobus und die aus der Beschneidung. Da Petrus ihren Hintergrund kannte, wusste er, dass sie über seine Gemeinschaft mit Nichtjuden, die nicht nach dem Gesetz des Mose lebten, verärgert sein würden. In ihren Augen waren diese unbeschnittenen Nichtjuden gar keine richtigen Christen. Um ihnen zu gefallen und um einen Konflikt zu vermeiden, behandelte Petrus diese nichtjüdischen Christen daher so, als ob sie gar keine Christen wären.
    2. Petrus hatte gewusst, dass Gott von den Nichtjuden nicht verlangte, nach dem Gesetz des Mose zu leben, um errettet zu werden. Er lernte dies aus der Vision, die Gott ihm in Apostelgeschichte 10, 10-16 gab. Er erfuhr dies ebenso durch die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Nichtjuden, die in Apg 10, 44-48 glaubten (ohne beschnitten worden zu sein). Er wusste dies auch aufgrund der Zustimmung der anderen Leiter der Gemeinde in Apostelgeschichte 11, 1-18. Jetzt aber wandte sich Petrus von allem ab, was er über den Platz der Nichtjuden in der Gemeinde gewusst hatte, und behandelte die unbeschnittenen Nichtjuden, als ob sie überhaupt nicht gerettet wären.
    3. „Er scheint diese Handlung beschämt gemacht zu haben. Wie Bischof Lightfoot sagt: ‘Die Worte beschreiben eindringlich den vorsichtigen Rückzug einer schüchternen Person, die vor Beobachtung zurückschreckt.’“ (Stott)
    4. „Es ist vielleicht merkwürdig, dass sich scheinbar niemand daran erinnert hat, dass Jesus ‚mit Zöllnern und Sündern‘ aß, was kaum bedeuten kann, dass er sich an die strenge jüdische Praxis hielt.“ (Morris)
    5. Traurigerweise folgten andere Petrus‘ Beispiel. „Die Sünden der Lehrer sind die Lehrer der Sünden.“ (Trapp)
  3. Widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er war im Unrecht: Das zeigt, wie ernst die Sache für Paulus war. Er hatte eine öffentliche Konfrontation mit Petrus über die Angelegenheit (sprach ich zu Petrus vor allen, Galater 2, 14).
    1. Dies war auch deshalb ernst, weil es um die Frage des gemeinsamen Essens ging. Bevor etliche von Jakobus kamen, Petrus mit den Heiden. Doch als sie kamen, zog Petrus sich zurück und sonderte sich ab. Diese Abgrenzung fand wahrscheinlich beim gemeinsamen Gemeindeessen statt, das sie ‚das Agape-Bankett‘ oder das ‚Liebesmahl‘ nannten. Bei diesem Essen gedachten sie auch Jesu Tod und nahmen gemeinsam das Abendmahl. Daher ist es möglich, dass Petrus diese nichtjüdischen Christen vom Abendmahlstisch zurückwies.
    2. „Es kann sein, dass die Einnahme des heiligen Abendmahls damit verbunden war, denn es scheint, dass es in der frühen Gemeinde oft bei einem gemeinsamen Mahl aller Christen gefeiert wurde. Wenn dies in Antiochia der Fall war, hätte es eine Trennung der Christen am Tisch des Herrn gegeben.“ (Morris)
    3. „Paulus, der dies nicht von anderen hörte, sondern Augenzeuge davon war, zögerte die Zurechtweisung nicht hinaus, damit der Skandal nicht noch größer wurde; er wies Petrus auch nicht unter vier Augen zurecht, weil das Vergehen öffentlich war und ein solches Pflaster [Verband] nicht zu der Wunde gepasst hätte.“ (Poole)
  4. Weil er die aus der Beschneidung fürchtete: Das erklärt, warum Petrus sich so verhielt, obwohl er wusste, dass Gott Nichtjuden in der Gemeinde willkommen hieß, ohne dass sie nach dem Gesetz des Mose leben mussten. Aus Angst handelte Petrus gegen das, von dem er wusste, dass es richtig war. „Petrus hatte vielleicht das Gefühl, dass, wenn die Abgesandten zurückgingen und der Gemeinde in Jerusalem erzählten, dass er mit Nichtjuden aß, dies seine Position in der führenden Gemeinde schwächen würde.“ (Morris)
    1. Es ist leicht, Petrus zu kritisieren; aber jeder Mensch weiß, was es bedeutet, etwas zu tun, von dem man weiß, dass es falsch ist. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, gegen etwas anzugehen, von dem man sehr wohl weiß, dass es richtig ist. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, wenn sozialer Druck einen in irgendeiner Weise zu Kompromissen drängt.
    2. „Ihr Rückzug aus der Tischgemeinschaft mit nichtjüdischen Christen wurde nicht durch irgendein theologisches Prinzip veranlasst, sondern durch die feige Angst vor einer kleinen Interessengruppe … Er glaubte immer noch an das Evangelium, aber er versäumte es, es anzuwenden.“ (Stott)
    3. Dies war die Verhaltensweise, die Petrus’ Leben beherrschte, bevor er durch die Kraft Gottes verwandelt wurde: so wie Petrus, der Jesus sagte, er solle nicht ans Kreuz gehen, oder wie Petrus, der seine Augen von Jesus abwandte und unterging, als er auf dem Wasser ging, oder wie Petrus, der dem Diener des Hohenpriesters das Ohr abschlug, als die Soldaten kamen, um Jesus zu verhaften. Wir sehen, dass das Fleisch in Petrus immer noch gegenwärtig war. Die Errettung und die Erfüllung durch den Heiligen Geist hatten Petrus nicht perfekt gemacht; der alte Petrus war immer noch da, man sah ihn nur nicht mehr so oft.
    4. Wir sind vielleicht überrascht, dass Petrus einen Kompromiss einging, obwohl er es besser wusste; aber wir sind nur überrascht, wenn wir nicht glauben, was Gott über die Schwäche und Verdorbenheit unseres Fleisches sagt. Paulus selbst kannte diesen Kampf, wie er ihn in Römer 7, 18 beschrieben hat: Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist zwar bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten gelingt mir nicht.
    5. „Kein Mensch hat so einen sicheren Stand, dass er nicht fallen kann. Wenn Petrus fiel, kann auch ich fallen. Wenn er wieder aufstand, so kann auch ich wieder aufstehen. Wir haben die gleichen Gaben, die sie hatten, den gleichen Christus, die gleiche Taufe und das gleiche Evangelium, die gleiche Vergebung der Sünden.“ (Luther)
  5. Weil er die aus der Beschneidung fürchtete: Wir wissen nicht, was es mit diesen Etlichen von Jakobus auf sich hatte, die Petrus Angst machten. Vielleicht waren es Männer mit einer starken Persönlichkeit. Vielleicht waren es Männer mit großem Ansehen und Einfluss. Vielleicht machten sie Drohungen der einen oder anderen Art. Was auch immer es war, der Wunsch, diesen gesetzlichen jüdischen Christen zu gefallen, war so stark, dass selbst Barnabas von ihrer Heuchelei mit fortgerissen wurde. Als diese Etlichen von Jakobus kamen, behandelte sogar Barnabas die nichtjüdischen Christen, als ob sie überhaupt keine Christen wären.
    1. Das war erstaunlich. Barnabas war Paulus‘ vertrauter Freund und Mitarbeiter. Barnabas stand an der Seite von Paulus, als er den Aposteln zum ersten Mal begegnete (Apostelgeschichte 9, 27). Barnabas suchte Paulus auf und brachte ihn nach Antiochia, um ihm bei seinem dortigen Dienst zu helfen (Apostelgeschichte 11, 25). In Apostelgeschichte 11, 24 heißt es über Barnabas, er war ein guter Mann und voll Heiligen Geistes und Glaubens. Doch auch Barnabas scheiterte an dieser wichtigen Prüfung.
    2. „Die Überläuferrolle des Barnabas in Bezug auf die Freiheit der Nichtjuden war von weitaus schwerwiegenderer Natur als das Schwanken des Petrus … Barnabas, neben Paulus der führende Verfechter der Freiheit der Nichtjuden, war zum Abtrünnigen geworden.“ (Wuest)
    3. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Vorfall, indem er ein vorübergehendes Gefühl des Misstrauens erzeugte, den Weg für die Meinungsverschiedenheit zwischen Paulus und Barnabas bereitete, die kurz darauf zu ihrer Trennung führte: Apostelgeschichte 15, 39.“ (Lightfoot)
  6. Und auch die übrigen Juden heuchelten mit ihm: Dies zeigt, dass die Angelegenheit größer war, als dass sie sich nur auf Petrus und Barnabas bezogen hätte. Petrus machte zuerst den Kompromiss, so zu tun, als ob die nichtjüdischen Christen gar keine Christen wären. Dann folgte ihm Barnabas. Dann folgten die übrigen Juden aus der Gemeinde in Antiochia Petrus und Barnabas.
    1. Dies zeigt, was für eine große Verantwortung es ist, ein Leiter zu sein. Wenn wir auf Abwege geraten, werden andere uns oft folgen. Satan wusste, wenn er Petrus dazu bringen könnte, den falschen Weg einzuschlagen, dann würden ihm viele andere folgen.
  7. Heuchelten mit ihm … von ihrer Heuchelei mit fortgerissen: Das Wort ‚Heuchler‘ bedeutet in der Originalsprache des Neuen Testaments „einer, der eine Maske aufsetzt“ und bezieht sich auf einen Schauspieler. In diesem Fall wussten Petrus, Barnabas und die anderen jüdischen Christen in Antiochia, dass diese nichtjüdischen Christen wirklich Christen waren. Doch aufgrund des Drucks Etlicher von Jakobus taten sie so, als wären sie gar keine Christen.
    1. Aber es war noch mehr als das. Petrus zog sich zurück und sonderte sich ab von den nichtjüdischen Christen, obwohl er vorher mit den Heiden aß. Tatsächlich aß er häufig mit ihnen.
    2. Stott beschreibt den Ausdruck er aß mit den Heiden so: „Die Vergangenheitsform dieses Verbs veranschaulicht, dass dies seine regelmäßige Praxis war. ‚Er … hatte die Gewohnheit, seine Mahlzeiten mit Nichtjuden einzunehmen.‘“ (JBP)
    3. Doch nun weigerte sich Petrus, mit nichtjüdischen Christen zu essen. Wenn ein Jude sich weigerte, mit einem Nichtjuden zu essen, tat er dies im Gehorsam gegenüber jüdischen Ritualen. Petrus hatte bereits erkannt, dass Gehorsam gegenüber diesen Ritualen (wie z.B. das Einhalten koscherer Vorschriften) weder für Juden noch für Nichtjuden entscheidend für die Errettung war (Apostelgeschichte 10 und Apostelgeschichte 11). Petrus hatte aufgehört, diese jüdischen Rituale für sich selbst einzuhalten, aber jetzt tat er so, als ob er sie einhalten würde, um der Gesetzlichkeit Etlicher von Jakobus nachzugeben. Petrus hielt sich selbst nicht mehr strikt an das Gesetz des Mose, aber durch seine Handlungen deutete er an, dass nichtjüdische Christen das Gesetz halten müssen – obwohl er selbst es nicht tat.

2. Paulus stellt Petrus öffentlich zur Rede

Galater 2, 14a

Galater 2, 14a
Als ich aber sah, dass sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen:

  1. Als ich aber sah, dass sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums: Im Grunde ging es nicht um die Sitzordnung beim Gemeinschaftsessen in der Gemeinde. Es ging nicht um Tischmanieren und darum, ein guter Gastgeber zu sein. Es ging nicht einmal darum, auf das Gewissen eines anderen Bruders Rücksicht zu nehmen. Paulus sah das Problem als das, was es war; es ging um die Wahrheit des Evangeliums.
    1. Als die Etlichen von Jakobus sowie Petrus und Barnabas und die übrigen Juden der Gemeinde in Antiochia nicht mit nichtjüdischen Christen essen wollten, erklärten sie diese Nichtjuden zu unerlösten Nichtchristen. Sie sagten laut und deutlich: „Du kannst nur dann mit Gott im Reinen sein, wenn du dich den Anforderungen des Gesetzes Moses unterwirfst. Du musst dich beschneiden lassen. Du musst dich koscher ernähren. Du musst die Feste und Rituale einhalten. Du darfst nichts tun, was eine Partnerschaft mit jemandem andeuten würde, der nicht nach dem Gesetz des Mose lebt. Dies ist der einzige Weg, um die Erlösung von Jesus zu empfangen.“ Diese Botschaft veranlasste Paulus zu sagen: ich aber sah, dass sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums.
    2. „Petrus hat das so nicht gesagt, aber sein Beispiel sagt ganz klar, dass die Einhaltung des Gesetzes zum Glauben an Christus hinzukommen muss, wenn die Menschen gerettet werden sollen. Aus dem Beispiel des Petrus konnten die Nichtjuden nicht anders, als die Schlussfolgerung zu ziehen, dass das Gesetz für die Errettung notwendig war.“ (Luther)
  2. Sprach ich zu Petrus vor allen: Was muss das für eine Szene gewesen sein! Da waren sie, beim christlichen Gemeinschaftsessen in Antiochia. Die Christen, die keine Juden waren, waren gerade aufgefordert worden, zu gehen, oder man hatte ihnen gesagt, sie sollten in ihrem eigenen Bereich, weit weg von den echten Christen, sitzen. Es war ihnen auch nicht erlaubt, dasselbe Essen zu teilen, das die echten Christen aßen. Petrus – der Ehrengast – machte bei all dem mit. Barnabas – der Mann, der viele der Nichtjuden zu Jesus führte – machte bei all dem mit. Die übrigen Juden der Gemeinde in Antiochia machten bei all dem mit. Aber Paulus wollte das nicht einfach so hinnehmen. Weil dies ein öffentlicher Verrat an den nichtjüdischen Christen war und weil es eine öffentliche Verleugnung der Wahrheit des Evangeliums war, konfrontierte Paulus Petrus öffentlich.
    1. Es muss schwer gewesen sein, wenn man weiß, wer Petrus war. Petrus war der bekannteste von allen Jüngern Jesu. Petrus war der Sprecher der Apostel und zu dieser Zeit der wahrscheinlich berühmteste Christ auf der ganzen Welt.
    2. Es muss schwer gewesen sein, wenn man weiß, wer Paulus war. Diese öffentliche Konfrontation fand vor allen Missionsreisen des Paulus statt – bevor er ein Apostel von großer Bedeutung war. Zu diesem Zeitpunkt war Paulus weit mehr dafür bekannt, wer er war, bevor er Christ wurde – ein schrecklicher Verfolger der Gemeinde – als dafür, wer er als Christ war.
    3. Es muss schwer gewesen sein, wenn man weiß, wer mit Petrus einer Meinung war. Erstens waren da die starken, dominanten Persönlichkeiten der Etlichen von Jakobus. Dann war da Barnabas, der wahrscheinlich Paulus bester Freund war. Schließlich waren da die übrigen Juden. Paulus war in diesem Streit in der Minderheit – er zusammen mit allen nichtjüdischen Christen gegen alle jüdischen Christen.
    4. So schwer dies auch war, Paulus tat es, weil er wusste, was auf dem Spiel stand. Hier ging es nicht um ein persönliches Verhalten oder um eine persönliche Sünde von Petrus. Wenn das der Fall gewesen wäre, ist es unwahrscheinlich, dass Paulus direkt eine solche öffentliche Vorgehensweise gewählt hätte. Hier ging es um die Wahrheit des Evangeliums; um die Verkündigung: „So wird ein Mensch vor Gott gerecht“.

C. Was Paulus sagte, als er Petrus öffentlich wegen der Thematik der Annahme von nichtjüdischen Christen zurechtwies

1. Paulus entlarvt Petrus’ Heuchelei, der vorgibt, nach dem Gesetz zu leben

Galater 2, 14b

Galater 2, 14b
Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, was zwingst du die Heiden, jüdisch zu leben?

  1. Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch: Paulus erinnerte Petrus zunächst daran, dass er selbst nicht in strengem Gehorsam gegenüber dem Gesetz des Mose lebte. „Petrus, du isst Speck und Schinken und Hummer. Du ernährst dich nicht koscher. Doch jetzt, vor diesen Besuchern, diesen Etlichen von Jakobus, jetzt tust du so, als würdest du dich die ganze Zeit an diese Gesetze halten.“
    1. Es ist nicht schwer, sich diese Szene vorzustellen. Sie alle hatten eine gute Zeit, bis Paulus die Party verdarb. Er hat wahrscheinlich nicht geschrien, aber er sprach mit fester Stimme. Und als er allen erzählte, dass Petrus nicht nach dem Gesetz des Mose lebte, schauten die Etlichen von Jakobus erstaunt drein. Ihre Gesichter zeigten Überraschung. „Was? Petrus – der berühmteste von allen Aposteln – Petrus lebt nicht nach dem Gesetz des Mose? Petrus isst Speck und Hummer? Petrus isst mit Nichtjuden?“ Was Petrus betraf, so wurde sein Gesicht rot, sein Herz schlug schneller, und ihm wurde einfach nur schlecht. Alle anderen fühlten sich einfach nur unbehaglich und wünschten, das ganze Problem würde verschwinden.
    2. Wir fragen uns auch, ob Paulus nervös oder kühn war; vielleicht zitterte er aufgrund des Adrenalins der aufgeladenen Konfrontation. Wir wissen, dass Paulus nicht unbedingt eine beherrschte physische Präsenz hatte. Andere sagten über Paulus – und das war wahrscheinlich zumindest teilweise wahr -, die leibliche Gegenwart ist schwach und die Rede verachtenswert (2. Korinther 10, 10). Wie auch immer sich Paulus verhielt, seine Worte waren einprägsam, denn er hat sie hier an dieser Stelle genau wiedergegeben.
    3. Lightfoot zu der du ein Jude bist: „Hier ist es sehr nachdrücklich: ‚Wenn du, der du als Jude geboren und aufgewachsen bist, die jüdischen Bräuche ablegst, wie unvernünftig ist es dann, sie den Nichtjuden aufzuzwingen.‘“
  2. Was zwingst du die Heiden, jüdisch zu leben? Vielleicht könnten Petrus und die anderen sagen: „Wir zwingen sie nicht, wie Juden zu leben.“ Aber natürlich taten sie das; denn ihre Botschaft lautete: „Wenn ihr nicht jüdisch lebt, seid ihr nicht gerettet. Dies zwang Heiden tatsächlich, jüdisch zu leben.“

2. Paulus erinnert Petrus daran, dass sie vor Gott durch das Werk Jesu gerechtfertigt sind, nicht durch die Einhaltung des Gesetzes

Galater 2, 15-16

Galater 2, 15-16
Wir sind [zwar] von Natur Juden und nicht Sünder aus den Heiden; [doch] weil wir erkannt haben, dass der Mensch nicht aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, so sind auch wir an Christus Jesus gläubig geworden, damit wir aus dem Glauben an Christus gerechtfertigt würden und nicht aus Werken des Gesetzes, weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt wird.

  1. Wir sind [zwar] von Natur Juden … [doch] weil wir erkannt haben, dass der Mensch nicht aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus: „Petrus, wir alle sind als gläubige Juden aufgewachsen. Doch wir wissen sehr wohl, dass wir nicht aus Werken des Gesetzes, die wir getan haben, vor Gott als gerecht – gerechtfertigt – angesehen werden. Wir wissen, dass wir, obwohl wir als gläubige Juden aufgewachsen sind, durch den Glauben an Jesus Christus als gerecht vor Gott gelten.“
    1. Nicht aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt: Dies ist das erste Mal, dass Paulus das große altgriechische Wort dikaioo (gerechtfertigt, für gerecht erklärt) in seinem Brief an die Galater verwendet. „Es ist ein Rechtsbegriff; die Person, die ‚gerechtfertigt‘ ist, ist diejenige, die das Urteil in einem Gericht erhält. In geistlichem Kontext verwendet, bedeutet es das Erhalten eines wohlwollenden Urteils von Gott am Tag des Gerichts.“ (Morris)
  2. So sind auch wir an Christus Jesus gläubig geworden: Paulus wusste, dass selbst ein streng gläubiger Jude, wie er es war, durch das, was er nach dem Gesetz des Mose tat, niemals als gerecht vor Gott angesehen werden konnte. Stattdessen müssen er, Petrus und jeder einzelne Christ an Christus Jesus gläubig geworden sein.
    1. „’Der Glaube an Jesus Christus‘ ist also nicht nur eine intellektuelle Überzeugung, sondern eine persönliche Verbindlichkeit. Der Ausdruck in der Mitte von Vers 16 lautet (wörtlich) ‚wir haben in (eis) Christus Jesus geglaubt‘. Es ist ein Akt der Hingabe, nicht nur zuzustimmen, dass Jesus lebte und starb, sondern zu ihm zu laufen, um Zuflucht zu finden und ihn um Barmherzigkeit zu bitten.“ (Stott)
    2. „Es wäre kaum möglich, eine eindringlichere Erklärung der Rechtfertigungslehre zu finden als diese. Sie wird von den beiden führenden Aposteln betont (‚wir haben erkannt‘)), aus ihrer eigenen Erfahrung bestätigt („wir sind gläubig geworden“)) und von den heiligen Schriften des Alten Testaments bestätigt („aus Werken des Gesetzes wird niemand gerechtfertigt“)). Mit dieser dreifachen Garantie sollten wir die biblische Lehre der Rechtfertigung annehmen und uns nicht von unserer natürlichen Selbstgerechtigkeit vom Glauben an Christus abhalten lassen.“ (Stott)
  3. Damit wir aus dem Glauben an Christus gerechtfertigt würden und nicht aus Werken des Gesetzes: Dies war eine klare Betonung. „Petrus, wir wurden nicht durch das Einhalten des Gesetzes des Mose gerechtfertigt, sondern durch den Glauben an Jesus.“ Indem Petrus die Gemeinschaft mit nichtjüdischen Christen ablehnte, sagte er mit seinem Handeln aus, dass wir – zum Teilaus Werken des Gesetzes von Gott als gerecht angesehen würden. Paulus konnte das nicht dulden, weil es nicht der Wahrheit entsprach.
  4. Weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt wird: Hier betonte Paulus den Sachverhalt auf die stärkste Art und Weise. Kein Fleisch – kein Heide (Nichtjude), kein Jude, niemand – wird aus Werken des Gesetzes als gerecht vor Gott angesehen werden.
    1. Lightfoot zu: weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt wird: „Die Worte sind daher als ein freies Zitat von Psalm 143, 2 zu betrachten.“ (Denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht).
    2. „Auf diese Weise erklären die Scholastiker (christliche Philosophen im Mittelalter) den Weg der Erlösung. Wenn eine Person zufällig eine gute Tat vollbringt, nimmt Gott sie an und als Belohnung für die gute Tat gießt Gott Nächstenliebe in diese Person. Sie nennen es ‚eingegossene Nächstenliebe‘. Diese Nächstenliebe soll im Herzen bleiben. Sie werden ungehalten, wenn ihnen gesagt wird, dass diese Eigenschaft des Herzens eine Person nicht rechtfertigen kann.“ (Luther)
    3. Da dies wahr ist, ist klar zu sehen, wie töricht und falsch es von Petrus war, sich von diesen Christen, die keine Juden waren, zu distanzieren, weil sie nicht nach dem Gesetz des Mose lebten. Da aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt wird, welchen Unterschied macht es dann, wenn ein Nichtjude nach dem Gesetz des Mose beschnitten wird? Welchen Unterschied macht es dann, ob ein Nichtjude sich koscher ernährt? Alles, was zählt, ist ihr Glaube an Christus, denn so werden wir vor Gott gerecht gemacht.

3. Paulus antwortet auf den Haupteinwand gegen die Wahrheit, dass wir durch den Glauben an Jesus und nicht durch Werke des Gesetzes vor Gott gerecht gemacht werden

Galater 2, 17-18

Galater 2, 17-18
Wenn wir aber, weil wir in Christus gerechtfertigt zu werden suchen, auch selbst als Sünder erfunden würden, wäre demnach Christus ein Sündendiener? Das sei ferne! Denn wenn ich das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue, so stelle ich mich selbst als Übertreter hin.

  1. Wenn wir aber, weil wir in Christus gerechtfertigt zu werden suchen, auch selbst als Sünder erfunden würden, wäre demnach Christus ein Sündendiener? Nun ging Paulus auf einen Einwand ein, den Etliche von Jakobus erheben könnten. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Paulus diese Aussage öffentlich machte, mit den betroffenen Parteien direkt vor seinen Augen. Auf der einen Seite des Raumes befanden sich die Etlichen von Jakobus, die glaubten, dass Gott die Nichtjuden nicht annehmen würde, wenn sie sich nicht dem Gesetz des Mose unterordneten. Petrus saß bei diesen Männern, ebenso Barnabas, der Paulus‘ bester Freund war. Tatsächlich saßen alle Christen mit jüdischem Hintergrund mit diesen Christen aus Jerusalem zusammen, die nicht glaubten, dass die Nichtjuden der Gemeinde in Antiochia überhaupt wirklich gerettet waren. In einem realen Umfeld wie diesem konnte Paulus nicht einfach seine Meinung sagen, ohne auf die – ausgesprochenen oder unausgesprochenen – Einwände derer zu antworten, die mit ihm nicht einer Meinung waren.
    1. Aus Sicht der Männer aus Jerusalem war die Vorstellung, dass wir allein durch den Glauben an Jesus vor Gott gerecht gemacht werden, nicht ‚echt‘ genug. Schließlich kämpften die Christen immer noch mit der Sünde. Wie konnten sie die Frage nach dem ‚Angenommensein von Gott‘ für sich geklärt haben, wenn sie immer noch mit der Sünde kämpften? In ihrem Denken machte dies Christus … zu einem Sündendiener, weil das Werk Jesu, sie vor Gott gerecht zu machen, sie offensichtlich nicht gerecht genug machte.
    2. „Wenn Gott schlechte Menschen rechtfertigt, wo ist dann der Sinn darin, gut zu sein? Können wir dann nicht tun, was wir wollen, und leben, wie wir wollen?“ (Stott)
  2. Das sei ferne! Paulus’ Antwort war brillant. Erstens, ja, wir suchen in Christus gerechtfertigt zu werden – und nicht durch Jesus und zusätzlich durch unsere eigenen Werke. Zweitens, ja, auch wir selbst würden als Sünder erfunden, das heißt, wir erkennen an, dass wir immer noch sündigen, obwohl wir in Christus gerechtfertigt sind. Aber nein, das sei ferne, dass dies Jesus zum Urheber der Sünde in unserem Leben macht bzw. dass er sie gutheißen würde. Er ist kein Sündendiener.
    1. „Um eine kurze Definition eines Christen zu geben: Ein Christ ist nicht jemand, der keine Sünde hat, sondern jemand, dem Gott wegen seines Glaubens an Christus keine Sünde mehr ankreidet. Diese Lehre tröstet Gewissen in ernsten Schwierigkeiten.“ (Luther)
  3. Denn wenn ich das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue, so stelle ich mich selbst als Übertreter hin: Die Antwort des Paulus war subtil, aber genial. Wenn er einen Weg zu Gott wieder aufbauen würde, indem er das Gesetz des Mose befolgte, dann würde er sich selbst als Übertreter hinstellen. Im Wesentlichen sagte Paulus: „Es ist mehr Sünde, wenn wir versuchen, durch unsere Gesetzestreue Annahme bei Gott zu finden, als es Sünde im alltäglichen Leben eines Christen gibt.“
    1. Diese Etlichen von Jakobus dachten, sie müssten an dem Gesetz festhalten – für sich selbst und für die Nichtjuden – damit es nicht so viel Sünde gäbe. Was Paulus zeigt, ist, dass sie, indem sie sich wieder dem Gesetz unterordneten, schlimmer sündigten als je zuvor.
    2. Inwiefern ist es eine Sünde, durch das Gesetz des Mose einen Weg zu Gott wieder aufzubauen? In vielerlei Hinsicht, aber die vielleicht größte ist, dass sie Jesus ansieht, der am Kreuz hängt, die Strafe auf sich nehmend, die wir verdient haben, der den Zorn Gottes für uns trägt und sie zu ihm sagt: „Das ist alles sehr schön, aber es reicht nicht aus. Dein Werk am Kreuz wird vor Gott nicht gut genug sein, solange ich nicht beschnitten bin und koscher esse.“ Das ist eine große Beleidigung des Sohnes Gottes.
    3. Das ist natürlich die große Tragödie der Gesetzlichkeit. Wenn Gesetzliche versuchen, Gott gegenüber gerechter zu sein, sind sie am Ende weniger gerecht bei Gott. Das war genau die Situation der Pharisäer, die sich Jesus in den Jahren seines irdischen Wirkens so sehr widersetzten. Paulus kannte diese Denkweise gut, da er selbst ein Pharisäer gewesen war (Apostelgeschichte 23, 6).

4. Paulus beschreibt sein dauerhaft verändertes Verhältnis zum Gesetz

Galater 2, 19-20

Galater 2, 19-20
Nun bin ich aber durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, um für Gott zu leben. Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.

  1. Nun bin ich aber durch das Gesetz dem Gesetz gestorben: Paulus machte eine kühne Aussage, als er sagte, er sei dem Gesetz gestorben. Wenn er für das Gesetz gestorben war, dann war es unmöglich, dass das Gesetz der Weg war, wie er von Gott angenommen werden würde.
    1. Beachte, dass es nicht das Gesetz war, das tot war. Das Gesetz spiegelt in seinem Kontext das heilige Herz und den Charakter Gottes wider. Mit dem Gesetz war nichts verkehrt. Es war nicht das Gesetz, das gestorben war, sondern Paulus war dem Gesetz gestorben.
    2. Wie starb Paulus dem Gesetz? bin ich aber durch das Gesetz dem Gesetz gestorben. Das Gesetz selbst ‚tötete‘ Paulus. Es zeigte ihm, dass er dem Gesetz niemals gerecht werden und seinen heiligen Standard erfüllen konnte. Bevor Paulus Jesus kannte, dachte er lange Zeit, Gott würde ihn wegen seiner Gesetzestreue annehmen. Aber er kam an den Punkt, an dem er das Gesetz wirklich verstand – so verstand, wie Jesus es in der Bergpredigt (Matthäus 5-7) erklärte – und dann erkannte Paulus, dass das Gesetz ihn vor Gott schuldig machte, nicht gerecht vor Gott. Dieses Gefühl der Schuld vor Gott ‚tötete‘ Paulus und ließ ihn erkennen, dass die Einhaltung des Gesetzes nicht die Antwort war.
    3. Dem Gesetz gestorben sein bedeutet, sich von ihm loszusagen und von seiner Herrschaft befreit zu werden, damit wir kein Vertrauen in es haben und es uns nicht unter dem Joch der Sklaverei gefangen hält.“ (Calvin)
    4. Das Problem mit den Etlichen von Jakobus war, dass sie nicht so dachten und lebten, als wären sie für das Gesetz tot. Aus ihrer Sicht lebten sie immer noch nach dem Gesetz, und sie glaubten, dass sie aufgrund ihrer Einhaltung des Gesetzes von Gott angenommen würden. Sie lebten nicht nur nach dem Gesetz, sondern sie wollten auch, dass die nichtjüdischen Christen nach dem Gesetz lebten.
  2. Nun bin ich aber durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, um für Gott zu leben: Als Paulus dem Gesetz gestorben war, konnte er für Gott leben. Solange er noch versuchte, sich vor Gott durch seine ganze Gesetzestreue zu rechtfertigen, war er tot. Aber als er dem Gesetz gestorben war, konnte er für Gott leben.
    1. „Gesegnet ist der Mensch, der diese Wahrheit in Zeiten der Bedrängnis zu nutzen weiß. Er kann sie aussprechen. Er kann sagen: ‚Herr Gesetz, beschuldigen Sie mich ruhig, so viel Sie wollen. Ich weiß, dass ich viele Sünden begangen habe, und ich sündige weiterhin täglich. Aber das stört mich nicht. Sie müssen lauter schreien, Herr Gesetz. Ich bin taub, wissen Sie. Reden Sie, so viel Sie wollen, für Sie bin ich tot. Wenn Sie mit mir über meine Sünden sprechen wollen, gehen Sie und sprechen Sie mit meinem Fleisch. Sie können gerne mit meinem Fleisch sprechen, aber nicht mit meinem Gewissen. Mein Gewissen ist eine Dame und eine Königin und hat mit Ihresgleichen nichts zu tun, denn mein Gewissen lebt für Christus unter einem anderen Gesetz, einem neuen und besseren Gesetz, dem Gesetz der Gnade.‘“ (Luther)
  3. Ich bin mit Christus gekreuzigt: Auch hier hat Paulus eine Frage derer vorweggenommen, die mit ihm nicht einer Meinung sind. „Paulus, wann bist du dem Gesetz gestorben? Für mich siehst du lebendig aus!“ Paulus antwortete gerne: „Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich bin dem Gesetz gestorben, als Jesus am Kreuz starb. Er starb an meiner Stelle am Kreuz – es ist also so, als ob ich am Kreuz gestorben wäre. Er starb, und ich starb dem Gesetz, als er starb.“
  4. Und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir: Da wir mit Christus am Kreuz gestorben sind, haben wir ein anderes Leben. Unser altes Leben, das wir noch unter dem Gesetz gelebt haben, ist tot. Jetzt sind wir für Jesus Christus lebendig, und Jesus ist in uns lebendig (sondern Christus lebt in mir).
    1. Paulus erkannte, dass am Kreuz ein großer Austausch stattfand. Er gab Jesus sein altes Leben, mit dem er versuchte, vor Gott aufgrund des Einhaltens des Gesetzes gerecht zu sein, und das wurde am Kreuz gekreuzigt. Dann gab Jesus Paulus sein Leben – Christus kam, um in ihm zu leben. Paulus’ Leben war also nicht mehr sein eigenes, es gehörte nun Jesus Christus! Paulus besaß sein eigenes Leben nicht (dieses Leben starb); er verwaltete einfach das neue Leben, das Jesus ihm gab.
  5. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben: Paulus kann das neue Leben, das Jesus ihm geschenkt hat, nur im Glauben bewältigen. Du kannst das neue Leben, das Jesus schenkt, nicht auf der Grundlage von Gesetzestreue leben. Du kannst es nur im Glauben leben.
    1. Als Paulus sagte, ich lebe jetzt im Fleisch, meinte er nicht, dass er ein chronisch sündhaftes Leben führte. „Unter dem Begriff ‚Fleisch‘ versteht Paulus keine offenkundigen Laster. Solche Sünden nennt er gewöhnlich bei ihrem richtigen Namen, wie Ehebruch, Unzucht usw. Unter ‚Fleisch‘ versteht Paulus das, was Jesus im dritten Kapitel des Johannesevangeliums meint: ‚Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch‘ (Johannes 3, 6). ‚Fleisch‘ bedeutet hier das ganze Wesen des Menschen, einschließlich der Vernunft und der Instinkte. ‚Dieses Fleisch‘, sagt Paulus, ‚wird nicht durch die Werke des Gesetzes gerechtfertigt.‘“ (Luther)
    2. Der Schwerpunkt dieses Verses ist nicht das Fleisch, sondern der Glaube. „Der Glaube ist nicht einfach ein Thema, über das Paulus von Zeit zu Zeit predigte. Glaube ist auch keine Tugend, die er gelegentlich praktizierte. Der Glaube ist zentral in allem, was er tut.“ (Morris)
    3. „Der Glaube verbindet dich so innig mit Christus, dass er und du sozusagen eine Person werdet. Als solche kannst du kühn sagen: ‚Ich bin jetzt eins mit Christus. Darum sind seine Gerechtigkeit, sein Sieg und sein Leben mein.‘ Auf der anderen Seite kann Christus sagen: ‚Ich bin dieser große Sünder. Seine Sünden und sein Tod sind mein, denn er ist mit mir verbunden und ich mit ihm.‘“ (Luther)
  6. An den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat: Der Glaube, aus dem Paulus lebte, war nicht der Glaube an sich selbst, der Glaube an das Gesetz oder der Glaube an das, was er vor Gott erarbeiten könnte oder verdient hätte. Es war der Glaube an den Sohn Gottes, Jesus Christus – der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.
    1. Zuvor war Paulus’ Beziehung zu Gott darauf gegründet, was er für Gott tun konnte – er glaubte an sich selbst. Jetzt war das Fundament das, was Jesus Christus für ihn getan hatte – er glaubte an Jesus. Und Paulus fand in Christus eine wunderbare Person, in die er seinen Glauben setzen konnte! Es war eine Person, die ihn geliebt hat. Es war eine Person, die diese Liebe zeigte, als sie sich für Paulus hingegeben hat.
  7. Der mich geliebt hat: Paulus kann sich aufgrund der Liebe, die Jesus in der Vergangenheit gezeigt hat, getrost Jesus hingeben. „Es stimmt, dass er uns jetzt liebt, aber Paulus schrieb auch wahrheitsgemäß: ‚Der mich geliebt hat‘. Das Verb steht in der Vergangenheitsform. Jesus hat mich am Kreuz geliebt; er hat mich in der Krippe von Bethlehem geliebt; er hat mich geliebt, bevor die Erde je bestand. Es gab nie eine Zeit, in der Jesus sein Volk nicht geliebt hat.“ (Spurgeon)
    1. Geliebt hat … sich selbst hingegeben hat: Die Vergangenheitsform ist wichtig. William Newell spricht in seinem Kommentar zum Römerbrief über die Bedeutung der Vergangenheitsform in dem Wort geliebt. „Es ist dieses Evangelium in der Vergangenheitsform, das der Teufel hasst … Wenn ein Prediger ständig sagt: ‚Gott liebt dich, Christus liebt dich‘, so werden er und seine Gemeinde nach und nach sowohl ihre Sündhaftigkeit als auch das stellvertretende Sühnopfer des Kreuzes aus den Augen verlieren, wo die Liebe Gottes und Christi ein für alle Mal und in höchstem Maße zum Ausdruck gebracht wurde.“
    2. „Hat das Gesetz mich je geliebt? Hat sich das Gesetz jemals für mich geopfert? Ist das Gesetz jemals für mich gestorben? Im Gegenteil, es klagt mich an, es verängstigt mich, es macht mich verrückt. Jemand anderes hat mich von dem Gesetz gerettet, von Sünde und Tod zum ewigen Leben. Dieser Jemand ist der Sohn Gottes, dem Lob und Ehre sei in Ewigkeit.“ (Luther)
  8. Sich selbst für mich hingegeben hat: „Für mich ist sehr eindringlich. Es genügt nicht, zu erkennen, dass Christus für die Rettung der Welt gestorben ist; jeder Mensch muss die Auswirkung und den Besitz dieser Gnade für sich persönlich beanspruchen.“ (Calvin)
    1. „Nimm diese gesegneten Worte des Apostels und lege sie in deinen Mund und lass sie dort liegen wie mit Honig gemachte Oblaten, bis sie in deiner Seele schmelzen: ‚Der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.‘“ (Spurgeon)

5. Paulus zeigt, warum die Frage der Gesetzesgerechtigkeit so wichtig ist

Galater 2, 21

Galater 2, 21
Ich verwerfe die Gnade Gottes nicht; denn wenn durch das Gesetz Gerechtigkeit [kommt], so ist Christus vergeblich gestorben.

  1. Ich verwerfe die Gnade Gottes nicht: Paulus beendete seine öffentliche Konfrontation mit Petrus mit Nachdruck. Dass diese jüdischen Christen aus Jerusalem verlangten, dass sie und alle anderen nach dem Gesetz des Mose leben mussten, um vor Gott gerechtfertigt zu sein, bedeutete, die Gnade Gottes zu verwerfen – genau das, was Paulus nicht tut.
    1. „Die Gnade für null und nichtig zu erklären, hieße, sein Vertrauen nicht auf die Erlösung als Gottes großzügiges Geschenk zu setzen, sondern auf die eigenen Anstrengungen. Dies zu tun, bedeutet, die Gnade gänzlich abzulehnen und sich auf seine eigenen kümmerlichen Bemühungen zu verlassen – somit bedeutet es, dass man diese Gnade zunichtemacht.“ (Morris)
  2. Wenn durch das Gesetz Gerechtigkeit [kommt]: Wenn diese Behauptung wahr ist, dann ist Jesus vergeblich gestorben – denn dann kann man vor Gott gerecht sein, indem man das Gesetz hält, und man braucht nicht das Werk Jesu, um gerecht zu werden.
    1. Im Gebet Jesu im Garten (Matthäus 26, 39-42) bat er darum, dass, wenn es einen anderen Weg gäbe, das zu erreichen, was ihm mit seinem Kreuzestod bevorstand, er bitte vom Kreuz verschont bleiben möge. Aber Jesus wurde das Kreuz nicht erspart, weil es keinen anderen Weg gibt, das zu vollbringen, was er getan hat.
    2. Das ist auch das große Problem damit, wenn man die Gnade Gottes als etwas sieht, das uns hilft, in den Himmel zu kommen – so als ob wir unser Bestes geben, und die Gnade dann den Rest dazutut. Gnade hilft nicht, sie tut alles. All unsere Gerechtigkeit kommt aus dem Werk Jesu für uns.
    3. „Wenn meine Erlösung so schwer zu erreichen war, dass sie den Tod Christi erforderte, dann sind all meine Werke, all die Gerechtigkeit des Gesetzes, zu nichts gut. Wie kann ich für einen Groschen kaufen, was eine Million Taler kostet?“ (Luther)
  3. Ich verwerfe die Gnade Gottes nicht: Wir kennen die unmittelbare Wirkung dieses mutigen Eintretens für die Wahrheit nicht. Doch wir wissen, dass Petrus mit der Zeit zur Vernunft kam und sich Paulus’ Worte zu Herzen nahm. Wir wissen das aus Apostelgeschichte 15, 6-11, wo Petrus in Jerusalem vor Jakobus und Paulus und Barnabas und den anderen Aposteln verkündete, dass die Nichtjuden nicht nach dem Gesetz des Mose leben müssten, um errettet zu werden.
    1. Wir wissen, dass Petrus bereits einer Meinung mit Paulus war, so wie Paulus den Fall in Galater 2, 15-17 darlegte: Wir … so sind auch wir an Christus Jesus gläubig geworden … damit wir aus dem Glauben an Christus gerechtfertigt würden … weil wir in Christus gerechtfertigt zu werden suchen. Paulus macht Petrus auf etwas aufmerksam, das Petrus zwar glaubte, aber wonach er nicht handelte. Man mag glauben, dass Jesus rettet und wir uns nicht selbst retten; aber man muss sich auch weigern, so zu handeln und zu denken, dass wir uns selbst retten.
    2. Wir können darauf vertrauen, dass Gott diese unangenehme Begegnung in Antiochia zum Wohle aller genutzt hat.
      1. Sie war gut für Paulus, denn er blieb treu und verkündete das Evangelium.
      2. Sie war gut für Petrus, weil er korrigiert wurde und dadurch noch mehr von der Wahrheit überzeugt wurde als zuvor.
      3. Sie war gut für Barnabas, denn er kam in dieser Thematik zur richtigen Überzeugung.
      4. Sie war gut für die Männer, die von Jakobus kamen und den ganzen Schlamassel begannen; denn beim wahren Evangelium wurde eine Grenze gezogen, und sie mussten sich entscheiden.
      5. Sie war gut für die jüdischen Christen in Antiochia, denn ihnen wurde die Wahrheit klar und deutlich aufgezeigt.
      6. Sie war gut für die nichtjüdischen Christen in Antiochia, denn ihr Glaube und ihre Freiheit in Jesus wurden gestärkt.
      7. Sie war gut für uns, denn die Wahrheit lebt auch heute noch.
    3. All dieses Gute kam – aber nur, weil Paulus bereit war, etwas zu tun, das zwar völlig richtig, aber äußerst unbequem war. Petrus war ebenso bereit, das völlig Richtige aber äußerst Unbequeme zu tun, als er zugab, dass er Unrecht hatte. Petrus und Paulus waren beide bereit, ihre Komfortzone für das zu opfern, was richtig war.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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