Lukas 22 – Das letzte Abendmahl; Jesus wird verraten

A. Das letzte Abendmahl

1. Judas plant, Jesus zu verraten

Lukas 22, 1-6

Lukas 22, 1-6
Es nahte aber das Fest der ungesäuerten Brote, das man Passah nennt. Und die obersten Priester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn umbringen könnten; denn sie fürchteten das Volk. Es fuhr aber der Satan in Judas, der mit Beinamen Ischariot genannt wird, welcher aus der Zahl der Zwölf war. Und er ging hin und besprach mit den obersten Priestern und den Hauptleuten, wie er ihn an sie ausliefern wollte. Und sie waren erfreut und kamen überein, ihm Geld zu geben. Und er versprach es und suchte eine gute Gelegenheit, um ihn ohne Volksauflauf an sie auszuliefern.

  1. Es nahte aber das Fest der ungesäuerten Brote, das man Passah nennt: Dieser Zeitpunkt ist entscheidend, denn am Passahfest waren viele Menschen in Jerusalem, die den Messias erwarteten.
    1. Da es ein großes Fest war, waren in Jerusalem viele der Menschen, die Jesus in der Region Galiläa gehört und gesehen hatten. Die meisten hatten großen Respekt vor dem, was er getan hatte, und setzten große Hoffnungen auf ihn.
  2. Denn sie fürchteten das Volk: Die obersten Priester und Schriftgelehrten fürchteten nicht Gott; sondern sie fürchteten das Volk. Sie hatten keine Angst davor, den Sohn Gottes zu töten; sie mussten nur einen diplomatischen Weg finden, es zu tun.
  3. Es fuhr aber der Satan in Judas: Satan hat Judas zu seinem Verbrechen angestiftet und ihn vielleicht sogar dabei angeleitet. Das verringert die persönliche Verantwortung von Judas nicht, denn es geschah nichts gegen seinen Willen, sondern alles im Einklang mit eben diesem. Das zeigt aber, dass Satan der eigentliche Feind Jesu war, mehr noch als Judas.
    1. Viele haben sich über die Motive von Judas Gedanken gemacht. Einige meinen sogar, dass er ein ehrbares Motiv gehabt haben könnte, etwa dass er Jesus in eine Situation bringen wollte, in der dieser sich als Messias zu erkennen geben musste. Die Bibel deutet auf keine solche lobenswerte Absicht hin.
    2. Judas, der mit Beinamen Ischariot genannt wird: Der Name Ischariot könnte bedeuten, dass er aus Kerioth, einer Stadt im südlichen Judäa, stammte. Damit wäre Judas der einzige Judäer unter den Jüngern, die alle Galiläer waren. Manche fragen sich, ob Judas sich über die Führungsrolle der galiläischen Fischer unter den Jüngern ärgerte, und schließlich genug davon hatte. Andere gehen davon aus, dass der Name Ischariot vom Wort sicarius abgeleitet ist, was ‚Attentäter‘ bedeutet – eine Anspielung auf die jüdischen Zeloten, die im Untergrund einen Guerillakrieg gegen die römischen Besatzer führten.
    3. Es ist gut möglich, dass Judas Jesus aus selbstsüchtigen Motiven nachfolgte. Vielleicht tat er das in der Erwartung, eine Position mit hohem Status und Ansehen zu erhalten, sobald Jesus triumphierend als Messias in Jerusalem einziehen würde. Als Jesus kam und offensichtlich wurde, dass er nicht die von Judas erhoffte Art von Messias sein würde, hat Judas sich möglicherweise aus Bosheit gegen Jesus gewandt und sich Satan gegenüber geöffnet. Jesus gab Judas nicht das, was sein selbstsüchtiges Herz wollte. Deshalb hatte Judas das Gefühl, dass seine Bindung zu Jesus zerbrochen war. Im Grunde könnte Judas gesagt haben: „Du hast mich verraten, weil du nicht die Art von Messias bist, die ich wollte. Also werde ich dich auch verraten.“
  4. Sie waren erfreut und kamen überein, ihm Geld zu geben: In Matthäus 26, 14-16 heißt es, dass Judas sie fragte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich ihn euch verrate? Das zeigt, dass Judas an sie herantrat und sie fragte wie viel er für den Verrat bekäme. Es deutet darauf hin, dass er aus Habsucht gehandelt hat.
    1. Man kann auch über das Motiv Satans nachdenken. Jesu Tod am Kreuz war die große Niederlage Satans; warum also hat der Teufel die Dinge in diese Richtung gelenkt? Der Satan ist allerdings nicht allwissend; vielleicht wusste er nicht, wie sich diese Ereignisse gegen ihn wenden würden, auch wenn Satan die Bibel kennt und es deshalb hätte wissen müssen.
    2. Eine bessere Erklärung ist die Tatsache, dass Satan nicht allwissend ist. Selbst wenn er wusste, dass der Tod von Jesus ihm den Kopf zertreten würde (1. Mose 3, 15), hat ihn doch sein Hass überwältigt. Da Satan der große Betrüger ist, hat er sich zweifellos auch selbst betrogen – und konnte so glauben, dass er Jesus besiegen könnte oder kann.
  5. Er versprach es und suchte eine gute Gelegenheit, um ihn ohne Volksauflauf an sie auszuliefern: Gott benutzte die bösen Taten von Judas, um seinen ewigen Plan voranzubringen. Das war die vorbestimmte Zeit für Jesus, ans Kreuz zu gehen, aber vor dem Verrat durch Judas wollten die Schriftgelehrten es noch nicht tun, weil sie Angst vor dem Volk hatten.

2. Vorbereitungen für das Passahfest

Lukas 22, 7-13

Lukas 22, 7-13
Es kam aber der Tag der ungesäuerten Brote, an dem man das Passah schlachten musste. Und er sandte Petrus und Johannes und sprach: Geht hin, bereitet uns das Passah, damit wir es essen können! Sie aber sprachen zu ihm: Wo willst du, dass wir es bereiten? Und er sprach zu ihnen: Siehe, wenn ihr in die Stadt hineinkommt, so wird euch ein Mensch begegnen, der einen Wasserkrug trägt; dem folgt in das Haus, wo er hineingeht, und sprecht zu dem Hausherrn: Der Meister lässt dir sagen: Wo ist das Gastzimmer, in dem ich mit meinen Jüngern das Passah essen kann? Und jener wird euch einen großen, mit Polstern ausgelegten Obersaal zeigen; dort bereitet es zu! Sie gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte; und sie bereiteten das Passah.

  1. Es kam aber der Tag der ungesäuerten Brote: Das muss für Jesus eine sehr bewegende Gedenkfeier gewesen sein. Das Passahfest erinnert an die Befreiung Israels aus Ägypten, was der zentrale Akt der Erlösung im Alten Testament war. Jesus schuf hier ein neues Zentrum der Erlösung, an das durch ein neues zeremonielles Mahl erinnert werden sollte.
    1. Der Ausdruck ‚der Tag der ungesäuerten Brote‘ ist eine gängige Beschreibung des einwöchigen Festes … Ursprünglich wurde damit der Beginn der Ernte gefeiert, aber später wurde es mit Passah kombiniert.“ (Pate)
  2. Ein Mensch … der einen Wasserkrug trägt: Das mit „Mensch“ übersetzte Wort kann (und wird, vgl. Luther, Menge u.a.) auch als Mann übersetzt werden. Einen Mann mit einem Krug zu sehen, war damals ein ungewöhnlicher Anblick, denn das Tragen eines Kruges war eine typische Frauenarbeit, und normalerweise trugen Männer Flüssigkeiten in Gefäßen aus Tierhaut. Das war also ein unverwechselbares Zeichen für die Jünger.
  3. Der Meister lässt dir sagen: Die hier beschriebene Szene impliziert eine gewisse Heimlichkeit, und Jesus hatte guten Grund, die Vorbereitungen für das Passahfest still und heimlich zu treffen. Er wollte nicht, dass Judas ihn verriet, bevor er ein letztes Wort an die Jünger richten konnte.
  4. Mit meinen Jüngern das Passah essen: Die Erwähnung des Passahfestes wirft Fragen nach der genauen zeitlichen Abfolge der Ereignisse auf. Die wesentliche Komplikation besteht darin, dass Matthäus, Markus und Lukas dieses Mahl, das Jesus mit seinen Jüngern einnehmen wird, als das Passahmahl darstellen. Normalerweise wird dabei ein Lamm gegessen, das am Passahtag mit einer großen Zeremonie im Tempel geopfert wurde. Johannes scheint jedoch darauf hinzuweisen, dass das Mahl vor dem Passahfest stattfand (Johannes 13, 1) und dass Jesus tatsächlich am Passahfest gekreuzigt wurde (Johannes 18, 28).
    1. Die beste Erklärung ist wahrscheinlich, dass verschiedene Kalender benutzt wurden. Jesus starb, während die Passahopfer nach dem offiziellen Kalender geschlachtet wurden; aber er hatte das Passahfest nach einem inoffiziellen Kalender mit seinen Anhängern am Abend zuvor gehalten.“ (Morris)
    2. Eine ähnliche Lösung wird von Adam Clarke vorgeschlagen: „Es ist eine weit verbreitete Ansicht, dass unser Herr das Passah einige Stunden vor den Juden aß; denn die Juden aßen ihr Passah traditionsgemäß am Ende des vierzehnten Tages. Christus dagegen aß sein Passah am Abend davor, nämlich am Anfang desselben sechsten Tages, also am Freitag. Denn die Juden beginnen ihren Tag bei Sonnenuntergang, wir hingegen um Mitternacht. Demnach aß Christus das Passah am gleichen Tag wie die Juden, jedoch nicht zur gleichen Tageszeit.“
    3. Keines der synoptischen Evangelien erwähnt ein Lamm beim Passahmahl. Das kann daran liegen, dass vor dem offiziellen Tag des Passahfestes kein Lamm mehr zu bekommen war. Außerdem könnte Jesus es so gewollt haben, um zu betonen, dass er selbst das Passahopfer war.

3. Jesus isst das Passah mit seinen Jüngern

Lukas 22, 14-18

Lukas 22, 14-18
Und als die Stunde kam, setzte er sich zu Tisch und die zwölf Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide. Denn ich sage euch: Ich werde künftig nicht mehr davon essen, bis es erfüllt sein wird im Reich Gottes. Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmt diesen und teilt ihn unter euch! Denn ich sage euch: Ich werde nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes gekommen ist.

  1. Mich hat herzlich verlangt: Das war ein leidenschaftlicher Moment für Jesus. Es ging nicht so sehr darum, dass er sich hier von seinen Jüngern verabschiedete, sondern vielmehr darum, dass es nun um den wichtigsten Punkt ging, weshalb er zu den Menschen gekommen war: Um einen neuen Bund mit den Menschen zu schließen, der darauf beruhte, dass er das Opfer war. Das war nicht der Anfang vom Ende; es war der Anfang des Anfangs.
  2. Und er nahm den Kelch: In den folgenden Versen teilt Lukas uns mit, dass Jesus nach dem Abendmahl auch den Kelch nahm (Lukas 22, 20). Es scheint, dass Jesus den Becher sowohl vor als auch nach dem Brot nahm. Nach den Bräuchen des Passahmahls war das nichts Ungewöhnliches. Normalerweise wurde der Wein während des Mahls feierlich aus vier verschiedenen Bechern getrunken. (Zu vier feststehenden Zeitpunkten nach den vier Schritten der Erlösung aus 2. Mose. Dabei sind es üblicherweise vier verschiedene Becher, aus denen alle trinken.)
  3. Ich werde nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes gekommen ist: Jesus hat noch kein Passahfest im Himmel gefeiert. Er wartet darauf, dass sein ganzes Volk bei ihm ist. Dann wird es ein großes Festmahl geben, das als das Hochzeitsmahl des Lammes bekannt ist (Offenbarung 19, 9). Das ist die Vollendung des Reiches Gottes, nach der sich Jesus sehnt.

4. Jesus gibt dem Passahfest eine neue Bedeutung und setzt den Neuen Bund ein

Lukas 22, 19-20

Lukas 22, 19-20
Und er nahm das Brot, dankte, brach es, gab es ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis! Desgleichen [nahm er] auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.

  1. Er nahm das Brot, dankte, brach es, gab es ihnen: Als das Brot beim Passahfest in die Höhe gehoben wurde, sagte das Oberhaupt des Mahls: „Das ist das Brot der Trübsal, das unsere Väter im Land Ägypten gegessen haben. Jeder, der hungert, soll kommen und essen; jeder, der bedürftig ist, soll kommen und das Passahmahl essen.“ Alles, was beim Passahmahl gegessen wurde, hatte eine symbolische Bedeutung. Die bitteren Kräuter erinnerten an die Bitterkeit der Sklaverei; das Salzwasser erinnerte an die Tränen, die während der Unterdrückung durch Ägypten vergossen wurden. Der Hauptgang der Mahlzeit – ein Lamm, das frisch für den jeweiligen Haushalt geopfert wurde – symbolisierte nichts, was mit den Qualen in Ägypten zu tun hatte. Es war das Opfer, auf dem die Sünde lag und aufgrund dessen das Gericht Gottes an dem Haushalt vorüberging, der glaubte.
    1. Das Passahfest brachte eine Nation hervor; eine Sklavenschar wurde aus Ägypten befreit und wurde zu einer Nation. Dieses neue Passahfest erschuf auch ein neues Volk; nämlich ein Volk, das in Jesus Christus vereint ist, sich an sein Opfer erinnert und darauf vertraut.
  2. Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird … Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut: Jesus deutete die einzelnen Speisen nicht gemäß ihrer üblichen Bedeutung. Er deutete sie auf sich selbst um, sodass der Fokus nicht mehr auf dem Leiden Israels in Ägypten lag, sondern darauf, dass er ihre Sünden auf sich nehmen und um ihretwillen leiden würde.
    1. Die Worte ‚Dies ist mein Leib‘ gehörten nicht zum Passah-Ritual. Als Neuerung müssen sie eine verblüffende Wirkung gehabt haben, eine Wirkung, die mit dem wachsenden Verständnis nach Ostern noch weiter zugenommen haben dürfte.“ (Carson)
    2. So erinnern wir uns daran, was Jesus für uns getan hat. Wenn wir das Brot essen, sollen wir uns daran erinnern, wie Jesus für unsere Erlösung gebrochen, durchbohrt und geschlagen wurde. Wenn wir den Kelch trinken, sollen wir uns daran erinnern, dass sein Blut, sein Leben auf Golgatha für uns vergossen wurde.
    3. So haben wir Gemeinschaft mit Jesus. Weil seine Erlösung uns mit Gott versöhnt hat, können wir uns nun zum Essen mit Jesus an einen Tisch setzen und seine Gemeinschaft genießen.
  3. Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird … Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut: Unter den Christen kam es zu großen Streitigkeiten, als es darum ging, diese Worte von Jesus richtig zu verstehen.
    1. Die römisch-katholische Kirche vertritt die Vorstellung der Transsubstantiation, nach der das Brot und der Wein tatsächlich zum Leib und Blut Jesu werden.
    2. Martin Luther vertrat die Meinung der Konsubstantiation, nach der das Brot Brot bleibt, so wie der Wein Wein bleibt. Durch den Glauben sind sie jedoch dasselbe wie der tatsächliche Leib Jesu. Luther glaubte nicht an die römisch-katholische Lehre der Transsubstantiation, auch wenn sein Verständnis nicht weit davon entfernt war.
    3. Johannes Calvin lehrte, dass die Gegenwart Jesu in Brot und Wein real ist, aber nur geistlich und nicht physisch. Zwingli lehrte, dass das Brot und der Wein bedeutungsvolle Sinnbilder sind, die den Leib und das Blut Jesu darstellen. Als die Schweizer Reformatoren mit Martin Luther in Marburg über diese Frage debattierten, gab es eine große Auseinandersetzung. Luther bestand auf irgendeine Art von physischer Gegenwart, weil Jesus sagte: „Das ist mein Leib“.
      Er bestand beharrlich darauf und schrieb es auf die Tischdecke: Hoc est corpus meum, was auf Latein „das ist mein Leib“ bedeutet. Zwingli entgegnete: „Jesus hat auch gesagt: Ich bin der Weinstock“ und „Ich bin die Tür“, aber wir verstehen, was er damit eigentlich sagen wollte. Luther antwortete: „Ich weiß es nicht, aber wenn Christus mir sagte, ich solle Mist essen, würde ich es tun und wissen, dass es gut für mich ist.“ Luther war hier so unnachgiebig, weil er es als eine Frage des Glaubens an Christi Worte ansah. Weil er dachte, dass Zwingli einen Kompromiss einging, sagte er, dass dieser einen ‚anderen Geist‘ habe. Ironischerweise las Luther später Calvins Schriften über das Abendmahl (die im Wesentlichen das Gleiche ausdrückten wie die von Zwingli) und schien mit Calvins Ansichten übereinzustimmen oder sie zumindest zu akzeptieren.
    4. Aus dem Bibeltext können wir jedenfalls ableiten, dass das Brot und der Kelch nicht nur Symbole, sondern kraftvolle Bilder sind, an denen wir teilhaben und in die wir eintreten können, indem wir das Abendmahl als das neue Passahfest begreifen.
    5. Mögen die Papisten (Katholiken) und Lutheraner sagen, was sie wollen, in diesen Worten müssen bildliche Ausdrücke erkannt werden. Der Kelch wird hier anstelle des Weins im Kelch genannt; und die neutestamentlichen Worte Das ist mein Blut, bedeuten, dass dieser Wein als Zeichen für den neuen Bund steht.
      Ich kann nicht verstehen, warum sie nicht ebenso bereitwillig einen bildhaften Ausdruck in den Worten das ist mein Leib erkennen können.“ (Poole)
    6. Sicher ist, dass Jesus uns gebietet zu gedenken; und zwar nicht seiner Geburt, seines Lebens oder seiner Wunder, sondern seines Todes.“ (Carson)
  4. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut: Bemerkenswerterweise kündigte Jesus die Einsetzung eines neuen Bundes an. Kein gewöhnlicher Mensch könnte jemals einen neuen Bund zwischen Gott und Mensch schließen, aber Jesus ist der Gott-Mensch. Er hat die Vollmacht, einen neuen Bund zu schließen, mit Blut besiegelt – so wie der alte Bund mit Blut besiegelt wurde (2. Mose 24, 8).
    1. Der neue Bund dreht sich um eine innere Verwandlung, die uns von aller Sünde reinigt: Denn ich werde ihre Missetat vergeben und an ihre Sünde nicht mehr gedenken (Jeremia 31, 34). Diese Verwandlung legt Gottes Wort und seinen Willen in uns hinein: Ich will mein Gesetz in ihr Innerstes hineinlegen und es auf ihre Herzen schreiben (Jeremia 31, 33). In diesem Bund dreht sich alles um eine neue, enge Beziehung zu Gott: Ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein (Jeremia 31, 33).
    2. Wir können also sagen, dass das Blut Jesu den neuen Bund möglich gemacht hat, und dass es ihn auch sicher und zuverlässig gemacht hat. Das Leben von Gott selbst hat ihn bestätigt.

5. Wehe dem Verräter

Lukas 22, 21-23

Lukas 22, 21-23
Doch siehe, die Hand dessen, der mich verrät, ist mit mir auf dem Tisch. Und der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie es bestimmt ist; aber wehe dem Menschen, durch den er verraten wird! Und sie fingen an, sich untereinander zu befragen, welcher von ihnen es wohl wäre, der dies tun würde.

  1. Siehe, die Hand dessen, der mich verrät, ist mit mir auf dem Tisch: Das scheint darauf hinzudeuten, dass Judas anwesend war, als Jesus seinen Jüngern das Brot und den Kelch reichte. Diese Frage wird unter den Theologen intensiv diskutiert.
  2. Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie es bestimmt ist: Es wurde durch eine Prophezeiung bestimmt, dass der Messias verraten werden sollte (Psalm 41, 10). Aber wehe dem Menschen, der den Messias tatsächlich verraten hat. Judas konnte niemals behaupten, dass er Jesus geholfen hat, indem er die Prophezeiung erfüllte. Er war und ist für seine Sünde vor Gott voll verantwortlich.
    1. „Die Tatsache, dass Gott das von bösen Menschen getane Unrecht mit seinem Tun außer Kraft setzt, um seine Absichten zu verwirklichen, macht sie nicht weniger böse.“ (Morris)
  3. Sie fingen an, sich untereinander zu befragen, welcher von ihnen es wohl wäre: Judas bewahrte sein Geheimnis gut, denn keiner der anderen Jünger schien ihn zu verdächtigen.

B. Abschließende Unterweisung der Jünger

Um das hier Gesagte komplett zu verstehen, sollte man sich die Berichte in allen vier Evangelien, vor allem aus Johannes 13-16 anschauen.

1. Jesus belehrt sie darüber, wer wirklich der Größte ist

Lukas 22, 24-27

Lukas 22, 24-27
Es entstand aber auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte zu gelten habe. Er aber sagte zu ihnen: Die Könige der Heidenvölker herrschen über sie, und ihre Gewalthaber nennt man Wohltäter. Ihr aber sollt nicht so sein; sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Führende wie der Dienende. Denn wer ist größer: der, welcher zu Tisch sitzt, oder der Dienende? Ist es nicht der, welcher zu Tisch sitzt? Ich aber bin mitten unter euch wie der Dienende.

  1. Entstand … ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte zu gelten habe: Es ist fast beängstigend, sich vorzustellen, dass sie jetzt, in den letzten Stunden vor seinem Verrat, seiner Verhaftung und Kreuzigung, darüber stritten, wer von ihnen der Größte sei. Und das alles, nachdem sie den Charakter Jesu in fast allen erdenklichen Lebensumständen erleben konnten und Jesus drei Jahre seines Lebens in diese Männer investiert hatte.
    1. Das scheint etwas gewesen zu sein, worüber die Jünger sich oft unterhalten haben (Matthäus 18, 1; Matthäus 20, 20-26; Markus 9, 33-34; Lukas 9, 46).
  2. Wer von ihnen als der Größte zu gelten habe: Man könnte meinen, dass Jesus die Frage durch den Hinweis darauf, dass er der Größte sei, hätte klären sollen. Stattdessen beantwortete Jesus ihre Frage mit dem, was er tat. In Johannes 13, 3-5 steht, dass Jesus ihnen nach dem Abendmahl die Füße wusch. Er könnte diese Worte über wahre Größe gesprochen haben, als er ihnen die Füße wusch oder nachdem er damit fertig war.
    1. Die außerordentliche Geduld Jesu zeigte sich darin, dass er seine streitenden Jünger ganz freundlich zurechtweist. Viele große Dinge beschäftigten ihn in dieser so besonderen Situation, und dennoch lehrte und korrigierte er sie sanft.
  3. Die Könige der Heidenvölker herrschen über sie: Die Welt übt Autorität und Macht mit einem bestimmten Stil aus, der letztlich der Selbsterhöhung dient. Jesus war nicht so, und seine Nachfolger sollten es auch nicht sein. Tatsächlich sollte der Größte wie der Jüngste sein (derjenige, der in der Gesellschaft kein Ansehen genießt, der Ausgestoßene), und der Führende, sollte wie der Dienende sein.
    1. Der Gedanke, als Wohltäter bezeichnet zu werden, ist in Wirklichkeit der Wunsch, Anerkennung zu erhalten. Viele Menschen dienen nur dann, wenn sie sich sicher sein können, dafür die gebührende Anerkennung zu erhalten.
    2. In der Antike war es üblich, dass das Alter etwas war, was Privilegien verlieh; der Jüngste war von vornherein der Niedrigste.“ (Morris)
  4. Denn wer ist größer: der, welcher zu Tisch sitzt, oder der Dienende? Ist es nicht der, welcher zu Tisch sitzt? Die Welt sieht den, dem gedient wird, als größer an, aber Jesus hat uns gezeigt, dass wahre Größe mehr im Dienen liegt – als darin, bedient zu werden.
    1. In verschiedenen Kulturen wurden schon immer Menschen beneidet, denen andere dienen. Im alten China ließen sich Menschen manchmal die Fingernägel wachsen, bis sie so lang waren, dass sie sich nicht mehr um sich selbst kümmern konnten. Das wurde als Statussymbol angesehen.
    2. Die Menschen jedoch, die wirklich Großes in unserem Leben leisten, sind die Diener. Wenn der (amerikanische) Präsident sich einen Monat frei nähme, würde ihn eigentlich niemand vermissen. Aber wenn alle Mitarbeiter der Müllabfuhr im Land einen ganzen Monat lang zu Hause blieben, würden wir es merken. Jesus versucht, unser Denken und unsere Prioritäten neu zu ordnen.
  5. Ich aber bin mitten unter euch wie der Dienende: Als Diener zu leben ist wirklich die beste Art zu leben. Es geht uns nicht mehr um unsere eigene Ehre und Anerkennung. Wir laufen nicht mehr mit verletzten Gefühlen und nicht erfüllten Erwartungen herum, weil es nur noch unser Wunsch ist, zu dienen. Wir können immer das tun, was wir tun wollen, weil wir immer auf irgendeine Weise dienen können.
    1. Jesus meinte nicht, dass man immer eine höhere Position erhält, wenn man in einer niedrigen Position dient. Er meinte, dass in den Augen Gottes die niedrige Position die hohe Position ist. „Der geleistete Dienst, nicht der in Anspruch genommene, macht die wahre Größe aus, denn er ist das Zeichen wahrer Gemeinschaft mit dem Herrn selbst.“ (Morgan)
    2. Die eigentliche Größe Gottes zeigt sich schließlich nicht in der Höhe und Herrlichkeit seines ewigen Thrones, sondern in der Tiefe und Gnade, die wir daran ermessen können, dass er Mensch geworden und am Kreuz zur Vergebung unserer Schuld gestorben ist.“ (Morgan)
    3. ‚König der Könige‘ ist ein Titel, in dem ganz viel Würde steckt, aber ‚Diener der Diener‘ ist der Name, den unser Herr bevorzugte, als er auf Erden war.“ (Spurgeon)

2. Der Lohn für die Jünger

Lukas 22, 28-30

Lukas 22, 28-30
Ihr aber seid die, welche bei mir ausgeharrt haben in meinen Anfechtungen. Und so übergebe ich euch ein Königtum, wie es mir mein Vater übergeben hat, sodass ihr an meinem Tisch in meinem Reich essen und trinken und auf Thronen sitzen sollt, um die zwölf Stämme Israels zu richten.

  1. So übergebe ich euch ein Königtum: Die Jünger werden eine besondere Belohnung erhalten, denn sie sind diejenigen, die mit Jesus ausgeharrt haben in seinen Anfechtungen. Jesus schätzte und würdigte die Unterstützung, die er von seinen Jüngern erhielt.
  2. So übergebe ich euch ein Königtum: Die Apostel werden eine besondere Position im Königreich Gottes haben. Sie werden auf Thronen sitzen … um die zwölf Stämme Israels zu richten, und ihre Namen werden auf den zwölf Grundsteinen der Mauer des neuen Jerusalem stehen (Offenbarung 21, 14).
    1. Ein Diener zu sein bedeutet nicht, dass wir nicht belohnt werden. Ganz im Gegenteil; die größten Diener Gottes erhalten die größte Belohnung. Aber ein großer Diener dient nicht wegen der Belohnung, sondern um der Ehre Gottes willen.

3. Jesus sagt Petrus, dass er scheitern wird

Lukas 22, 31-34

Lukas 22, 31-34
Es sprach aber der Herr: Simon, Simon, siehe, der Satan hat euch begehrt, um euch zu sichten wie den Weizen; ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre; und wenn du einst umgekehrt bist, so stärke deine Brüder! Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen! Er aber sprach: Ich sage dir, Petrus: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst!

  1. Siehe, der Satan hat euch begehrt: Jesus war sich des geistlichen Kampfes hinter den Kulissen bewusst. Petrus ahnte nichts davon, dass Satan vorhatte, ihn zu sichten wie den Weizen – Satan wollte Petrus vollständig zerstören und besiegen.
    1. Anscheinend wollte der Satan dem Petrus viel mehr zusetzen, als der Herr zulassen würde. Satan konnte Petrus gegenüber nicht tun, was er wollte, sondern musste Gott um Erlaubnis bitten.
    2. Satan will, dass beim Sichten ‚kein Weizen bleibt‘, sondern dass alle (wie Judas) wie Spreu weggeblasen werden.“ (Geldenhuys)
  2. Ich aber habe für dich gebetet: Satan hat Petrus nicht völlig vernichtet, aber der Grund dafür lag nicht bei Petrus. Es lag an dem Gebet, das Jesus für Petrus gesprochen hatte.
    1. Es ist wunderbar und bewegend, sich daran zu erinnern, dass Jesus für sein Volk betet und uns vor Satan schützt (Hebräer 7, 25; Offenbarung 12, 10). Sicherlich gibt es viele Situationen, in denen wir wahrscheinlich verloren gegangen wären, aber Jesus betete für uns und beschützte uns.
  3. Dass dein Glaube nicht aufhöre: Der Glaube von Petrus würde schwanken, aber nicht aufhören. Weil Jesus wusste, dass Petrus zu ihm zurückkehren würde, war das bevorstehende Scheitern von Petrus für ihn nur ein vorübergehender und kein endgültiger Ausfall.
    1. Wir können in der Nachfolge ins Wanken geraten, aber wir dürfen niemals aufgeben. Wenn wir Jesus in irgendeiner Weise verleugnet haben, dann müssen wir sofort zu ihm zurückkehren.
    2. Und nachdem wir zurückgekehrt sind, müssen wir unseren Fokus darauf lenken, anderen zu helfen – und wenn du einst umgekehrt bist, so stärke deine Brüder. Wer nach dem Wanken zurückkehrt, sollte nicht unbedingt ausgeschlossen oder ermutigt werden, sich nur noch um sich selbst zu kümmern – sondern den Geschwistern die Hand reichen und sie stärken.
  4. Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen: Petrus hat hier nicht bewusst gelogen; vielmehr war er sich weder der geistlichen Realität noch des geistlichen Kampfes bewusst, den Jesus sehen konnte. Petrus schaute lediglich darauf, wie er sich in diesem Moment fühlte und in diesem Moment fühlte er sich ziemlich mutig.
    1. Sich danach zu richten, wie man sich im Moment fühlt, ist kein gutes Fundament. Petrus fühlte sich im Moment mutig, würde sich aber bald von einem einfachen Dienstmädchen einschüchtern lassen und ihr gegenüber leugnen, dass er Jesus überhaupt kannte.
    2. Es ist manchmal leichter, eine große Last für Christus zu tragen als eine kleine. Einige von uns könnten eher Märtyrer auf dem Scheiterhaufen sein als Bekennende unter spöttischen Nachbarn.“ (MacLaren)
  5. Ich sage dir, Petrus: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst: Jesus sagte Petrus nicht deshalb die Wahrheit über sich selbst und die Situation, um ihn zu entmutigen, sondern um ihn wissen zu lassen, dass es eine geistliche Realität und einen geistlichen Kampf gibt. Petrus war sich dessen nicht bewusst, Jesus aber sehr wohl.
    1. War es nicht gut, dass Petrus erkennen sollte, wie schwach er war, damit er wirklich reumütig werden und umkehren konnte?“ (Meyer)
    2. Fitzmyer hat den Sinn der Prophezeiung erfasst – Petrus‘ ‘dreifache Verleugnung wird so schnell kommen, dass der Hahn nicht einmal Zeit hat, zweimal zu krähen.’“ (Pate)

4. Jesus fordert die Jünger auf, bereit zu sein

Lukas 22, 35-38

Lukas 22, 35-38
Und er sprach zu ihnen: Als ich euch aussandte ohne Beutel und Tasche und Schuhe, hat euch etwas gemangelt? Sie sprachen: Nichts! Nun sprach er zu ihnen: Aber jetzt, wer einen Beutel hat, der nehme ihn, ebenso auch die Tasche; und wer es nicht hat, der verkaufe sein Gewand und kaufe ein Schwert. Denn ich sage euch: Auch dies muss noch an mir erfüllt werden, was geschrieben steht: »Und er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden«. Denn was von mir [geschrieben steht], das geht in Erfüllung! Sie sprachen: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter! Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug!

  1. Aber jetzt, wer einen Beutel hat, der nehme ihn, ebenso auch die Tasche: Das scheint Jesu Absicht zu sein: „Ich werde euch bald verlassen, und dann müsst ihr für Versorgung und Schutz euren gesunden Menschenverstand nutzen.“ Solche praktischen Überlegungen waren vorher nicht nötig, doch jetzt wurden sie es.
    1. Die Jünger waren bereits zuvor zum Dienst ausgesandt worden, ohne dass Jesus sie begleitet hätte (Lukas 10, 1-17), und damals wurden sie mit Wohlwollen und Gastfreundschaft empfangen. Jetzt standen sie einer feindseligen Welt gegenüber, Jesus würde sie wieder nicht begleiten und darauf mussten sie vorbereitet werden.
  2. Dies muss noch an mir erfüllt werden, was geschrieben steht: »Und er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden«: Jesus hatte seinen Jüngern bereits gesagt, dass er verworfen und gekreuzigt werden würde (Lukas 17, 25; 18, 31-33). Hier sagte Jesus ihnen, dass dies bald geschehen würde.
  3. Denn was von mir [geschrieben steht], das geht in Erfüllung: Es scheint zu bedeuten: „Das alles wird sich bald erfüllt haben.“
  4. Es ist genug: Das sagt Jesus, als ihm die Schwerter präsentiert wurden, und meinte damit „Es ist genug“ – er spricht ein Machtwort. Er meint damit nicht, dass zwei Schwerter ausreichen würden, um gegen die Menschen zu kämpfen, die zu seiner Verhaftung kommen würden.
    1. „Die Antwort Jesu: „Genug davon“ ist der Antwort: „Es ist genug“ vorzuziehen. Letzteres könnte bedeuten, dass Jesus der Ansicht der Jünger zustimmte, zwei Schwerter würden für den kommenden Konflikt ausreichen. Aber der Kontext schließt diese Lesart eindeutig aus.“ (Pate)
    2. Es scheint, dass die Jünger nicht verstanden haben, was in den nächsten Stunden geschehen würde. Auch zu späteren Zeiten wurde Jesus hier falsch verstanden. „In seiner berüchtigten päpstlichen Bulle Unam Sanctam baute Bonifatius VIII. (1302 n. Chr.) seine Doktrin, die besagte, dass der Papst das unangefochtene Recht habe, sowohl weltliche als auch geistliche Herrschaft über die Menschheit auszuüben, auf diesem Text auf. Die beiden Schwerter seien das geistliche Schwert und das weltliche Schwert.“ (Geldenhuys)

C. Das von Angst erfüllte Gebet Jesu im Garten Gethsemane

1. Jesu ringt im Garten im Gebet

Lukas 22, 39-42

Lukas 22, 39-42
Und er ging hinaus und begab sich nach seiner Gewohnheit an den Ölberg. Es folgten ihm aber auch seine Jünger. Und als er an den Ort gekommen war, sprach er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt! Und er riss sich von ihnen los, ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder, betete und sprach: Vater, wenn du diesen Kelch von mir nehmen willst — doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!

  1. Er ging hinaus und begab sich nach seiner Gewohnheit an den Ölberg: Jesus hatte die Nächte der letzten Woche dort verbracht (Lukas 21, 37) und wollte diese Gewohnheit nicht ändern, obwohl er wusste, dass Judas ihn so leicht finden konnte.
  2. Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt! Als Jesus im Garten Gethsemane anfing zu beten (vgl. auch Matthäus 26, 36 und Markus 14, 32), ermahnte er zuerst die Jünger, dass sie beten müssten. Jesus musste selbst im Gebet um die Kraft bitten, die er brauchte, um sein bevorstehendes Martyrium zu bestehen. Die Jünger hatten ihre eigene Prüfung zu bestehen, und umso mehr mussten sie beten, nicht in Versuchung zu kommen bzw. der Versuchung nicht nachzugeben.
    1. Die Worte ‚in Versuchung kommen‘ (perasmon) bedeuten ihrer bösen Macht zu erliegen (vgl. Lukas 22, 46; 11, 4).“ (Pate)
  3. Er riss sich von ihnen los, ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder, betete und sprach: Dies hier ist Teil eines eindrücklichen Augenzeugenberichts (von einem der Jünger), den Lukas wiedergibt. Nur ein Augenzeuge würde sich an das Detail erinnern, dass Jesus nur ungefähr einen Steinwurf von den Jüngern entfernt betete.
    1. Üblicherweise wurde in dieser Zeit im Stehen gebetet. Dass Jesus niederkniete, zeugt von der Heftigkeit seines Kampfes in Gethsemane.“ (Geldenhuys)
  4. Vater, wenn du diesen Kelch von mir nehmen willst: Jesus kannte den Willen des Vaters und dennoch litt er unter großen seelischen Qualen. Diese Qualen entstanden nicht aus seiner unzureichenden Bereitschaft, Gottes Willen zu tun, sondern daraus, dass Jesus als Sündopfer ans Kreuz gehen würde. Er war kein Opfer seiner Umstände, und im Gegensatz zu einem Opfertier war ihm bewusst, was geschehen würde. Er entschied sich aus freien Stücken, sein Leben hinzugeben.
    1. Das hilft uns zu verstehen, warum Jesus das Bild eines Kelches benutzt hat. Im Alten Testament kommt der Kelch wiederholt als kraftvolles Bild für Gottes Zorn und Gericht vor.
      1. Denn ein Becher ist in der Hand des HERRN, gefüllt mit schäumendem Würzwein; davon schenkt er ein: sogar seine Hefen müssen schlürfen und trinken alle Gottlosen auf Erden. (Psalm 75, 9)
      2. Erwache! Erwache! Stehe auf, Jerusalem, die du von der Hand des HERRN den Becher seines Zorns getrunken hast, die du den Taumelkelch getrunken und ausgeschlürft hast! (Jesaja 51, 17)
      3. Denn so sprach der HERR, der Gott Israels, zu mir: Nimm diesen Kelch voll Zornwein aus meiner Hand und gib ihn allen Völkern zu trinken, zu denen ich dich sende. (Jeremia 25, 15)
    2. Der Kelch stand nicht für den Tod, sondern für das Gericht Gottes. Jesus hatte keine Angst vor dem Tod. Als er sein Werk am Kreuz vollendet hatte, indem er das gerechte Urteil Gottes über unsere Sünde empfangen, ertragen und abgegolten hatte, gab er sich dem Tod einfach freiwillig hin.
    3. Jesus trat an die Stelle der Feinde Gottes, verurteilt, den Kelch des Zorns des Vaters zu trinken, damit wir nicht aus diesem Kelch trinken müssen. Diesen Kelch zu nehmen, war der Grund für die größten Qualen, die Jesus am Kreuz erduldete.
    4. Ich fürchte mich nie davor zu übertreiben, wenn ich von dem spreche, was mein Herr ertragen hat. Die ganze Hölle steckte in dem Kelch, aus dem unser Gott und Erlöser Jesus Christus trinken musste.“ (Spurgeon)
  5. Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe: Jesus kam an den Punkt, wo er eine Entscheidung treffen musste. Es war nicht so, dass er vorher noch nicht entschieden oder bereit gewesen wäre, aber jetzt musste die Entscheidung getroffen werden. Er trank den Kelch auf Golgatha, aber die unverrückbare Entscheidung, diesen Kelch zu trinken, hat er in Gethsemane getroffen.
    1. Ein Mensch, der nie eine Sünde begangen hatte, kämpfte in einem Garten gegen Satan, die Sünde, sich selbst und die Versuchung und verlor – er sagte: „Mein Wille, nicht dein Wille, geschehe“. Diese Niederlage wirkte sich auf die ganze Menschheit aus. Der zweite Mensch, der ohne Sünde war, kämpfte in einem anderen Garten gegen Satan, die Sünde, sich selbst und die Versuchung und siegte – indem er sagte: „Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ – und die Auswirkungen dieses Sieges erfassen Menschen aus allen Völkern und allen Sprachen.

2. Jesus wird In seinem Todeskampf von Engeln gestärkt

Lukas 22, 43-44

Lukas 22, 43-44
Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er war in ringendem Kampf und betete inbrünstiger; sein Schweiß wurde aber wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.

  1. Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn: Der Vater reagierte auf das Gebet von Jesus nicht etwa, indem er den Kelch von ihm genommen hätte, sondern er stärkte Jesus durch einen Engel, damit er den Kelch nehmen und trinken konnte.
    1. Diese beiden Verse – Lukas 22, 43-44 – sind Gegenstand einiger Debatten darüber, ob sie bereits im Urtext enthalten waren. Einige moderne Übersetzungen schließen sie als nicht zum Urtext gehörend aus. Dennoch: „Auch die ältesten bekannten Manuskripte lassen in dieser Frage keinen eindeutigen Schluss zu, sondern bleiben geteilt.“ (Pate)
    2. Vielleicht haben diese Engel die Aufgabe erfüllt, die eigentlich den schlafenden Jüngern zugekommen wäre. John Trapp sagte, dass Jesus diese Hilfestellung empfing, „um zu zeigen, dass er selbst niedriger gemacht worden war als die Engel, Hebräer 2, 7, so empfing er Trost von einem Engel, der sein Diener war.“
  2. Er war in ringendem Kampf und betete inbrünstiger: Jesus betete inbrünstiger in seinem Todeskampf, so sehr, dass sein Schweiß … wie Blutstropfen … auf die Erde fiel. Lukas sagte nicht, dass der Schweiß Jesu Blut war, sondern dass er wie Blut war, entweder weil er von seiner Stirn abfloss oder weil er von den geplatzten Kapillaren und den erweiterten Poren an seiner Stirn mit Blut durchtränkt war.
    1. Sein Schweiß floss so stark, dass es Blut glich, das man auf dem Boden verschüttet hatte.“ (Pate)
    2. Es gab Fälle, in denen Personen aufgrund eines geschwächten körperlichen Zustands oder in großer Panik Schweiß absonderten, der mit Blut vermengt war. Es gibt Fälle, in denen die Poren aufgrund extrem großen psychischen Druckes derart geweitet sind, dass das Blut aus ihnen austreten kann – blutiger Schweiß.“ (Clarke)
    3. Der antike Arzt Galenus berichtet von einem Fall, in dem ein Patient, ausgelöst durch extrem hohen Stress, Schweiß absonderte, der so scharlachrot war, dass es fast sicher Blut gewesen sein muss. Weitere Fälle werden von anderen Medizinern berichtet.“ (Spurgeon)
    4. Betete inbrünstiger: „Er setzte alle Willenskraft daran, ja er lenkte seinen ganzen Geist und sein Gebet darauf, für unsere stumpfsinnigen und einschläfernden Gottesdienste Buße zu tun.“ (Trapp)

3. Jesus warnt seine Jünger

Lukas 22, 45-46

Lukas 22, 45-46
Und als er vom Gebet aufstand und zu seinen Jüngern kam, fand er sie schlafend vor Traurigkeit. Und er sprach zu ihnen: Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt!

  1. Fand er sie schlafend vor Traurigkeit: Auch die Jünger waren von Traurigkeit erfüllt; aber statt zu beten, schliefen sie. Jesus weckte sie und ermutigte sie zu beten.
  2. Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt: Sie waren Nachfolger Jesu, und ihm nachzufolgen würde nun eine Prüfung nach sich ziehen, die sie sich nicht hätten träumen lassen. Jesus ermutigte sie, um ihrer selbst willen zu beten, wobei er an sie und ihr Wohl dachte, und nicht daran, dass sie nicht in der Lage waren, ihn zu unterstützen.

D. Jesu‘ Festnahme und Anklage

1. Jesus wird verraten und verhaftet

Lukas 22, 47-53

Lukas 22, 47-53
Während er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar, und der, welcher Judas hieß, einer der Zwölf, ging vor ihnen her und näherte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Sohn des Menschen mit einem Kuss? Als nun seine Begleiter sahen, was da geschehen sollte, sprachen sie zu ihm: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Und einer von ihnen schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Da antwortete Jesus und sprach: Lasst ab davon! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn. Es sprach aber Jesus zu den obersten Priestern und Hauptleuten des Tempels und zu den Ältesten, die an ihn herangetreten waren: Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und mit Stöcken! Als ich täglich bei euch im Tempel war, habt ihr die Hände nicht gegen mich ausgestreckt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.

  1. Siehe, da kam eine Schar: Die Anzahl der Leute, die geschickt wurden um Jesus festzunehmen, macht deutlich, dass die religiösen Führer es als gefährliches Unterfangen ansahen. Es sollte so durchgeführt werden, dass es zu keiner Gegenwehr, oder gar einem Misserfolg kommen konnte.
    1. Gemäß Johannes 18, 3+12 gehörten auch römische Soldaten zu der Menge.“ (Pate)
    2. Zur Schar gehörten auch die Hauptleute des Tempels (Lukas 22, 52). „Der Hauptmann des Tempels, oder der Segan, wie er genannt wurde, war der Beamte, der für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Tempel verantwortlich war. Die hier erwähnten Hauptleute des Tempels waren seine Untergebenen, die für die Durchführung der eigentlichen Verhaftung Jesu verantwortlich waren.“ (Barclay)
  2. Näherte sich Jesus, um ihn zu küssen: Judas begrüßte Jesus herzlich und gab ihm sogar den üblichen Kuss. Der Kuss war das Erkennungszeichen, damit diejenigen, die gekommen waren um Jesus zu verhaften, wussten, um wen es sich handelt. Anscheinend unterschied sich Jesus äußerlich so wenig von den anderen, dass Judas denen, die Jesus verhaften wollten, ein Zeichen geben musste. Er entschied sich dafür, das mit einem Kuss zu tun.
    1. Wenn ein Schüler einen geliebten Rabbiner traf, legte er seine rechte Hand auf die linke Schulter des Rabbiners und seine linke Hand auf die rechte Schulter und küsste ihn. Es war der Kuss eines Schülers, den er einem geliebten Meister gab, den Judas als Zeichen des Verrats verwendete.“ (Barclay)
  3. Judas, verrätst du den Sohn des Menschen mit einem Kuss? Natürlich war Jesus die Ironie all dessen bewusst, mit einer herzlichen Begrüßung verraten zu werden; deshalb fragte er Judas eigentlich: „Bist du so abgebrüht, dass du küssen und verraten kannst?“ Judas ist ein gutes Beispiel für einen Menschen, der kein Gewissen mehr hat.
    1. Jesus zu verraten war eine schreckliche Sünde und Judas trägt die volle Verantwortung dafür. Doch Gott benutzte das in seiner Weitsicht als den besten Weg, um Jesus in die Hände seiner Widersacher zu geben.
      1. Hätten sie Jesus in einem Kampf gefangen genommen oder wäre Jesus geflohen und hätte sich versteckt, bis sie ihn fanden und gefangen nahmen, würde das zeigen, dass er all das nicht freiwillig tat.
      2. Hätte Jesus sich selbst gestellt, könnte das seine Mörder entschuldigen oder als Selbstmord angesehen werden.
      3. Wäre er aus Zufall in die Hand seiner Feinde gefallen, würde es die volle Wirkung des bitteren Kelchs, den Jesus trinken wollte, abschwächen.
      4. Nein; er musste von seinem Freund verraten werden, um die tiefsten Tiefen des Leidens zu erdulden und dabei musste in jedem einzelnen Abschnitt des Geschehens eine Quelle des Schmerzes verborgen sein.“ (Spurgeon)
  4. Und einer von ihnen schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab: Johannes 18, 10 macht deutlich, dass Petrus dieser namenlose Schwertkämpfer war. Als Petrus die Kraft des Schwertes nutzte, konnte er nur Ohren abschneiden; aber mit der Kraft des Wortes Gottes konnte er Herzen zur Ehre Gottes durchbohren (Apostelgeschichte 2, 37).
    1. Wenn die Kirche das Schwert in die Hand nimmt, zeigt sie für gewöhnlich, dass sie nicht weiß, wie man damit umgeht und am Ende hat sie meist den falschen Mann getroffen.“ (MacLaren)
    2. Lukas identifizierte das Ohr, mit seiner medizinischen Präzision, als ein rechtes Ohr. Angenommen, Petrus war Rechtshänder, dann ist die einzige Möglichkeit, jemandem auf diese Weise das rechte Ohr abzuschneiden, ein Angriff von hinten. Es ist wahrscheinlich – wenn auch nicht sicher -, dass Petrus von hinten angriff.
    3. Jesus stoppte dieses törichte und wirkungslose Blutvergießen, indem er sagte: „Lasst ab davon!“ „Er sagte zu seinen Jüngern, die auf Gewalt zurückgegriffen hatten: ‚Belasst es dabei‘. Umgangssprachlich könnten wir diese Worte auch als ‚Hört auf! Schluss damit!’ wiedergeben.“ (Pate)
  5. Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn: Auch hier war Jesus bereit, das von seinen Jüngern angerichtete Chaos zu beseitigen. Er heilte den von Petrus angerichteten Schaden.
  6. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis: Jesus erklärte, warum er mit den obersten Priestern, den Hauptleuten des Tempels … den Ältesten und den vielen Soldaten ging, die kamen, um ihn zu verhaften. Er hat sich nicht gewehrt, denn jetzt war für Jesus die Zeit gekommen, dass sie ihm das antaten, was sie schon die ganze Zeit hatten tun wollen – ihn verhaften und töten. Von außen betrachtet scheint es ihre Stunde zu sein, nicht die von Jesus.

2. Petrus leugnet, dass er Jesus kennt oder zu ihm gehört

Lukas 22, 54-60

Lukas 22, 54-60
Nachdem sie ihn nun festgenommen hatten, führten sie ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus aber folgte von ferne. Da sie aber mitten im Hof ein Feuer angezündet hatten und beisammensaßen, setzte sich Petrus mitten unter sie. Es sah ihn aber eine Magd beim Feuer sitzen, schaute ihn an und sprach: Auch dieser war mit ihm! Er aber verleugnete ihn und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht! Und bald danach sah ihn ein anderer und sprach: Du bist auch einer von ihnen! Petrus aber sprach: Mensch, ich bin’s nicht! Und nach einer Weile von ungefähr einer Stunde bekräftigte es ein anderer und sprach: Wahrhaftig, der war auch mit ihm; denn er ist ein Galiläer! Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst! Und sogleich, während er noch redete, krähte der Hahn.

  1. Führten sie ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters: Lukas hat die Einzelheiten dieses Verhörs vor dem Hohenpriester Kajaphas und dem eiligst versammelten Sanhedrin nicht aufgezeichnet (Matthäus 26, 57-68). Lukas legt seinen Schwerpunkt auf die offizielle, bei Tageslicht stattfindende Sitzung des Rates (Lukas 22, 66).
    1. Bevor Jesus in das Haus von Kajaphas (dem offiziellen Hohenpriester) kam, wurde er in das Haus von Hannas geführt, der der Vorgänger von Kajaphas und die „graue Eminenz“ hinter dem Hohenpriester war (nach Johannes 18, 12-14 + 19-23).
  2. Petrus aber folgte von ferne: Petrus machte sich Sorgen um Jesus und wollte wissen, was mit ihm geschehen würde. Doch er hatte nicht den Mut sich offen und ehrlich zu Jesus zu bekennen, und deshalb folgte er von ferne. Diese Distanz würde es für Petrus viel schwieriger machen, zu seiner Verbindung zu Jesus zu stehen, wenn er danach gefragt würde.
    1. Der Rest der Jünger floh. Petrus folgte von ferne in der Hoffnung, er könne die Prophezeiung von Jesus widerlegen, dass er ihn verleugnen würde.
  3. Setzte sich Petrus mitten unter sie: Sich an ihrem Feuer wärmend und in der Hoffnung nicht aufzufallen, mischte Petrus sich unter die Diener derer, die Jesus verhaftet und verfolgt hatten. Nachdem er die Gemeinschaft der geflohenen Jünger aufgegeben hatte, wollte Petrus – zu diesem Zeitpunkt – nicht als Nachfolger Jesu erkannt werden.
  4. Er aber verleugnete ihn: Petrus verleugnete Jesus auf mindestens drei verschiedene Arten. Zuerst leugnete Petrus, Jesus überhaupt zu kennen (Frau, ich kenne ihn nicht!), dann leugnete er, ein Nachfolger Jesu zu sein (Mensch, ich bin’s nicht!), und schließlich leugnete er sogar, dass er aus Galiläa stammt (Mensch, ich weiß nicht, was du sagst!).
    1. In Matthäus 26, 74 heißt es, dass Petrus bei der letzten Verleugnung sogar anfing sich zu verfluchen und zu schwören – weil er hoffte, dass sie ihn dann nicht mehr mit Jesus in Verbindung brächten.

3. Jesus schaut Petrus an, und Petrus erinnert sich an das, was Jesus zu ihm gesagt hatte

Lukas 22, 61-62

Lukas 22, 61-62
Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Da erinnerte sich Petrus an das Wort des Herrn, das er zu ihm gesprochen hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen! Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

  1. Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an: Als der Hahn krähte, sah Jesus durch die Menge um ihn herum, und er sah Petrus in die Augen. Petrus wurde sich sofort seiner Sünde bewusst. Nicht nur, dass er Jesus verleugnet hatte, er erkannte auch seinen Stolz, der ihn glauben ließ, er könne ihn niemals verleugnen.
    1. Das altgriechische Wort für ansehen „bedeutet gewöhnlich ein Ansehen voller Interesse, Liebe oder Sorge.“ (Liefeld)
  2. Da erinnerte sich Petrus an das Wort des Herrn: Traurigerweise erinnerte er sich zu spät daran – nachdem er gesündigt hatte. In diesem Moment war die einzige Reaktion von Petrus, dass er bitterlich weinte – und doch sollte er wieder ganz der Alte werden.
    1. Es war richtig, dass er in diesem Augenblick bitterlich weinte, aber noch war nicht alle Hoffnung von ihm gewichen. Genau wie die Verheißung Jesu eintraf, dass Petrus ihn verleugnen würde, so würde auch die Verheißung zutreffen, dass sein Glaube nicht aufhöre (Lukas 22, 32). Petrus fiel, war aber nicht abgefallen.

4. Jesus wird geschlagen und verspottet

Lukas 22, 63-65

Lukas 22, 63-65
Die Männer aber, die Jesus festhielten, verspotteten und misshandelten ihn; und nachdem sie ihn verhüllt hatten, schlugen sie ihn ins Angesicht und fragten ihn und sprachen: Weissage uns, wer ist’s, der dich geschlagen hat? Und viele andere Lästerungen sprachen sie gegen ihn aus.

  1. Die Männer aber, die Jesus festhielten, verspotteten und misshandelten ihn: Lukas hat die Geschehnisse dieses ersten, nächtlichen Prozesses gegen Jesus vor dem Hohenpriester und dem eilig versammelten Sanhedrin nicht aufgezeichnet (Matthäus 26, 57-68). Er hielt jedoch fest, was unmittelbar nach diesem Prozess geschah – dass Jesus von den religiösen Anführern verspottet und geschlagen wurde.
  2. Nachdem sie ihn verhüllt hatten, schlugen sie ihn ins Angesicht: Blind ertrug Jesus diese Ohrfeigen und Schläge unter Schmerzen, möglicherweise auch mit einer Gehirnerschütterung. Matthäus 26, 67 und Markus 14, 65 berichten, dass ihm auch ins Gesicht gespuckt wurde.
    1. Man könnte glauben, dass sie das getan haben, weil sie nicht wussten, wer er war. Das ist in gewisser Hinsicht wahr, denn sie wollten sich nicht eingestehen, dass er tatsächlich der Messias und der Sohn Gottes war. Doch in anderer Hinsicht ist es ganz und gar nicht wahr, denn der Mensch ist von Natur aus ein Feind Gottes (Römer 5, 10; Kolosser 1, 21). Lange Zeit wartete der Mensch darauf, Gott buchstäblich zu schlagen, zu ohrfeigen und ihm ins Gesicht zu spucken.
      1. Die Allmacht muss gefangen gehalten und ihre Herrlichkeit verspottet werden.
      2. Das Gute muss verletzt, geschlagen, zerschlagen, und angegriffen werden.
      3. Die Allwissenheit muss den Eindruck erwecken, blind zu sein.
      4. Das Gesicht der vollkommenen Liebe Gottes muss geschlagen und verletzt werden.
      5. Die göttliche Gerechtigkeit muss Widerstand erfahren.
    2. Darum musste Gott sein herrliches Werk vollbringen; und doch war die Sündhaftigkeit des Menschen für alle offensichtlich.
      1. Sie meinten die Sünde sei ein Spiel.
      2. Sie empfanden die Grausamkeit der Sünde als köstlich.
      3. Sie stellten fest, dass sich die Sünde vervielfacht.
  3. Weissage uns, wer ist’s, der dich geschlagen hat? Wenn Jesus aus seinen Quellen göttlicher Macht und Autorität schöpfen würde, könnte er genau sagen, wer ihn geschlagen hat. Jesus konnte auch alles sagen, was es über diesen Mann zu wissen gab. Doch bei all dem weigerte sich Jesus, auf die Quellen seiner göttlichen Macht und Autorität zurückzugreifen, und stellte sich dem Ganzen Szenario stattdessen als Mensch, der vom Geist gestärkt wurde.
    1. „Aber genau das, was sie verspotteten, nämlich die prophetische Fähigkeit Jesu, war gerade in der vorhergehenden Szene ironischerweise bestätigt worden: Petrus verleugnete seinen Herrn dreimal, genau wie Jesus es vorausgesagt hatte.“ (Pate)
    2. Es war wichtig für Jesus, sich diesem Missbrauch zu stellen, auch wenn es für ihn schmerzhaft war, dies zu ertragen, und es für seine Nachfolger schmerzhaft ist, darüber nachzudenken.
      1. Es war wichtig zu zeigen, dass die richtige Antwort auf Hass nicht noch mehr Hass, sondern Liebe ist.
      2. Es war wichtig zu zeigen, dass er Gott, dem Vater vertraute. Gott würde ihn rechtfertigen, ohne dass er sich selbst verteidigen müsste.
      3. Es war wichtig, damit die Missbrauchten und Gedemütigten Zuflucht bei einem Gott finden können, der das kennt, was sie durchmachen.
    3. Ich muss ihn auch als Sieger bezeichnen. Seine Peiniger konnten ihn nicht dazu bringen, dem Zorn nachzugeben. Sie konnten seine Barmherzigkeit nicht zerstören; sie konnten seine Liebe nicht töten; sie konnten ihn nicht dazu bringen, an sich selbst zu denken. Sie konnten ihn jetzt, da die Menschen anfingen, ihn zu verspotten, zu schlagen und zu misshandeln, nicht dazu bringen, sein Werk zur Rettung von Sündern aufzugeben.“ (Spurgeon)

5. Der zweite Prozess von Jesus vor dem Hohen Rat

Lukas 22, 66

Lukas 22, 66
Und als es Tag geworden war, versammelten sich die Ältesten des Volkes, die obersten Priester und Schriftgelehrten, und führten ihn vor ihren Hohen Rat; und sie sprachen:

  1. Und als es Tag geworden war: In der Nacht seines Verrats und am Tag seiner Kreuzigung stand Jesus tatsächlich mehrmals vor Gericht, vor verschiedenen Richtern. Der Ablauf der Ereignisse lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
    1. Jesus wurde zuerst in das Haus von Hannas, dem ehemaligen Hohenpriester und der „grauen Eminenz“ hinter dem Hohenpriester gebracht (Johannes 18, 12-14; 19, 23).
    2. Dann wurde Jesus in das Haus von Kajaphas gebracht, dem amtierenden Hohenpriester. Dort wurde er noch in der Nacht vor einer spontan einberufenen Versammlung des Sanhedrins vor Gericht gestellt (Matthäus 26, 57-68), als falsche Zeugen vor den Rat gebracht wurden und der Hohepriester verlangte, von Jesus zu erfahren, ob er der Sohn Gottes sei. Auf diese Frage antwortete Jesus: „Du hast es gesagt! Überdies sage ich euch: Künftig werdet ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen auf den Wolken des Himmels! Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: Er hat gelästert! Was brauchen wir weitere Zeugen? Siehe, nun habt ihr seine Lästerung gehört. Was meint ihr? Sie antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig!“ (Matthäus 26, 64-66)
    3. Danach begannen die in Lukas 22, 63-65 beschriebenen Handgreiflichkeiten.
    4. Und als es Tag geworden war, versammelte sich der Hohe Rat wieder, diesmal in offizieller Sitzung, und sie führten den in Lukas 22, 66-71 beschriebenen (und in Matthäus 27, 1-2 erwähnten) Prozess.
  2. Die Ältesten des Volkes, die obersten Priester und Schriftgelehrten … führten ihn vor ihren Hohen Rat: Diese erneute Sitzung des Hohen Rates am Tag war notwendig, weil der in Matthäus 26, 57-68 beschriebene Nachtprozess mit Blick auf die eigenen Gesetze und Vorschriften des Hohen Rates illegal war.
    1. Nach jüdischem Recht mussten alle Strafprozesse bei Tageslicht beginnen und enden. Dieser zweite Prozess war notwendig, weil sie wussten, dass der erste – der eigentliche Prozess – rechtswidrig war.
    2. Nach jüdischem Recht waren nur die am offiziellen Versammlungsort getroffenen Entscheidungen gültig. Der erste Prozess fand im Haus des Hohenpriesters Kajaphas statt und so beriefen sie diesen Prozess ein, der vor ihrem Hohen Rat stattfand.
    3. Nach jüdischem Recht konnten während des Passahfestes keine Strafverfahren durchgeführt werden.
    4. Nach jüdischem Recht konnte am Tag der Verhandlung nur ein Freispruch ausgesprochen werden; Schuldsprüche durften erst nach einer Nacht ergehen, damit Mitgefühl aufkommen konnte.
    5. Nach jüdischem Recht mussten alle Beweise durch zwei Zeugen bestätigt werden, die getrennt voneinander befragt wurden und keinen Kontakt zueinander haben durften.
    6. Nach jüdischem Recht wurde für eine falsche Zeugenaussage die Todesstrafe verhängt. Die vielen falschen Zeugen, die im Prozess gegen Jesus auftraten, werden jedoch nicht verfolgt.
    7. Nach jüdischem Recht begann ein Prozess immer damit, dass die Beweise für die Unschuld des Angeklagten vorgelegt wurden, bevor die Beweise auf den Tisch kamen, die dafürsprachen, dass er schuldig war. Dies war hier nicht der Fall.
    8. Das ganze Verfahren war auf Gnade angelegt; doch selbst aus dem gekürzten Bericht von Lukas geht hervor, dass der Sanhedrin als er sich mit dem Fall von Jesus auseinandersetzte, weit davon entfernt war, seinen eigenen Regeln und Vorschriften gerecht zu werden.“ (Barclay)

6. Jesus wird bei seinem zweiten Prozess vor dem Rat befragt

Lukas 22, 67-71

Lukas 22, 67-71
Bist du der Christus? Sage es uns! Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich es euch sagte, so würdet ihr es nicht glauben; wenn ich aber auch fragte, so würdet ihr mir nicht antworten, noch mich loslassen. Von nun an wird der Sohn des Menschen sitzen zur Rechten der Macht Gottes. Da sprachen sie alle: Bist du also der Sohn Gottes? Er aber sprach zu ihnen: Ihr sagt es, denn ich bin es! Da sprachen sie: Was brauchen wir ein weiteres Zeugnis? Denn wir haben es selbst aus seinem Mund gehört!

  1. Bist du der Christus? Sage es uns! Sie wollten von Jesus selbst hören, ob er behauptete, der Messias zu sein. Auch das war alles nur eine Formalität, denn sie hatten das Urteil über Jesus bereits mit dem illegalen Prozess in der Nacht zuvor gefällt (Matthäus 26, 57-68), in dem im Wesentlichen dieselbe Frage gestellt wurde (Matthäus 26, 63).
  2. Wenn ich es euch sagte, so würdet ihr es nicht glauben: Angesichts der Umstände – dass Jesus bereits für schuldig befunden worden ist und der vorliegende Prozess nur eine Show war – war dies die perfekte Antwort. Sie taten so, als seien sie unvoreingenommen und stellten aufrichtige Fragen, aber das stimmte nicht – es war nur vorgetäuscht.
  3. Von nun an wird der Sohn des Menschen sitzen zur Rechten der Macht Gottes: Das war im Wesentlichen dieselbe Antwort, die Jesus dem Hohenpriester in dem früheren Prozess gegeben hatte (Matthäus 26, 64). Jesus warnte sie, dass sie zwar jetzt über ihn zu Gericht säßen, er jedoch eines Tages über sie zu Gericht sitzen würde – und zwar mit einem weitaus gewichtigeren Urteil.
    1. Von nun an: „‘Von nun an!‘ ‚Von nun an!‘ Oh, wenn dieser Moment kommt, wie überwältigend wird er für die Feinde Jesu sein! Wo ist nun Kajaphas? Wird er nun den Herrn beschwören, zu sprechen? Na los, ihr Priester, erhebt eure hochnäsigen Häupter! Verhängt jetzt ein Urteil gegen ihn! Da sitzt euer Opfer auf den Wolken des Himmels. Sagt nun, dass er Gott lästert, und haltet eure zerrissenen Lumpen hoch, und verurteilt ihn erneut. Aber wo ist Kajaphas? Er verbirgt sein schuldiges Haupt, er ist völlig bestürzt und fleht die Berge an, dass sie auf ihn fallen mögen.“ (Spurgeon)
    2. Macht Gottes: „Die Macht ist ein typischer jüdischer, ehrfurchtsvoller Ausdruck, um zu vermeiden, den heiligen Namen Gottes auszusprechen (was Jesus der Anklage der Gotteslästerung hätte aussetzen können, obwohl es ironischerweise genau diese Anklage war, aufgrund derer er verurteilt wurde, Matthäus 26, 65!)“ (France)
  4. Was brauchen wir ein weiteres Zeugnis? In diesem am Tag stattfindenden Prozess unternahmen sie keine Anstrengungen, um Zeugen zu finden die Jesus belasteten, weil die Zeugen des in der Nacht einberufenen Prozesses sich in hoffnungslose Widersprüche verstrickt hatten (Matthäus 26, 59-60). Deshalb vermieden sie es, in diesem am Tag stattfindenden Prozess, Zeugen auftreten zu lassen.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

Pin It on Pinterest