Offenbarung 1 – Einführung; Eine Vision von Jesus

A. Einleitung und Prolog zum Buch der Offenbarung

1. Der Autor des Buches der Offenbarung

Offenbarung 1, 1-2

Offenbarung 1, 1-2
Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, um seinen Knechten zu zeigen, was rasch geschehen soll; und er hat sie bekannt gemacht und durch seinen Engel seinem Knecht Johannes gesandt, der das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt hat und alles, was er sah.

  1. Offenbarung Jesu Christi: Das Wort Offenbarung kommt vom altgriechischen Wort apokalupsis (Apokalypse). Das Wort bedeutet ‚Offenbarung, Enthüllung‘. Das Buch der Offenbarung ist also die Offenbarung von und über Jesus Christus. Das heißt, dass Jesus selbst uns etwas zeigen möchte, und dass die Offenbarung uns etwas über Jesus zeigen möchte.
    1. Gleich am Anfang werden uns die wichtigsten Themen des Buches der Offenbarung mitgeteilt. Es zeigt uns den Antichristen, Gottes Gericht, das Elend auf der Erde, und das mystische Babylon in anschaulichen Einzelheiten. Vor allem aber ist das Buch der Offenbarung für uns die Offenbarung Jesu Christi. Wenn wir alles andere verstehen, aber Jesus in diesem Buch übersehen, dann verpassen wir die Bedeutung des gesamten Buches der Offenbarung.
    2. Wie sehr wir doch eine Offenbarung Jesu brauchen! „Der große Fehler vieler Professoren ist, dass Christus für sie nur eine Gestalt auf dem Papier ist; mehr als ein Mythos natürlich, aber dennoch eine Person aus der düsteren Vergangenheit. Jesus ist für sie eine historische Persönlichkeit, die vor vielen Jahren lebte und bewundernswerte Taten vollbrachte, durch die wir gerettet werden. Aber er ist für sie keine lebendige, gegenwärtige, klare Wirklichkeit.“ (Spurgeon)
  2. Die Gott ihm gegeben hat, um seinen Knechten zu zeigen: Dies ist ein wichtiger Grund, warum Gott uns diese Offenbarung Jesu Christi gegeben hat. Er hat sie gegeben, um seinen Knechten etwas zu zeigen. Gott gab diese Offenbarung, damit sie für uns sichtbar ist und nicht verborgen bleibt. Und genau das ist eine Apokalypse – eine Offenbarung, nicht etwas Verborgenes (Apokryphe).
  3. Was rasch geschehen soll: Hier wird beschrieben, wann die Ereignisse dieses Buches geschehen werden – sie werden rasch, also bald, stattfinden, und sie sollen rasch stattfinden. Das bedeutet, dass das Buch der Offenbarung ein Buch der voraussagenden Prophezeiung ist. Es spricht von Dingen, die in der Zukunft geschehen werden. Das bedeutet in der Zeit, die für den Autor in der Zukunft lag.
    1. Nicht alle Prophezeiungen sagen die Zukunft voraus, aber dieses prophetische Buch ist eindeutig voraussagend. Es beschreibt Dinge, die rasch geschehen sollen. Die Zeit für die Erfüllung dieser Dinge ist nahe (Offenbarung 1, 3), aber als die Offenbarung geschrieben wurde, war diese Zeit noch nicht gekommen.
    2. Einige würden sagen, dass wir uns nicht mit Prophetie befassen sollten, weil Prophezeien eine sinnlose Übung ist – aber wenn Gott selbst von Prophetie geredet hat, dann sollten wir das auch tun und ihm zuhören. „Manche sagen, dass das, was noch in der Zukunft liegt, erst dann untersucht werden sollte, wenn es schon geschehen ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das ernst gemeint ist.“ (Seiss)
  4. Rasch geschehen: rasch ist ein relativer Begriff. Es geht hier um Gottes Zeitplan, nicht um die menschliche Zeitrechnung. Dennoch steht die Menschheit seit 2000 Jahren kurz vor der Vollendung aller Dinge, als laufe sie sehr langsam aber stetig auf das Ende zu.
    1. Rasch: kommt von der altgriechische Redewendung en tachei, und bedeutet „‘schnell oder plötzlich eintretend‘. Damit weist rasch darauf hin, dass etwas, nachdem es begonnen hat, schnell und plötzlich ausgeführt wird. Es bedeutet also nicht, dass das Ereignis bald eintreten wird, sondern dass es, wenn es eintritt, plötzlich kommen wird.“ (Walvoord)
  5. Und er hat sie bekannt gemacht und durch seinen Engel seinem Knecht Johannes gesandt: Hier wird beschrieben, wie die Botschaft des Buches der Offenbarung überliefert wurde. Die Offenbarung ist ein Buch der Zeichen und Bilder: Der Engel hat Johannes diese Zeichen und Bilder bekannt gemacht. Es ist ein Buch, das durch Zeichen kommuniziert.
    1. Es stimmt, dass die in der Offenbarung verwendeten Zeichen bei Lesern immer wieder für Verwirrung oder Kontroversen sorgen. Dennoch sind diese Zeichen notwendig, weil Johannes hier himmlische Dinge ausdrückt, von denen auch Paulus sagte, er habe sie mit unaussprechlichen Worten gehört (2. Korinther 12, 4). Johannes beschrieb Dinge, die er gesehen hat, deshalb war es ihm auch nur möglich diese Dinge mit Bildern zu erklären. Für uns ist dieses Buch eine Prophezeiung der Zukunft, aber Johannes hat einfach aufgeschrieben, wie sich das, was er sah vor ihm entfaltete. „Johannes hatte Visionen vom Himmel; aber er beschrieb sie in seiner eigenen Sprache und Weise.“ (Clarke)
    2. Die Zeichen sind auch deshalb notwendig, weil die Symbolsprache eine enorme Kraft besitzt. Es ist eine Sache, jemanden oder etwas als böse oder schlecht zu bezeichnen, aber es ist weitaus anschaulicher, das Bild einer Frau zu beschreiben, die vom Blut der Heiligen berauscht ist (Offenbarung 17, 6).
    3. Obwohl das Buch der Offenbarung voller Zeichen ist, ist es für diejenigen zugänglich, die auch ein Verständnis für die restlichen 65 Bücher der Bibel (insbesondere die 39 Bücher des Alten Testaments) entwickelt haben. Das Buch der Offenbarung hat seine Wurzeln im Alten Testament. Es enthält mehr als 500 Anspielungen auf Texte des Alten Testaments, und 278 der 404 Verse in der Offenbarung (das sind fast 70%) nehmen in gewisser Weise Bezug auf das Alte Testament.
  6. Durch seinen Engel seinem Knecht Johannes: Dies sagt uns, wer das Buch der Offenbarung geschrieben hat. Es war sein (also Gottes) Knecht Johannes, und die meisten Beweise deuten darauf hin, dass damit der Apostel Johannes gemeint ist, der, der auch das Johannes-Evangelium und den 1., 2. und 3. Brief des Johannes geschrieben hat.
    1. Durch seinen Engel: Viele der Zeichen und Bilder der Offenbarung wurden Johannes unter der Aufsicht eines Engels offenbart. (Einige Beispiele dafür sind Offenbarung 5, 2; 7, 2; 10, 8 bis 11, 1 und 17, 7).
  7. Der das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt hat und alles, was er sah: In diesem Abschnitt sehen wir, dass Johannes wusste, dass das Buch, dass die Worte, die er schrieb, die Heilige Schrift, das Wort Gottes waren. Wir fragen uns manchmal, ob die apostolischen Autoren des Neuen Testaments wussten, dass sie die Heilige Schrift schrieben. Zumindest in diesem Fall wusste Johannes es.
    1. Er wusste, dass es die Heilige Schrift war, weil er sie eine Offenbarung Gottes nannte. Er wusste, dass sie vom Vater durch Jesus, und nicht von einem gewöhnlichen Menschen kam.
    2. Dass Johannes die Worte, die er im Buch der Offenbarung schrieb, als Wort Gottes bezeichnete, macht deutlich, dass er wusste, dass diese Worte zur Heiligen Schrift gehörten. Das schließen wir daraus, dass auch die Propheten des Alten Testaments die Heilige Schrift als Wort Gottes bezeichneten. Außerdem nannte Johannes seine Worte auch das Zeugnis Jesu Christi.

2. Ein Segen für den Leser und Hüter dieses Buches

Offenbarung 1, 3

Offenbarung 1, 3
Glückselig ist, der die Worte der Weissagung liest, und die sie hören und bewahren, was darin geschrieben steht! Denn die Zeit ist nahe.

  1. Glückselig ist, der … liest … und bewahrt, was darin geschrieben steht: Das Buch der Offenbarung bietet denen, die seine Botschaft lesen und bewahren, einen besonderen und einzigartigen Segen bzw. Glückseligkeit. Dies ist die erste der sieben Seligpreisungen der Offenbarung (Offenbarung 1, 3; 14, 13; 16, 15; 19, 9; 20, 6; 22, 7 und 22, 14).
    1. Viele Menschen verpassen diesen Segen, weil sie das Buch Offenbarung nicht ganz so wichtig nehmen. Zum Beispiel lässt die anglikanische Kirche die Offenbarung in ihrem regelmäßigen Leseprogramm sowohl für öffentliche Gottesdienste als auch für private Andachten praktisch aus. Diese Haltung gegenüber dem Buch der Offenbarung gibt es sehr oft. Viele Menschen glauben, dass nur Fanatiker tief in diesem Buch graben wollen, aber in Wirklichkeit ist es ein Buch für jeden, der gesegnet werden möchte.
    2. Glücklicherweise hat Johannes nicht gesagt, dass wir alles was im Buch der Offenbarung steht verstehen müssen, um gesegnet zu werden. Es gibt einige schwierige Dinge in diesem Buch, die nur verstanden werden können, wenn wir später auf sie zurückschauen, wenn die Prophezeiungen bereits erfüllt sind; trotzdem können wir durch das Lesen und Hören des Buches gesegnet werden, auch wenn wir es nicht vollständig verstehen.
  2. Glückselig ist, der … liest … und bewahrt, was darin geschrieben steht: Auch diese Worte zeigen uns, dass Johannes glaubte, das Buch der Offenbarung sei ein Teil der Heiligen Schrift. Erstens zeigen die Worte, der … liest und die sie hören, dass dieses Buch dazu bestimmt war, öffentlich gelesen und damit eben auch gehört zu werden. Genau dies war auch bei anderen Büchern, die als die Heilige Schrift akzeptiert waren der Fall. Zweitens war es in der jüdischen Welt ganz klar, dass ein solcher Segen, wie Ihn Johannes denen verspricht, die die Offenbarung lesen und hören, niemals durch ein rein menschliches Buch gegeben werden kann.
    1. All dies zeigt, dass das Buch der Offenbarung ohne Zweifel den Anspruch erhebt, die Heilige Schrift zu sein. Ein Kritiker kann dieser Behauptung zustimmen oder ihr widersprechen, aber es ist offensichtlich, dass die Offenbarung zumindest diesen Anspruch erhebt.
  3. Und bewahren, was darin geschrieben steht: Das Buch der Offenbarung gibt uns weitaus mehr als Informationen für prophetische Spekulationen. Es gibt uns Dinge, die wir bewahren sollen. Wenn wir das Buch der Offenbarung verstehen, wird es unsere Lebensweise verändern.
  4. Derjenige, der … liest: Hier schreibt Johannes in der Einzahl. Er spricht von einer Person, die liest. „Diejenigen, die … hören“ steht im Plural. Er spricht also von vielen Menschen, die hören. Der Gedanke stammt wahrscheinlich aus dem Brauch der frühen Gemeinde, die Heilige Schrift öffentlich vorzulesen und gleich im Anschluss ihre Bedeutung zu erklären. In unserer modernen Redeweise könnte Johannes sagen: „Gesegnet ist der Pastor, der das Buch der Offenbarung lehrt, und gesegnet ist die Gemeinde, die der Lehre zuhört.“ Vor allem aber, egal ob Pastor oder Gemeinde, gesegnet sind diejenigen, die das bewahren, was in der Schrift geschrieben steht.
    1. „Wir müssen den Worten dieser Prophezeiung nicht nur gerecht werden, sondern auch für sie sterben und damit zufrieden sein, mit ihnen verbrannt zu werden, wenn wir dazu berufen sind; wie jener heilige Märtyrer, der, als er sah, wie die Offenbarung zusammen mit ihm ins Feuer geworfen wurde, ausrief: ‚Oh selige Offenbarung, wie glücklich bin ich, in deiner Gesellschaft verbrannt zu werden!´“ (Trapp)

3. Da es so viele Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Buches der Offenbarung gibt, ist es hilfreich, die vier grundlegenden Ansätze zu kennen, die Menschen im Laufe der Jahrhunderte benutzt haben, um die Offenbarung zu verstehen

  1. Die präteristische Sichtweise: Dieser Ansatz geht davon aus, dass sich die Offenbarung nur mit der Gemeinde zur Zeit des Johannes befasst hat. Im präteristischen Ansatz sagt die Offenbarung nichts voraus. Johannes beschrieb lediglich Ereignisse seiner eigenen Zeit, aber er legte sie in einen symbolischen Code, so dass diejenigen außerhalb der christlichen Familie seine Kritik an der römischen Regierung nicht verstehen konnten. Nach Ansicht der Präteristen war das Buch der Offenbarung für die damalige Zeit bestimmt.
  2. Die historizistische Sichtweise: Dieser Ansatz glaubt, dass die Offenbarung ein weitreichendes, ungeordnetes Gesamtbild der Kirchengeschichte ist. Beim historizistischen Ansatz sagt die Offenbarung die Zukunft voraus, aber die Zukunft des ‚Kirchenzeitalters‘ – nicht die Zukunft der endzeitlichen Ereignisse. Nach der Auffassung des Historizismus ist die Offenbarung voller Symbole, die das Jetzt beschreiben.
    1. Zum Beispiel nannten viele der Reformatoren den Papst das Tier aus Offenbarung Kapitel 13, aber sie wollten nicht unbedingt glauben, dass das Ende sehr nahe war. So glaubten sie, dass die Offenbarung von ihrer Zeit sprach, ohne notwendigerweise von der Endzeit zu sprechen.
  3. Die poetische Sichtweise: Dieser Ansatz geht davon aus, dass die Offenbarung ein Buch voller Bilder und Symbole ist, das verfolgte Christen zur Zeit des Johannes ermutigen und trösten sollte. In der poetischen oder allegorischen Sichtweise ist das Buch der Offenbarung nicht wörtlich oder historisch zu verstehen. Die Offenbarung ist ein Buch mit einer persönlicher Bedeutung.
  4. Die futuristische Sichtweise: Dieser Ansatz geht davon aus, dass sich die Offenbarung, beginnend mit Kapitel vier, mit der Endzeit befasst, der Zeit unmittelbar vor der Wiederkunft Jesu. In der futuristischen Sichtweise ist die Offenbarung ein Buch, das hauptsächlich die Endzeit beschreibt.
  5. Welcher Ansatz ist richtig? Jeder Ansatz ist in gewisser Hinsicht richtig. Das Buch der Offenbarung befasst sich mit der Zeit des Johannes. Es befasst sich aber auch mit der Kirchengeschichte. Und es hat eine Bedeutung für unser persönliches Leben. Während also gewisse Elemente der ersten drei Ansätze durchaus ihren Platz haben, können wir die offensichtliche futuristische Bedeutung der Offenbarung auf keinen Fall leugnen. Wir wissen, dass das Buch der Offenbarung in aller Deutlichkeit über die Endzeit spricht, weil Offenbarung 1, 1-3 zwei entscheidende Grundaussagen trifft.
    1. Erstens glauben wir, dass das Buch der Offenbarung etwas bedeuten muss. Es ist ein Buch, das Jesus seinen Dienern gab, um ihnen etwas zu zeigen. Es ist kein Buch voll bedeutungslosem Unsinn. Es verspricht uns Segen, keine Verwirrung.
    2. Zweitens glauben wir, dass die Offenbarung definitiv den Anspruch erhebt, vorhersagende Prophezeiungen zu enthalten. Johannes hat es deutlich gemacht: Dinge, die in Kürze geschehen müssen … die Zeit ist nahe. Johannes schrieb über Ereignisse, die für ihn noch in der Zukunft lagen.

B. Begrüßung

1. Ein Gruß der Gnade und des Friedens

Offenbarung 1, 4-5a

Offenbarung 1, 4-5a
Johannes an die sieben Gemeinden, die in Asia sind: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der ist und der war und der kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen aus den Toten und dem Fürsten über die Könige der Erde.

  1. An die sieben Gemeinden, die in Asia sind: Dieser Brief war ursprünglich an sieben ausgewählte Gemeinden in Asia gerichtet. Hier ist die Rede von der römischen Provinz Asia, also dem westlichen Teil der heutigen Türkei.
  2. Von dem, der ist und der war und der kommt: Johannes grüßt den Leser mit einem Gruß von Gott dem Vater, der mit dem Titel „der ist und der war und der kommt“ bezeichnet wird. Dabei spricht er gleichzeitig vom ewigen Wesen Gottes. Der Gedanke der sich dahinter verbirgt, ist der eines zeitlosen Wesens, mit dem Namen Jahwe, den man im Alten Testament findet (2. Mose 6, 3; 17, 15).
    1. Der Satzbau von der ist, der war und der kommt, ist im Altgriechischen absichtlich umständlich gewählt. Es scheint so, als hätte Johannes nach einem Satz gesucht, um das alttestamentliche Bild von Jahwe zu vermitteln.
    2. Es reicht nie aus, einfach zu sagen, dass Gott ist, oder dass er war, oder kommen wird. Als Herr über die Ewigkeit herrscht er über alle drei Zeiten: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
    3. Der ist und der war und der kommen wird: beschreibt nicht nur Gott den Vater, sondern bezieht sich auch direkt auf die Dreieinigkeit, also auf Gott, den Vater, Gott den Sohn, und Gott, den Heiligen Geist. Tatsächlich beschreibt der Titel Jahwe den dreieinigen Gott, den einen Gott in drei Personen. Es scheint jedoch, dass Johannes sich mit dem Titel der ist und der war und der kommen wird auf Gott den Vater konzentrierte, weil er in den folgenden Worten dieses Verses nochmal ausdrücklich Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist erwähnt.
  3. Von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind: Johannes grüßt den Leser mit einem Gruß von Gott dem Heiligen Geist, den er mit dem Titel „die sieben Geister, die vor seinem Thron sind“ beschreibt. Damit spricht er die Perfektion und die Vollkommenheit des Heiligen Geistes an. Johannes verwendete hier eine alttestamentliche Beschreibung des Heiligen Geistes.
    1. Das Bild der sieben Geister stammt aus einem Bibelvers aus dem Alten Testament. Jesaja 11, 2 beschreibt sieben Aspekte des Heiligen Geistes: Der Geist des Herrn soll auf ihm ruhen, der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Macht, der Geist der Erkenntnis und der Furcht vor dem Herrn. Es ist nicht so, dass es sieben verschiedene Geister Gottes gibt, vielmehr hat der Geist des Herrn, also der Heilige Geist, diese Eigenschaften, und er hat sie in Vollkommenheit und Perfektion.
  4. Von Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen aus den Toten und dem Fürsten über die Könige der Erde: Johannes grüßt den Leser mit einem Gruß von Gott, dem Sohn, den er dadurch beschreibt, was er ist und was er getan hat.
    1. Jesus ist der treue Zeuge: Dies spricht für die absolute Zuverlässigkeit und Treue Jesu gegenüber seinem Vater und seinem Volk bis in den Tod. Das altgriechische Wort das hier mit Zeuge übersetzt ist, ist auch das Wort für Märtyrer.
    2. Jesus ist der Erstgeborene aus den Toten: Dies spricht für die Vorrangstellung Jesu unter allen Wesen. Er steht an erster Stelle. Erstgeboren aus den Toten bedeutet viel mehr als die Tatsache, dass Jesus die erste auferstandene Person war. Es bedeutet auch, dass er unter all denen, die auferstanden sind oder auferstehen werden, an erster Stelle steht, also der Größte und Wichtigste ist. Jesus ist der Erstgeborene unter vielen Brüdern (Römer 8, 29).
    3. Die Verwendung des Wortes Erstgeborener bedeutet nicht, dass Jesus ein Geburtsdatum hatte und daher ein geschaffenes Wesen und nicht Gott ist. Die alten Rabbiner, also die Lehrer der Juden, nannten Jahwe selbst ‚Erstgeborener der Welt‘ (Rabbi Bechai, zitiert aus Lightfoot‘s Kommentar des Kolosserbriefs). Die Rabbiner benutzten den Erstgeborenen auch als messianischen Titel. „Gott sagte: ‚Wie ich Jakob zum Erstgeborenen machte (2. Mose 4, 22), so werde ich auch den König Messias zum Erstgeborenen machen‘ (Psalm 89, 27).“ (R. Nathan in Schemoth Rabba, von Lightfoot in seinem Kommentar über den Kolosserbrief zitiert)
    4. Jesus ist der Fürst über die Könige der Erde. Bevor die Ereignisse aus dem Buch der Offenbarung zu Ende gehen, wird Jesus die Herrschaft über jeden irdischen König übernehmen. Gegenwärtig herrscht Jesus schon über ein Königreich, aber es ist ein Königreich, das noch nicht von dieser Welt ist.
  5. In diesem Grußwort mit der gezielten Erwähnung jeder einzelnen Person der Dreieinigkeit sehen wir, wie das Neue Testament die Lehre von der Dreifaltigkeit darstellt. Es stellt sie nicht in einer ‚systematischen Theologie‘ dar. Es webt einfach die Wahrheit der Dreifaltigkeit – dass es einen Gott in drei Personen gibt – durch den gesamten Stoff des Neuen Testaments.

2. Ein Loblied auf Jesus

Offenbarung 1, 5b-6

Offenbarung 1, 5b-6
Ihm, der uns geliebt hat und uns von unseren Sünden gewaschen hat durch sein Blut, und uns zu Königen und Priestern gemacht hat für seinen Gott und Vater –
Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

  1. Ihm, der uns geliebt hat: Was für ein schöner Titel für Jesus! Wenn ‚lieben‘ in der Vergangenheitsform verwendet wird, weist es auf eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort hin, wo Jesus uns geliebt hat. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass hier in vielen Übersetzungen der uns liebt steht (wie HFA, GNB und NLB), aber es hat etwas Schönes, wenn es in der Vergangenheit steht. Es zeigt den Blick zurück auf das Kreuz. Jeder Gläubige sollte sich der Liebe Gottes sicher sein, und das nicht aufgrund seiner gegenwärtigen Umstände (die schwierig sein können), sondern aufgrund des endgültigen Liebesbeweises am Kreuz. Das verdeutlicht uns, wie sehr Jesus unser Lob gebührt.
    1. Paulus hat es in Römer 5, 8 so formuliert: Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Das Werk Jesu am Kreuz für uns ist Gottes endgültiger Beweis seiner Liebe für Dich. Er mag zusätzliche Beweise anbieten, aber er kann keinen größeren Beweis liefern.
    2. Kein Wunder, dass sich viele Gläubige nicht sicher sind, ob Jesus sie wirklich liebt – sie schauen auf ihre gegenwärtigen Umstände, um seine Liebe zu messen. Stattdessen müssen sie auf das Kreuz zurückblicken, um die Frage ob Jesus sie liebt ein für alle Mal klären und Jesus loben und preisen, Ihn, der uns geliebt hat.
  2. Und uns von unseren Sünden gewaschen hat durch sein Blut: Das geschah, als Jesus uns am Kreuz seine Liebe bewies. Er hat uns … gewaschen – er hat uns vom tiefen Schmutz der Sünde gereinigt, sodass wir wirklich rein vor Ihm sind. Deswegen gebührt Jesus unser Lob.
    1. Wenn wir unsere eigene tiefe Sündhaftigkeit verstehen, scheint dies fast zu schön, um wahr zu sein. Wir können vollkommen rein vor Gott stehen – reingewaschen von den dunkelsten aller Schandflecken. Kein Wunder, dass derselbe Apostel Johannes auch schrieb: Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit (1. Johannes 1, 9).
    2. Durch sein Blut: Wenn es einen anderen Weg gegeben hätte, uns von unseren Sünden reinzuwaschen, hätte Gott es auf eine andere Weise getan. Uns durch sein Blut zu waschen, bedeutete das ultimative Opfer Gottes, des Sohnes. Wenn es nicht der einzige Weg gewesen wäre, hätte Gott es nicht getan. „Die Priester konnten sich nur mit dem Blut von Stieren und Ziegen reinigen; aber er hat uns von unseren Sünden ‚in seinem eigenen Blut‘ gewaschen. Die Menschen waren bereit, das Blut anderer zu vergießen. Wie bereitwillig sie doch in den Krieg ziehen! Christus aber war bereit, sein eigenes Blut zu vergießen, seine Seele bis zum Tod auszuschütten, damit wir gerettet werden.“ (Spurgeon)
    3. Beachte die Reihenfolge der Dinge: erst geliebt, dann gewaschen. Es war nicht so, dass Gott uns aus irgendeinem Pflichtgefühl heraus gewaschen, und dann, als wir sauber waren beschlossen hat uns zu lieben. Er hat uns geliebt, als wir schmutzig waren, erst danach hat er uns … gewaschen.
    4. In der Tat beweist das Waschen Liebe. Wenn Du eine alte Hose hättest und sie mit Farbe bekleckert hättest, würdest Du sie nur aus zwei Gründen waschen und behalten. Entweder Du würdest sie waschen und behalten, weil Du arm bist und kein Geld für eine andere Hose ausgeben willst, oder Du wäschst und behältst sie, weil Du diese alte Hose wirklich liebst. Geld ist dann nicht das Thema. Du könntest Dir jederzeit eine neue Hose kaufen, aber Du liebst diese Hose so sehr, dass Du die Zeit und die Mühe aufwendest, sie zu reinigen, damit Du sie wieder anziehen kannst. Gott liebt uns so sehr, dass er uns … gewaschen hat. Gott ist gewiss nicht arm. Mit nur einem Gedanken könnte er jeden Sünder auslöschen und das Leben auf der Erde mit nagelneuen Geschöpfen neu anfangen. Aber das tut er nicht. Er liebt uns so sehr, dass er uns … gewaschen hat.
    5. Einige Gelehrte glauben, dass Johannes hier von unseren Sünden befreit geschrieben hat, statt gewaschen. Also, dass er statt dem Wort waschen das Wort befreien verwendet hat. In der altgriechischen Sprache unterscheidet sich gewaschen nur durch einen einzigen Buchstaben von befreit. Und tatsächlich findet man beide Wörter in antiken Manuskripten. Es ist also schwer zu sagen, welches Wort Johannes wirklich verwendet hat. Dennoch sind beide Worte wahr – wir sind sowohl gewaschen als auch von unseren Sünden befreit.
  3. Und uns zu Königen und Priestern gemacht hat für seinen Gott und Vater: Diesen Status gibt Jesus den Menschen, denen er am Kreuz seine Liebe bewiesen hat und die er durch sein Blut gewaschen hat. Es hätte genügt, sie zu lieben und sie zu reinigen. Aber Er geht weit darüber hinaus und macht uns zu Königen und Priestern für seinen Gott und Vater. Das ist mehr, als Adam, der erste Mensch, den Gott geschaffen hat, jemals gewesen ist. Selbst in der vollkommenen Reinheit von Eden lesen wir nicht, dass Adam ein König und Priester Gottes war. Deswegen gebührt Jesus unser Lob.
    1. Wir sind Könige, also gehören wir zu Gottes Königshaus – damit erhalten wir gewisse Privilegien, sowie Status und Autorität. Wir sind Priester, also sind wir Gottes ganz spezielle Diener. Wir repräsentieren sowohl Gott gegenüber den Menschen als auch die Menschen gegenüber Gott. Wir bringen ihm ein Opfer dar (Hebräer 13, 15). Wir haben einen privilegierten Zugang zu Gottes Gegenwart (Römer 5, 1-2).
    2. Könige und Priester: Im Alten Testament war es verboten, die Ämter des Königs und des Priesters miteinander zu verbinden. König Ussija von Juda ist ein Beispiel für einen Mann, der versuchte, die beiden Ämter zu vereinen, und dafür die Strafe bezahlte (2. Chronik 26, 16-23). Im Neuen Bund können wir in dem Sinne, dass er sowohl König als auch Hohepriester ist, wie Jesus sein (Lukas 1, 31-33; Hebräer 4, 14).
  4. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit: In Anbetracht all dessen, was Jesus für uns getan hat, gebührt ihm wirklich all unser Lob. Wir sollten ihn mit aller Herrlichkeit und … Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit ehren. Wir geben Jesus nicht die Herrlichkeit und die Macht, wenn wir das sagen, sondern wir erkennen an, dass ihm die Herrlichkeit und die Macht gehören, und wir ehren ihn dafür.
    1. Die Herrlichkeit Jesu zu erkennen, bedeutet, sich für ihn hinzugeben. „Einige von euch sind wie Mäuse hinter der Wohnzimmerwand. Ihr wohnt im Haus des Herrn, aber man kennt euch nicht als Angehörige der Familie: Manchmal quietscht ihr ein wenig in eurem Versteck, und wie Mäuse kommt ihr manchmal nachts heraus, um ein oder zwei Krümel aufzusammeln, ohne dabei erwischt zu werden. Entspricht das wirklich deiner Würde? Spiegelt dieses Verhalten wirklich die Würde deines Herrn und Meisters wider?“ (Spurgeon)
    2. Die Macht Jesu anzuerkennen, bedeutet, ihn wirklich über uns herrschen zu lassen. „Noch einmal: Wenn wir aufrichtig sagen: ‚Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht‘, dann müssen wir ihm die Herrschaft über uns selbst geben. Jeder Mensch hat ein eigenes kleines Reich mit drei Königreichen – Körper, Seele und Geist – und es sollte ein vereintes Königreich sein. Mache Christus zum König über alles. Erlaube keinem Teilbereich dieser drei Königreiche, über sich selbst zu herrschen; unterstelle Körper, Geist und Seele vollkommen der Herrschaft von Jesus, Deinem König.“ (Spurgeon)
  5. Amen: Dieses Wort wurde im Altgriechischen aus dem Hebräisch des Alten Testamentes übernommen und bedeutet einfach ‚Ja‘. Es ist kein Wunsch, dass es so sein möge, sondern es ist eine Bestätigung, dass es durch Gott so sein wird. Jesus wird gepriesen werden.
    1. Jesus hat all dies und noch mehr für dich getan. Du hast viel, wofür du ihn loben kannst – also lobe ihn! „Würdest du nicht im Himmel sein wollen, wenn dein Leben auf der Erde zu Ende ist? Die Zeit wird kommen, in der du sterben musst; würdest du dir nicht wünschen, die gute Hoffnung zu haben, in die Glückseligkeit der Vollkommenen einzutreten? Ich bin sicher, dass du dir das wünscht; aber, wenn du endlich zu den erlösten Heerscharen im Himmel gehören willst, musst du hier ihr Lied lernen. Du kannst nicht in die Chöre dort oben aufgenommen werden, ohne hier unten ihre Musik geübt und einstudiert zu haben.“ (Spurgeon)
    2. „Das griechische Wort amen ist die Übertragung eines ähnlich klingenden Wortes aus dem Hebräischen und bedeutet ‚Wahrheit‘ oder ‚Treue‘, daher kommt auch die Bedeutung ‚es sei wahr‘ oder ‚so sei es‘.“ (Walvoord)

3. Eine Beschreibung der Wiederkunft Jesu

Offenbarung 1, 7

Offenbarung 1, 7
Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, welche ihn durchstochen haben; und es werden sich seinetwegen an die Brust schlagen alle Geschlechter der Erde! Ja, Amen.

  1. Siehe, er kommt: Dies ist ein Befehl hinzuschauen – es zu überprüfen. Nachdem Johannes seinen Lobpreis gegenüber Jesu ausgedrückt hat, beginnt er, Jesu Rückkehr zu beschreiben. Er möchte, dass wir das Kommen Jesu ansehen. Jesus sagte, dass wir wachsam sein und auf sein Kommen warten sollen (Matthäus 24, 42). Es geht darum, das Kommen Jesu im Hinterkopf zu haben und vor unserem inneren Auge zu sehen.
    1. Hier ist keine übernatürliche Vision der Wiederkunft Jesu gemeint. Eine solche übernatürliche Vision wird später folgen. Aber diese Beschreibung hier beruht auf Jesu eigenen Worten über seine Wiederkunft, und darauf, dass Johannes die alttestamentlichen Verheißungen der Wiederkunft des Messias verstanden hatte. Zum Beispiel wusste Johannes ganz einfach, dass Jesus wiederkommen würde, weil Jesus gesagt hat, dass er kommen würde. Jesus sagte: Ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen. (Johannes 14, 3).
    2. „Christus ist nicht in den Himmel aufgefahren, um dort zu bleiben. Er ist zum Wohle der Gemeinde gegangen; und zum Wohle seiner Gemeinde wird er wiederkommen.“ (Seiss)
  2. Er kommt mit den Wolken: Wenn Jesus kommt, wird er von Wolken umgeben sein. Das wird buchstäblich wahr sein, denn als Jesus diese Erde verließ, wurde er in eine Wolke aufgenommen, und Gott sagte, dass er auf dieselbe Weise zurückkehren würde (Apostelgeschichte 1, 9-11). Es wird auch im übertragenen Sinne wahr sein, denn Scharen von Gläubigen werden im übertragenen Sinne Wolken genannt (Hebräer 12, 1). Wolken werden häufig mit Gottes Gegenwart und Herrlichkeit in Verbindung gebracht (2. Mose 13, 21-22; 16, 10; 19, 9 und 24, 15-18) und beziehen sich auf die alttestamentliche Wolke der Herrlichkeit, die Schekina genannt wird.
    1. Wenn man diese Verbindung mit der Herrlichkeit Gottes versteht, ist es passend und wunderbar, dass die Schar der Gläubigen eine Wolke genannt wird. Das Volk Gottes ist seine Herrlichkeit. Es ist seine ‚Wolke‘, seine Schekina.
    2. Johannes brauchte keine besondere Vision, um zu wissen, dass er mit den Wolken kommt. Er wusste dies aus dem Alten Testament (Daniel 7, 13-14) und aus Jesu eigenen Worten: Überdies sage ich euch: Künftig werdet ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen auf den Wolken des Himmels! (Matthäus 26, 64).
  3. Und jedes Auge wird Ihn sehen: Wenn Jesus kommt, wird dies nicht im Geheimen geschehen. Jeder wird es wissen. Jesu erstes Kommen war sehr unscheinbar. Während seines Wirkens hier auf der Erde machte er nie Schlagzeilen. Aber wenn Jesus wiederkommt, wird ihn jedes Auge sehen. Die ganze Welt wird es wissen.
    1. Johannes brauchte auch hier keine besondere Vision, um zu wissen, dass jedes Auge ihn sehen wird. Johannes hörte Jesus in seiner Zeit auf der Erde selbst sagen: Wenn sie nun zu euch sagen werden: »Siehe, er ist in der Wüste!«, so geht nicht hinaus; »Siehe, er ist in den Kammern!«, so glaubt es nicht! Denn wie der Blitz vom Osten ausfährt und bis zum Westen scheint, so wird auch die Wiederkunft des Menschensohnes sein (Matthäus 24, 26-27).
  4. Auch die, welche ihn durchstochen haben: Wenn Jesus kommt, wird das für das jüdische Volk eine besonders bedeutungsvolle Offenbarung sein. Natürlich waren es nicht nur die Juden, die ihn durchstochen haben. Aber wir wissen, dass Johannes die Offenbarung Jesu an sein eigenes Volk, die Juden, im Sinn hatte, weil dies eine Anspielung auf Sacharja 12, 10 ist.
    1. Wenn Jesus sich seinem eigenen Volk, den Juden, offenbart, wird dies nicht im Zorn geschehen. Bis dahin wird sich das jüdische Volk Jesus zugewandt haben und auf ihn als ihren Messias vertrauen (Matthäus 23, 39; Römer 11, 25-26). Wenn sie Jesus und seine durchstochenen Hände und Füße sehen, wird es für sie eine schmerzliche Erinnerung daran sein, dass sie Jesus früher abgelehnt haben. Es wird sich die Vision aus Sacharja 12, 10 erfüllen: Aber über das Haus David und über die Einwohner von Jerusalem will ich den Geist der Gnade und des Gebets ausgießen, und sie werden auf mich sehen, den sie durchstochen haben, ja, sie werden um ihn klagen, wie man klagt um den eingeborenen [Sohn], und sie werden bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich Leid trägt über den Erstgeborenen.
    2. Johannes brauchte keine besondere Vision, um zu erkennen, wer mit denen gemeint war, die ihn durchstochen haben. Er konnte es in Sacharja 12, 10 lesen.
  5. Und es werden sich seinetwegen an die Brust schlagen alle Geschlechter der Erde: Wenn Jesus kommt, werden sich nicht nur die Juden wegen ihrer früheren ablehnenden Haltung gegenüber Jesus an die Brust schlagen, sondern auch alle anderen Geschlechter der Erde. Da es aus allen Geschlechtern der Erde Menschen geben wird, die gerettet werden (Offenbarung 7, 9), werden auch alle an dieser Trauer teilhaben. Wir werden alle auf seine Narben schauen und sagen: „Das haben wir ihm angetan.“
    1. Johannes brauchte keine besondere Offenbarung, um zu wissen, dass sich um Jesu willen, alle Geschlechter der Erde an die Brust schlagen werden. Er brauchte sich nur daran zu erinnern, was Jesus in Matthäus 24, 30 sagte: Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und dann werden sich alle Geschlechter der Erde an die Brust schlagen, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit.

4. Jesus stellt sich persönlich vor

Offenbarung 1, 8

Offenbarung 1, 8
Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht der Herr, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige.

  1. Ich bin das A und das O: In vielen Übersetzungen und in den englischen ‚Red-Letter‘-Ausgaben (Bibel mit rotgedruckten Jesusworten) sind diese Worte rot geschrieben. Das zeigt, dass die Übersetzer glauben, dass diese Worte von Jesus selbst kommen. Johannes war mit seiner Einleitung fertig, und nun stellt sich Jesus selbst vor. Schließlich ist es seine Offenbarung (die Offenbarung Jesu Christi, Offenbarung 1, 1), daher ist es nicht verwunderlich, dass er sie einleitet.
    1. Manche fragen sich, ob hier Gott der Vater oder Gott der Sohn spricht. Wir vermuten, dass es der Sohn Jesus Christus ist, und wir glauben dies aus verschiedenen Gründen. Erstens, da es sich um die Offenbarung Jesu handelt, scheint es angemessen, dass er sie einleitet. Zweitens sind die Titel A und O und der Anfang und das Ende Titel, die Jesus für sich selbst beansprucht (Offenbarung 22, 13). Drittens, obwohl der Titel, der ist und der war und der kommt, in Offenbarung 1, 4 für Gott den Vater verwendet wird, gilt er auch für Gott den Sohn und scheint in Offenbarung 11, 17 und 16, 5 auf Jesus gerichtet zu sein.
  2. Das A und das O, der Anfang und das Ende: Die Idee, die hinter diesen Titeln für Jesus steckt, ist, dass er vor allen Dingen steht und über alle Dinge hinaus bleiben wird. A ist der erste Buchstabe des altgriechischen Alphabets, und O ist der letzte Buchstabe. Jesus sagt: „Ich bin das ‚A bis Z‘, der Anfang und das Ende.“
    1. Wenn Jesus sowohl der Anfang als auch das Ende ist, dann hat er auch Autorität über alles was dazwischen liegt. Das bedeutet, dass Jesus einen Plan für die Geschichte der Menschheit hat, und dass er die irdischen Ereignisse so lenkt, dass der Plan in Erfüllung geht. Unser Leben wird nicht dem bloßen Zufall, der willkürlichen Bedeutungslosigkeit oder endlosen Kreisläufen ohne Ziel überlassen. Stattdessen lenkt Jesus Christus, der das A und das O, der Anfang und das Ende ist, die gesamte Menschheitsgeschichte und sogar unser ganz persönliches Leben.
  3. Der ist und der war und der kommt: Wie aus den Kommentaren zu Offenbarung 1, 4 hervorgeht, bezieht sich dieser Satz auf den großen alttestamentlichen Namen für den dreieinigen Gott, Jahwe. Er spiegelt sein ewiges Wesen und seine unveränderliche Gegenwart wider. Jesus hat diese ewige Natur genauso wie Gott der Vater. Micha 5, 1 drückt es so aus: dessen Hervorgehen von Anfang, von den Tagen der Ewigkeit her gewesen ist. Hebräer 13, 8 drückte es auf diese Weise aus: Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und auch in Ewigkeit.
  4. Der Allmächtige: Dieses Wort ‚Allmächtiger‘ kommt vom altgriechischen Wort ‚Pantokrater‘, was wörtlich „derjenige, der seine Hand über allem hat“ bedeutet. Es spricht von der großen souveränen Kontrolle, die Jesus über alles hat – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
    1. Dieser bedeutende Ausdruck ‚Allmächtiger‘ wird im Neuen Testament zehn Mal verwendet, und neun von den zehn Malen finden wir im Buch der Offenbarung. Dieses Buch betont auffallend stark die Souveränität Gottes und die Erkenntnis, dass er seine Hand über allem hat.

C. Johannes wird befohlen zu schreiben

1. Johannes auf der Insel Patmos

Offenbarung 1, 9

Offenbarung 1, 9
Ich, Johannes, der ich auch euer Bruder bin und mit euch Anteil habe an der Bedrängnis und am Reich und am standhaften Ausharren Jesu Christi, war auf der Insel, die Patmos genannt wird, um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses Jesu Christi willen.

  1. Ich, Johannes … war auf der Insel, die Patmos genannt wird: Die Insel Patmos war eine Art Alcatraz-Insel im Römischen Reich. Sie wurde als Gefängnisinsel genutzt und fungierte als Gefängnis ohne Gitter. Die Insel war reich an Marmor, und die meisten Gefangenen waren Zwangsarbeiter in Marmorsteinbrüchen. Patmos war eine felsige, einsame Insel, etwa 18 Kilometer lang und 11 Kilometer breit.
    1. „Johannes war zu dieser Zeit, auf einer einsamen und verlassenen Insel im Exil. Aber weder Meere noch Berge noch Zeitalter können die Bindungen lösen, durch die die Christen miteinander oder mit Christus, ihrem Herrn, verbunden sind. Vor weniger als einem Jahr kam ich an dieser Insel vorbei. Sie ist eine bloße Ansammlung karger Felsen, dunkel in ihrer Farbe und freudlos in ihrer Form. Sie liegt draußen auf dem offenen Meer, in der Nähe der westlichen Küste Kleinasiens. Sie hat weder Bäume noch Flüsse noch Anbauflächen, außer einigen kleinen Winkeln zwischen den Felsvorsprüngen. Es gibt noch eine schmuddelige Grotte, in der der ältere Apostel gelebt haben soll und in der er diese Vision gehabt haben soll. Eine Kapelle bedeckt sie, geschmückt mit Lampen, die von den Mönchen in Gang gehalten werden.“ (Seiss)
    2. Barnes beschrieb Patmos als „einsam, trostlos, öde, unfruchtbar, unbewohnt und selten besucht. Die Insel hatte alle Voraussetzungen, die man sich für einen Ort der Bestrafung wünschen konnte; und die Verbannung an diesen Ort würde alles erreichen, was sich ein Peiniger wünschen könnte, um den Apostel zum Schweigen zu bringen, ohne ihn zu töten.“ Dennoch brachte dieses Exil den Apostel Johannes nicht zum Schweigen.
  2. Um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses Jesu Christi willen: Die meisten Gelehrten gehen davon aus, dass Johannes auf Patmos war, weil er verhaftet und in der Verfolgung durch die Römer gefangen gehalten wurde. Dies ist wahrscheinlich auch der Fall, insbesondere, weil Johannes gesagt hat, dass er dein Bruder ist und mit dir Anteil hat an der Bedrängnis und am Reich und am standhaften Ausharren Jesu Christi. Es ist aber auch möglich, dass Johannes einfach nur als Missionar für die Gefangenen auf Patmos war.
    1. Der altchristliche Historiker Eusebius sagt, Johannes sei unter der Herrschaft des römischen Kaisers Domitian in Patmos gefangen gehalten worden. (Church History, III.18, 20 – aus „Nicean and Post Nicean Fathers“ Serie 2, Band 1, Seiten 148-149)
    2. „Laut Victorinus wurde Johannes, obwohl er alt war, zur Arbeit in den Minen auf Patmos gezwungen. Frühe Quellen weisen auch darauf hin, dass Johannes etwa 96 n. Chr. nach Domitians Tod nach Ephesus zurückkehren durfte, als Kaiser Nerva an der Macht war.“ (Walvoord)

2. Johannes wird befohlen zu schreiben

Offenbarung 1, 10-11

Offenbarung 1, 10-11
Ich war im Geist am Tag des Herrn, und ich hörte hinter mir eine gewaltige Stimme, wie von einer Posaune, die sprach: Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte!, und: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es den Gemeinden, die in Asia sind: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamus und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea!

  1. Ich war im Geist am Tag des Herrn: Im Geist zu sein scheint hier mehr zu bedeuten, als einfach nur, dass Johannes ‚im Geist‘ wandelte, statt ‚im Fleisch‘, so wie es Paulus in Galater 5, 16 beschreibt. Zusätzlich zum im Geist wandeln, ist hier gemeint, dass Johannes eine einzigartige Offenbarung vom Heiligen Geist erhielt. Das war für Johannes eine außergewöhnliche geistliche Erfahrung, die manche als außerkörperliche Erfahrung bezeichnen würden – natürlich nicht im Okkulten oder im Spiritistischen Sinne, mit dem solche Erfahrungen heute verbunden werden.
    1. Walvoord definiert im Geist so: „Eine Erfahrung, welche über das mit normalen menschlichen Sinnen Erlebbare hinausging; ein Zustand in dem Gott den Inhalt dieses Buches auf übernatürliche Weise offenbaren konnte.“
    2. Es gibt vier Hinweise darauf, dass Johannes im Buch der Offenbarung im Geist ist. Zuerst in Patmos (Offenbarung 1, 10), dann im Himmel (Offenbarung 4, 2), dann in der Wüste (Offenbarung 17, 3) und schließlich auf dem Berg Gottes (Offenbarung 21, 10).
  2. Am Tag des Herrn: Wann ist der Tag des Herrn? Unter den Heiden des Römischen Reiches wurde der erste Tag eines jeden Monats zu Ehren des römischen Kaisers als ‚Tag des Kaisers‘ bezeichnet. Vielleicht verkündeten die Christen ihre Treue zu Jesus, indem sie den ersten Tag der Woche als ihren eigenen Tag des Herrn verehrten.
    1. Dies ist weder derselbe Begriff, der im Alten Testament für den Tag des Herrn verwendet wird, noch ist es derselbe Gedanke. Das Buch der Offenbarung befasst sich später noch mit dem Tag des Herrn im alttestamentlichen Sinne, aber dieser Tag des Herrn ist hier nicht gemeint.
  3. Ich hörte hinter mir eine gewaltige Stimme: Die gewaltige Stimme, die Johannes hörte, war klar und markant wie der Klang einer Posaune. Die gewaltige Stimme gehört zum A und O, zu dem Ersten und Letzten, der der Anfang und das Ende aller Dinge ist. Seit Jesus sich mit diesen Titeln in Offenbarung 1, 8 vorstellte, wissen wir, dass die gewaltige Stimme Jesu Stimme ist.
    1. Clarke sagt über die Formulierung wie von einer Posaune: „Dies war darauf ausgerichtet, jeden umschweifenden Gedanken herbeizurufen, seine Aufmerksamkeit zu sichern und den ganzen Rahmen dieser geistlichen Erfahrung feierlich zu machen.“
    2. Der Erste und der Letzte ist ein Titel, der dem Herrn, Jahwe, dem Gott Israels, gehört (Jesaja 41, 4, 44, 6 und 48, 12). Hinter dem Titel A und O steckt die gleiche Bedeutung wie bei Erster und Letzter. Dies ist eine der Stellen im Neuen Testament, an denen Jesus eindeutig beanspruchte, Gott zu sein.
  4. Was du siehst, das schreibe in ein Buch: Hier wurde Johannes befohlen aufzuschreiben, was er sah. Im ganzen Buch der Offenbarung wird ihm das noch elf weitere Male befohlen. Es entsteht der Eindruck, dass Johannes, wenn ihm nicht ganz klar befohlen worden wäre es aufzuschreiben, die Offenbarung einfach für sich behalten hätte. Tatsächlich ist es immer am besten, Visionen und Offenbarungen für sich zu behalten, es sei denn, es wird etwas Anderes befohlen.
  5. Sende es den Gemeinden, die in Asia sind: Johannes wurde befohlen, an sieben Gemeinden in sieben Städten zu schreiben. Jede dieser sieben Gemeinden befindet sich in der römischen Provinz Asia. Aber dies waren nicht die einzigen Städte in dieser Region, die Gemeinden hatten. Es gab zum Beispiel eine Kirche in der Stadt Kolossä (an die der Apostel Paulus den Brief der Kolosser schrieb), aber die Stadt Kolossä ist in dieser Liste der Gemeinden nicht aufgeführt. Warum wurden gerade diese sieben Gemeinden ausgewählt?
    1. Einige vermuten, dass es daran lag, dass sie in einem ungefähr kreisförmigen Muster angeordnet sind. Andere meinen, es lag daran, dass es sich dabei um Postbezirke in der römischen Provinz Asia handelte. Viele glauben, dass sieben Gemeinden ausgewählt wurden, weil in der Bibel die Zahl sieben oft für Vollständigkeit steht, und diese Briefe – und das gesamte Buch der Offenbarung – an die gesamte Gemeinde geschrieben sind, nicht nur an diese sieben Gemeinden. Seiss schreibt: „Die Kirchen der gesamten Menschheitsgeschichte werden als die Sieben verstanden“, und er zitiert viele moderne und antike Kommentatoren, die mit dieser Perspektive übereinstimmen.
    2. „Viele Autoren, die sich gut mit dem Buch der Offenbarung auskennen, sind der Meinung, dass unser Herr durch diese sieben Gemeinden alle Gemeinden Christi bis ans Ende der Welt bezeichnet; und durch das, was er zu ihnen sagt, zeigen will, was der Zustand der Gemeinden in allen Zeitaltern sein wird und was ihre Pflicht ist.“ (Poole)
    3. Interessanterweise schrieb der Apostel Paulus auch an sieben Gemeinden: Rom, Korinth, Galatien, Ephesus, Kolossä, Philippi und Thessaloniki.

D. Die Vision des Johannes von Jesus

1. Jesus in der Mitte der Leuchter

Offenbarung 1, 12-13

Offenbarung 1, 12-13
Und ich wandte mich um und wollte nach der Stimme sehen, die mit mir redete; und als ich mich umwandte, da sah ich sieben goldene Leuchter, und mitten unter den sieben Leuchtern Einen, der einem Sohn des Menschen glich, bekleidet mit einem Gewand, das bis zu den Füßen reichte, und um die Brust gegürtet mit einem goldenen Gürtel.

  1. Ich wandte mich um und wollte nach der Stimme sehen, die mit mir redete: Wir können uns nur vorstellen, was Johannes durch den Kopf ging, als er sich umwandte. Die Stimme, die er hörte, hatte wahrscheinlich nicht genau denselben Klang, wie die Stimme Jesu, an die er sich erinnerte (Johannes beschrieb sie als eine Posaune, Offenbarung 1, 10). Dennoch wusste er aufgrund der Beschreibung, die die Stimme von sich selber gab (Alpha und Omega), dass es Jesus war. Dies war für Johannes die Gelegenheit, Jesus wiederzusehen, nachdem er ihn in den Jahren seines irdischen Wirkens so gut kennengelernt hatte.
  2. Zuerst hat Johannes Jesus gar nicht gesehen. Er sah sieben goldene Leuchter. Das waren keine Kerzenständer, das waren keine Menoras (siebenarmige Leuchter), sondern freistehende Ölleuchter. Die Lampen standen auf diesen Leuchtern.
    1. Es gab sieben separate Leuchter. Dies ist ein Bild, das uns an den goldenen Leuchter erinnert, der in der Stiftshütte und im Tempel stand (2. Mose 25, 31-37). Doch diese hier sind anders. Der Leuchter des Alten Bundes war ein einziger Leuchter mit sieben Lampen darauf. Hier im Neuen Bund sehen wir sieben Leuchter. „In der jüdischen Stiftshütte gab es einen goldenen Leuchter und sieben Lampen, um Licht zu spenden … Hier sieht Johannes sieben Leuchter. Gott hatte nur eine Gemeinde der Juden, aber viele unter den Heiden.“ (Poole)
    2. Das Licht kommt nicht von den Leuchtern. Das Licht kommt von den Öllampen selbst. Durch die Ständer kann man das Licht lediglich besser sehen. Deshalb sind die Leuchter ein gutes Bild für die Gemeinde. Wir erzeugen das Licht nicht, wir zeigen es nur.
    3. „Eine Lampe ist nicht an sich Licht, sie ist nur das Werkzeug, um Licht zu spenden, und sie muss sowohl Öl als auch Feuer empfangen, bevor sie Licht spenden kann; daher hat keine Gemeinde weder Gnade noch Herrlichkeit in sich, sie muss alles von Christus, ihrem Haupt, empfangen, sonst kann sie weder Licht noch Leben spenden.“ (Clarke)
  3. Und mitten unter den sieben Leuchtern Einen, der einem Sohn des Menschen glich: Jesus war da inmitten dieser Leuchter, als der Sohn des Menschen, eine Gestalt der Herrlichkeit, die auf Daniel 7, 13-14 verweist. Obwohl der Titel ‚Sohn des Menschen‘ wie ein demütiger Titel klingt, ist er im Sinne der Stelle aus Daniel ganz bestimmt kein demütiger Titel.
  4. Bekleidet mit einem Gewand, das bis zu den Füßen reichte, und um die Brust gegürtet mit einem goldenen Gürtel: Die Kleidung Jesu weist darauf hin, dass er eine Person von großer Würde und Autorität ist. Lange Gewänder wurden nur von denen getragen, die nicht viel arbeiten mussten und standen somit für großen Status und Autorität. Der goldene Gürtel um die Brust deutet wahrscheinlich auf die Gewänder des Hohepriesters hin (2. Mose 29, 5).
    1. 2. Mose 39, 1-5 sagt, dass in dem Gürtel, der um die Brust des Hohepriesters Israels angebracht war, goldene Fäden waren. Der Gürtel Jesu hat mehr als nur ein paar goldene Fäden, sondern ist komplett aus Gold! Wie viel größer ist das ewige, himmlische Priestertum Jesu!
    2. Eine der Aufgaben der Priester des Alten Testaments war es, den goldenen Leuchter im Tabernakel zu pflegen. Jeden Tag mussten sie das Öl einfüllen, den Ruß entfernen und die Dochte stutzen. Sie mussten die Lampen genau inspizieren und pflegen, damit sie ständig vor dem Herrn brennen konnten. Hier ist Jesus, unser Hohepriester, mitten unter den sieben Leuchtern, der die Lampen sorgfältig inspiziert und pflegt und ihnen dabei hilft, immer hell vor dem Herrn zu brennen.

2. Johannes beschreibt Jesus

Offenbarung 1, 14-16

Offenbarung 1, 14-16
Sein Haupt aber und seine Haare waren weiß, wie weiße Wolle, wie Schnee; und seine Augen waren wie eine Feuerflamme, und seine Füße wie schimmerndes Erz, als glühten sie im Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser. Und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert hervor; und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne in ihrer Kraft.

  1. Sein Haupt aber und sein Haar waren weiß, wie weiße Wolle, wie Schnee: Das weiße Haar steht für das Alter und ist daher in dieser Kultur mit der Vorstellung von großer Weisheit und Zeitlosigkeit verbunden. Der Ausdruck weiß … wie Schnee betont auch die Idee der Reinheit (Jesaja 1, 18).
    1. Das weiße Haar und das weiße Haupt verbinden die Darstellung Jesu hier auch mit dem Hochbetagten aus Daniel 7, 9. „Der Titel des Hochbetagten gehört Gott dem Vater, aber auch Christus, der dem Vater in seiner göttlichen Natur gleich ist.“ (Poole)
    2. „Wenn wir uns in diesem Bild sein Haupt und sein schneeweißes Haar vorstellen, verstehen wir den ewigen Zeitraum seiner Herrschaft.“ (Spurgeon)
    3. „Das ist nicht nur ein Hinweis auf den ewigen Zeitraum von Gottes Herrschaft, sondern auch ein Beweis für seine Herrlichkeit; denn die weiße Pracht seines Hauptes und seiner Haare ging zweifellos von den Strahlen des Lichts und seiner Herrlichkeit aus, die seinen Kopf umgaben und von ihm in alle Richtungen ausgingen.“ (Clarke)
  2. Und seine Augen waren wie eine Feuerflamme: Augen … wie eine Feuerflamme wird in der Heiligen Schrift oft mit dem Gericht in Verbindung gebracht (Matthäus 5, 22; 2. Petrus 3, 7). Jesu Augen zeigten das Feuer des prüfenden, dringlichen Urteils.
  3. Und seine Füße wie schimmerndes Erz, als glühten sie im Ofen: Da das Feuer mit dem Gericht verbunden ist, sprechen diese Füße wie schimmerndes Erz, als glühten sie im Ofen, von jemandem, der durch die Feuer des Gerichts gegangen, und mit einer veredelten Reinheit hervorgegangen ist. Jesus ist durch das ‚Feuer des Läuterns‘ gegangen.“
    1. Erz ist ein Metall, das mit Gericht und Opfer verbunden ist. Der Opferaltar Israels war aus Erz (2. Mose 27, 1-6), und man nannte ihn den ‚eherner Altar‘.
    2. Außerdem ist Erz ein starkes Metall, das stärkste, das in der Antike bekannt war. Deshalb sind Füße wie schimmerndes Erz „ein Zeichen seiner Stabilität und Beständigkeit, wobei Erz als die haltbarste aller metallischen Substanzen oder Verbindungen gilt.“ (Clarke)
  4. Seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser: Das bedeutet, dass die Stimme Jesu die Kraft und Majestät eines mächtigen Wasserfalls hatte.
  5. Er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne: Die sieben Sterne stehen für die Leiter oder Vertreter der sieben Gemeinden, die in Offenbarung 1, 11 erwähnt werden (Offenbarung 1, 20). Die Sterne sind in Jesu Hand sicher. Da sieben die Zahl der Vollständigkeit ist, können wir also sagen: „Jesus hält die ganze Gemeinde in seinen Händen.“
  6. Aus seinem Mund ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert hervor: Hier handelt es sich um ein schweres Schwert (das altgriechische Wort rhomphaia), das zum Töten und Zerstören verwendet wurde. An anderen Stellen spricht das Neue Testament von einem kleineren, taktischen Schwert, das in der altgriechischen Sprache als Machaira bekannt ist. In Hebräer 4, 12 wird z.B. der Begriff für dieses kleinere, präzisere Schwert verwendet.
    1. Gemeint ist hier nicht, dass Jesus ein Schwert zwischen seinen Zähnen trägt. Das Schwert … aus seinem Mund, soll sein Wort sein. Seine Waffe – und auch unsere – ist das Wort Gottes (Epheser 6, 17).
    2. Barnes merkt an, dass Johannes nicht unbedingt ein Schwert aus dem Mund Jesu kommen gesehen haben muss. „Er hörte ihn sprechen; er fühlte die durchdringende Kraft seiner Worte; und sie waren, als ob ein scharfes Schwert aus seinem Mund hervorginge.“
    3. Es ist ein scharfes zweischneidiges Schwert: „Man kann diese Waffe nicht handhaben, ohne sich selbst zu schneiden, denn sie hat keinen Griff, sie ist ganz scharf. Das Wort Christi ist auf die gleiche Weise geschliffen.“ (Spurgeon)
  7. Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne in ihrer Kraft: Die Herrlichkeit Jesu ist so groß und so strahlend, dass es schwer ist, ihn überhaupt anzuschauen. Jesus hat hier die gleiche Herrlichkeit wie in seiner Verklärung, als sein Angesicht strahlte wie die Sonne (Matthäus 17, 2).
    1. „Sein Gesicht war wie die Sonne am hellsten Sommertag, wenn es keine Wolken gibt, die die Pracht der Strahlen abschwächen könnten.“ (Clarke)
    2. „Was siehst du in der rechten Hand Christi? Sieben Sterne; doch wie unbedeutend erscheinen sie, wenn man sein Angesicht erblickt! Es sind sieben Sterne, aber wer kann sie schon sehen, oder auch wer kann siebzigtausend Sterne sehen, wenn die Sonne in ihrer ganzen Kraft scheint? Wie lieblich ist es doch, wenn der Herr selbst in einer Gemeinde so gegenwärtig ist, dass der Prediger, wer immer er sein mag, völlig vergessen wird! Ich bitte Euch, liebe Freunde, wenn Ihr in ein Gotteshaus geht, versucht immer, das Angesicht des Herrn zu sehen und nicht die Sterne in seiner Hand; schaut die Sonne an, und Ihr werdet die Sterne vergessen.“ (Spurgeon)
    3. Alles in dieser Vision spricht von Stärke, Majestät, Autorität und Gerechtigkeit. Es besteht ein beachtlicher Unterschied zwischen dieser Vision von Jesus und den vielen schwachen, verweichlichten Jesus-Darstellungen, die man heute sieht. Aber der Jesus, den Johannes gesehen hat, ist der wahre Jesus, der Jesus, der heute im Himmel lebt und regiert.
    4. Wir sollten die Tatsache berücksichtigen, dass dies die einzige physische Beschreibung Jesu ist, die uns in der Bibel gegeben wird. Die einzige andere Beschreibung, die dieser nahekommt, findet sich in Jesaja 53, 2: Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; wir sahen ihn, aber sein Anblick gefiel uns nicht.
    5. In unseren modernen Bildern von Jesus denken wir gerne an ihn, wie er war, und nicht an Jesus, wie er ist. Wir ziehen es vor, Jesus nach dem Fleisch zu sehen und zu kennen. Aber Paulus sagte: Wenn wir aber auch Christus nach dem Fleisch gekannt haben, so kennen wir ihn doch nicht mehr so (2. Korinther 5, 16).

3. Johannes‘ Reaktion und die Zusage von Jesus

Offenbarung 1, 17-18

Offenbarung 1, 17-18
Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen nieder wie tot. Und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebende; und ich war tot, und siehe, ich lebe von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen! Und ich habe die Schlüssel des Totenreiches und des Todes.

  1. Als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen nieder wie tot: Johannes war von dieser ehrfurchtgebietenden Vision überwältigt, obwohl er ein Apostel war, der Jesus zu dessen Lebzeiten auf dieser Erde gekannt hatte. Selbst die drei Jahre, die Johannes mit Jesus auf dieser Erde verbracht hatte, haben ihn nicht einmal annähernd darauf vorbereitet, Jesus in seiner himmlischen Herrlichkeit zu sehen. In diesem Moment wusste Johannes, was für ein Wunder es war, dass Jesus seine Herrlichkeit und Autorität verbergen konnte, während er auf dieser Erde wandelte.
    1. „Was für eine gesegnete Haltung! Beunruhigt Sie der Tod? Wir sind niemals so lebendig, wie in dem Moment, wenn wir wie tot vor ihm auf die Knie fallen.“ (Spurgeon)
    2. „Wenn wir zu den Füßen Jesu liegen, ist es egal, was uns gerade belastet. Lieber dort tot sein als irgendwo anders lebendig.“ (Spurgeon)
  2. Er legte seine rechte Hand auf mich: Zuerst tröstete Jesus Johannes mit einer barmherzigen Berührung. Vielleicht fühlte sich die Berührung Jesu vertrauter an als die Erscheinung Jesu. Dann gab Jesus Johannes einen Befehl: „Fürchte dich nicht.“ Johannes brauchte sich nicht zu fürchten, weil er in der Gegenwart von Jesus war. Jesus gibt sich hier gegenüber Johannes klar mit drei Titeln zu erkennen.
    1. Jesus ist der Erste und der Letzte, der Gott aller Ewigkeit, Herr der vergangenen Ewigkeit und der zukünftigen Ewigkeit.
    2. Jesus ist der Lebende; und er war tot und er lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er hat den Beweis der Auferstehung und lebt, um nie wieder zu sterben. Der Sieg, den Jesus über Sünde und Tod errungen hat, war ein dauerhafter Sieg. Er ist nicht von den Toten auferstanden, um wieder zu sterben.
    3. Jesus ist derjenige, der die Schlüssel des Totenreichs und des Todes hat. Manche Menschen sind der Meinung, dass der Teufel irgendwie der ‚Herr der Hölle‘ ist. Manche meinen, dass der Teufel die Autorität oder Macht hat, über Leben oder Tod zu entscheiden. Offensichtlich irren sie sich, denn nur Jesus hat die Schlüssel des Totenreichs und des Todes. Wir können darauf vertrauen, dass Jesus dem Teufel niemals die Schlüssel leiht.

4. Ein weiterer Befehl zu schreiben und eine Erklärung

Offenbarung 1, 19-20

Offenbarung 1, 19-20
Schreibe, was du gesehen hast, und was ist, und was nach diesem geschehen soll:
das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten gesehen hast, und der sieben goldenen Leuchter. Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter, die du gesehen hast, sind die sieben Gemeinden.

  1. Schreibe: Dieser zweite Schreibbefehl gibt uns eine Struktur, um das Buch der Offenbarung zu verstehen. Johannes wird befohlen, über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (aus der Perspektive von Johannes) zu schreiben.
    1. Was du gesehen hast: Das bedeutet, dass Jesus wollte, dass Johannes die Dinge aufschreibt, die er gerade in seiner Vision des herrlichen, himmlischen Jesus gesehen hatte.
    2. Und was ist: Das bedeutet, dass Jesus wollte, dass Johannes über die Dinge seiner Gegenwart schreibt, über die Dinge bezüglich der sieben Gemeinden, die in Asia sind.
    3. Und was nach diesem geschehen soll: Das bedeutet, dass Jesus wollte, dass Johannes über die Dinge schreibt, die nach den Dingen geschehen werden, die die sieben Gemeinden betreffen, die Dinge der letzten Tage.
  2. Das Buch der Offenbarung ist in diese dreiteilige Struktur gegliedert.
      1. Die Dinge, die du gesehen hast: Offenbarung Kapitel 1
      2. Die Dinge, die sind: Kapitel 2 und 3 der Offenbarung
      3. Die Dinge, die nach diesem geschehen sollen: Offenbarung 4 bis 22
  3. Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter, die du gesehen hast, sind die sieben Gemeinden: Jesus interpretiert hier freundlicherweise seine eigenen Bilder. Die Sterne in seiner Hand repräsentieren die Engel der sieben Gemeinden. Die Leuchter stehen für die sieben Gemeinden selbst.
    1. Wir stellen fest, dass jede Gemeinde ihren eigenen Engel hatte, und Jesus hielt diese Engel in seiner Hand. Einige glauben, dass diese Engel die Pastoren dieser sieben Gemeinden sind. Diese Vorstellung beruht auf einem wörtlichen Verständnis des altgriechischen Wortes, das mit Engel übersetzt wird, aggelos. Dieses Wort bedeutet wörtlich ‚Bote‘, und sicherlich sind Pastoren ‚Boten‘ für Gemeinden. Andere meinen, die Engel könnten ‚Schutzengel‘ über jede Gemeinde sein. Manche sagen auch, dass die Engel überhaupt keine echten Wesen sind, sondern dass sie einfach den vorherrschenden Geist jeder Gemeinde repräsentieren. Jede dieser Interpretationen hat Stärken und Schwächen, aber wir wissen, dass diese Engel in gewisser Weise Vertreter jeder Gemeinde sind.
    2. Adam Clarke glaubte, der Engel jeder Gemeinde sei ihr Pastor. „Der Engel der Gemeinde stimmt hier genau mit dem Amt überein, das jüdische Synagogenbeamte innehatten. Sie waren Boten der Gemeinde, deren Aufgabe es war, in der Synagoge zu lesen, zu beten und zu lehren.“ (Clarke)
    3. Wichtiger ist es, darauf zu achten, wo die Engel sind: in der rechten Hand Jesu. Dies ist ein Ort der Sicherheit und Stärke. Selbst die Problemgemeinden, die in den nächsten Kapiteln beschrieben werden, befinden sich in der rechten Hand Jesu.
  4. Dies war eine spektakuläre Vision, und viele Menschen wünschen sich so eine spektakuläre Vision, wie sie Johannes hatte. Tatsächlich können wir genau denselben Jesus kennenlernen, den Johannes gesehen hat. Wir können seine Reinheit, seine ewige Weisheit, sein prüfendes Urteil, seinen Sieg, seine Autorität und seine Majestät kennenlernen. Jeden dieser Aspekte seines Wesens können wir aus nächster Nähe erleben.
    1. Wenn wir an die spektakuläre Vision von Johannes denken, sollten wir uns daran erinnern, wo Johannes war: inhaftiert auf Patmos. Jesus ist uns inmitten von Leiden und Prüfungen oft am nächsten. Sowohl Johannes als auch Stephanus (Apostelgeschichte 7, 54-60) sahen Jesus im Kontext des Leidens für die Sache Jesu am klarsten und herrlichsten. „Der Zorn der Bösen bringt die Heiligen nur umso näher an die auserwählte Gunst Gottes heran.“ (Seiss)

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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