Römer 1 – Die Menschheit ist schuldig vor Gott

A. Die Bedeutung und Wirkung des Briefes von Paulus an die Römer

1. Der Einfluss des Römerbriefs auf Augustinus

  1. Im Sommer des Jahres 386 weinte ein junger Mann im Garten eines Freundes. Er wusste, dass sein Leben durch Sünde und Rebellion gegen Gott leer war und er das Gefühl hatte, tot zu sein; aber er besaß einfach nicht die Kraft, sich endgültig und ohne Wenn und Aber für Jesus Christus zu entscheiden. Als er dasaß, hörte er Kinder, die ein Spiel spielten und sich gegenseitig diese Worte zuriefen: „Hebt auf und lest! Hebt auf und lest!“
  2. Da er meinte, Gott habe ihm durch die Worte der Kinder eine Botschaft zukommen lassen, nahm er eine Schriftrolle, die in der Nähe lag, und begann zu lesen: nicht in Schlemmereien und Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifungen, nicht in Streit und Neid; sondern zieht den Herrn Jesus Christus an und pflegt das Fleisch nicht bis zur Erregung von Begierden! (Römer 13, 13b-14). Er las nicht weiter; das brauchte er auch nicht. Durch die Kraft von Gottes Wort erlangte Augustinus den Glauben, sein ganzes Leben in diesem Moment Jesus Christus zu übergeben.

2. Der Einfluss des Römerbriefs auf Martin Luther

  1. Im August 1513 hielt ein Mönch vor Studenten des Priesterseminars Vorlesungen über das Buch der Psalmen, aber in seinem Inneren herrschte eine große Unruhe. Bei seinen Ausführungen stieß er auf Psalm 31, 2: Errette mich durch deine Gerechtigkeit. Die Stelle verwirrte Luther; wie konnte Gottes Gerechtigkeit etwas anderes tun, als ihn wegen seiner Sünden zu Recht dazu verurteilen, in der Hölle zu schmoren? Luther dachte immer wieder an Römer 1, 17, wo geschrieben steht: „Denn es wird darin geoffenbart die Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: »Der Gerechte wird aus Glauben leben«.“
  2. Luther, der Mönch, berichtet weiter: „Tag und Nacht habe ich gegrübelt, bis ich … die Wahrheit begriffen habe, dass die Gerechtigkeit Gottes diejenige Gerechtigkeit ist, durch die er uns aus Gnade und reiner Barmherzigkeit durch den Glauben rechtfertigt. So hatte ich das Gefühl, wiedergeboren und durch offene Türen ins Paradies gegangen zu sein … Dieser Abschnitt aus dem Paulusbrief wurde für mich zu einer Pforte in den Himmel.“ Martin Luther war wiedergeboren worden, und die Reformation begann in seinem Herzen.

3. Der Einfluss des Römerbriefs auf John Wesley

  1. Im Mai 1738 nahm ein erfolgloser Pfarrer und Missionar widerwillig an einer kleinen Bibelstunde teil, bei der jemand aus Martin Luthers Kommentar zum Römerbrief vorlas.
  2. Wie Wesley, der erfolglose Missionar, später sagte: „Während er die Veränderung beschrieb, die Gott im Herzen durch den Glauben an Christus bewirkt, fühlte ich, wie es mir auf seltsame Weise warm ums Herz wurde. Ich spürte, dass ich im Hinblick auf meine Errettung auf Christus, Christus allein, vertraute, und es wurde mir die Gewissheit gegeben, dass er auch meine Sünden weggenommen hatte.“ John Wesley wurde in dieser Nacht in London gerettet.

4. Schau Dir mal an, was diese Männer über den Römerbrief zu sagen haben:

  1. Martin Luther lobte den Römerbrief: „Es ist der wichtigste Teil des Neuen Testaments und das vollkommene Evangelium … der ultimative Gipfel des Evangeliums“.
  2. Luthers Nachfolger Philipp Melanchton nannte den Römerbrief, „den Leitfaden der christlichen Lehre“.
  3. Johannes Calvin sagte über den Römerbrief: „Wer diesen Brief versteht, dem wird ein Weg zum Verständnis der ganzen Heiligen Schrift eröffnet.“
  4. Samuel Coleridge, ein englischer Dichter und Literaturkritiker, sagte, der Brief den Paulus an die Gemeinde in Rom schrieb, sei „das tiefgreifendste Werk, das es gibt“.
  5. Frederick Godet, ein Schweizer Theologe des 19. Jahrhunderts, nannte den Römerbrief „Die Kathedrale des christlichen Glaubens“.
  6. G. Campbell Morgan meinte, der Römerbrief sei „die pessimistischste Seite der Literatur, auf der deine Augen je geruht haben“ und gleichzeitig „das optimistischste Gedicht, dem deine Ohren je gelauscht haben“.
  7. Richard Lenski schrieb, dass der Römerbrief „zweifellos der dynamischste aller neutestamentlichen Briefe sei, auch wenn er auf dem Höhepunkt der apostolischen Laufbahn von Paulus geschrieben wurde“.

5. Wir sollten uns auch an die Worte erinnern, die der Apostel Petrus über die Briefe von Paulus geschrieben hat: … wie auch unser geliebter Bruder Paulus euch geschrieben hat nach der ihm gegebenen Weisheit, so wie auch in allen Briefen, wo er von diesen Dingen spricht. In ihnen ist manches schwer zu verstehen (2. Petrus 3, 15-16)

  1. Der Römerbrief enthält lebensverändernde Wahrheiten, aber um zu verstehen, was der Heilige Geist durch den Apostel Paulus gesagt hat, muss man sich Mühe geben und entschlossen sein.

B. Einleitung

1. Paulus stellt sich den römischen Christen vor

Römer 1, 1

Römer 1, 1
Paulus, Knecht Jesu Christi, berufener Apostel, ausgesondert für das Evangelium Gottes

  1. Paulus: Das Leben und Wirken des Apostels Paulus (auch bekannt als Saulus von Tarsus) wurde in den Kapiteln 8 bis 28 der Apostelgeschichte, sowie in Galater 1 & 2 und 2. Korinther 11 & 12 ausführlich dokumentiert.
    1. Es wird davon ausgegangen, dass Paulus den Römerbrief in Korinth schrieb, während er dort auf seiner dritten Missionsreise den Winter verbrachte, wie in Apostelgeschichte 20, 2-3 beschrieben wird. Weiter lässt sich dies aus Römer 16, 1 und 16, 23, sowie aus 1. Korinther 1, 14 ableiten. Verschiedene Kommentatoren schätzen, dass er den Brief zwischen 53 und 58 n. Chr. geschrieben hat.
    2. Auf seinem Weg nach Jerusalem hatte er drei Monate in Korinth zugebracht, ohne irgendwelche Verpflichtungen zu haben. Vielleicht hielt er dies für einen guten Zeitpunkt, um den Christen in Rom, eine Gemeinde, die er nach der Reise nach Jerusalem besuchen wollte, schon mal einen Brief zu schreiben.
    3. Als Paulus versuchte, nach Rom zu gehen, warnte ihn der Heilige Geist vor der Gefahr, die ihn in Jerusalem erwartete (Apostelgeschichte 21, 10-14). Was wäre, wenn er es nicht bis nach Rom schaffen würde? Dann musste er ihnen einen Brief schreiben, der so umfassend war, dass die Christen in Rom das von Paulus gepredigte Evangelium hatten, auch wenn er sie selbst nicht besuchen konnte.
    4. Aufgrund all dessen ist der Römerbrief anders als viele der anderen Briefe, die Paulus an verschiedene Gemeinde schrieb. Andere neutestamentliche Briefe konzentrieren sich mehr auf die Gemeinde mit all ihren Herausforderungen und Problemen. Der Brief an die Römer konzentriert sich mehr auf Gott und seinen großen Erlösungsplan.
    5. Wir wissen, dass der Römerbrief von den Christen in Rom sehr geschätzt wurde; der Brief von Clemens von Rom aus dem Jahr 96 n. Chr. zeigt, dass er den Brief des Paulus sehr gut kannte. Es könnte sein, dass er ihn auswendig gelernt hat und dass die Lesung des Briefes zu einem Bestandteil praktisch jeder Versammlung der Gemeinde in Rom wurde. Außerdem glauben viele Gelehrte (darunter Bruce und Barclay), dass eine redigierte Fassung des Römerbriefs – ohne die persönlichen Bezüge in Römer 16 – als Zusammenfassung der apostolischen Lehre unter den frühen Gemeinden weit verbreitet war.
  2. Ein Knecht … ein Apostel: Das was Paulus über sich selbst sagt, ist wichtig. Er ist als erstes ein Knecht Jesu Christi und als zweites ein berufener Apostel.
    1. Es gab mehrere altgriechische Wörter, die benutzt wurden, um einen Sklaven zu bezeichnen, aber hinter dem Wort für Knecht (doulos) steckt der Gedanke der „vollständigen und völligen Hingabe, und nicht die Unterwürfigkeit, die den normalen Zustand des Sklaven beschrieb.“ (Morris)
    2. „Ein Diener Jesu Christi ist ein höherer Titel als ein König der Welt.“ (Poole)
  3. Ausgesondert für das Evangelium Gottes: Ein Apostel zu sein, bedeutet, dass man ein besonderer Botschafter oder Bote ist. Die Botschaft die Paulus überbringt, ist das Evangelium (die gute Nachricht) Gottes. Es wird Evangelium Gottes genannt, weil es Gott im Himmel gehört. Dies ist kein Evangelium, das Paulus sich ausgedacht hat; sondern er ist ein Botschafter des Evangeliums Gottes.
    1. Ausgesondert für das Evangelium: „Der heilige Paulus bezieht sich hier wahrscheinlich auf seinen früheren Status als Pharisäer, was wörtlich Separatist oder Abgesonderter bedeutet. Vorher war er für den Dienst in seiner eigenen religiösen Gruppe abgesondert; jetzt für das Evangelium Gottes“. (Clarke)
    2. „Manche meinen, er spiele hierbei auf die Bezeichnung Pharisäer an, das von ‚absondern‘ kommt: Als er Pharisäer war, war er für das Gesetz Gottes abgesondert; und nun, als Christ, für das Evangelium Gottes.“ (Poole)
  4. Das Evangelium Gottes: Andere neutestamentliche Briefe konzentrieren sich mehr auf die Gemeinde und ihre Herausforderungen und Probleme; Der Römerbrief konzentriert sich mehr auf Gott. „Gott ist das wichtigste Wort in diesem Schreiben. Der Römerbrief ist ein Buch über Gott. Kein Thema wird darin so häufig erwähnt wie Gott. Alles, was Paulus in diesem Brief anspricht, bezieht er auf Gott. In unseren Bemühungen zu verstehen, was der Apostel über Rechtschaffenheit, Rechtfertigung und dergleichen sagt, sollten wir seinen ungeheuren Fokus auf Gott nicht übersehen.“ (Morris)
    1. Das Wort ‚Gott‘ kommt im Römerbrief 153-mal vor; durchschnittlich einmal alle 46 Wörter – das ist häufiger als in jedem anderen Buch des Neuen Testaments. Beachte im Vergleich dazu die Häufigkeit anderer Wörter, die im Römerbrief verwendet werden: Gesetz (72), Christus (65), Sünde (48), Herr (43) und Glaube (40). Der Brief an die Römer behandelt viele verschiedene Themen, aber in erster Linie ist es ein Buch über Gott.
    2. Es gibt viele wichtige Wörter im Vokabular des Römerbriefs, die wir verstehen müssen. Bruce zitiert Tyndales Vorwort zum Römerbrief: „Zuerst müssen wir sorgfältig auf die Ausdrucksweise des Apostels achten und vor allem verstehen, was Paulus mit diesen Worten – das Gesetz, Sünde, Gnade, Glaube, Gerechtigkeit, Fleisch, Geist und dergleichen – meint, ansonsten werden unsere Bemühungen, so oft wir ihn auch lesen, vergeblich sein.“

2. Paulus stellt der Gemeinde in Rom sein Evangelium vor

Römer 1, 2-6

Römer 1, 2-6
Das er zuvor verheißen hat in heiligen Schriften durch seine Propheten [nämlich das Evangelium] von seinem Sohn, der hervorgegangen ist aus dem Samen Davids nach dem Fleisch und erwiesen ist als Sohn Gottes in Kraft nach dem Geist der Heiligkeit durch die Auferstehung von den Toten, Jesus Christus, unseren Herrn, durch welchen wir Gnade und Aposteldienst empfangen haben zum Glaubensgehorsam für seinen Namen unter allen Heiden, unter denen auch ihr seid, Berufene Jesu Christi

  1. Das er zuvor verheißen hat … durch seine Propheten: Dieses Evangelium ist nicht neu, und es ist keine kluge Erfindung des Menschen. Die Welt in der Paulus lebte, war der unseren sehr ähnlich, mit vielen Menschen, die ‚neue‘ Lehren und Glaubenssätze mochten. Dennoch brachte Paulus nichts Neues, sondern etwas, das schon seit sehr langer Zeit Teil von Gottes Plan war.
  2. Von seinem Sohn: Dies ist das Zentrum des Paulus-Evangeliums, die ‚Sonne‘, um die alles andere kreist. Das Zentrum des Christentums ist nicht eine Lehre oder ein Moralsystem, es ist eine Person: Jesus Christus.
    1. Dieser Jesus ist von einem Menschen geboren worden (hervorgegangen aus dem Samen Davids nach dem Fleisch), und wird ewig Leben (erwiesen als Sohn Gottes). Der Beweis für Jesu Menschlichkeit ist seine Geburt als Mensch; der Beweis für seine Gottheit ist seine Auferstehung von den Toten.
    2. Die Auferstehung Jesu zeigt seine göttliche Kraft, weil er aus eigener Kraft auferstanden ist: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten! (Johannes 2, 19).
    3. „Jesus zeigt sich vor der Auferstehung als Sohn Gottes in seiner Schwachheit, nach der Auferstehung jedoch als Sohn Gottes in seiner Macht.“ (Morris)
  3. Erweisen (oder auch deklarieren): Dieses altgriechische Wort (horizo) stammt von dem Begriff „beschränken, definieren, bestimmen oder begrenzen, und daher kommt unser Wort Horizont, die Linie, die den am weitesten sichtbaren Teil der Erde in Bezug auf den Himmel bestimmt. An dieser Stelle steht das Wort für eine so offensichtliche und vollständige Darstellung des Gegenstands, dass sie unwiderlegbar ist.“ (Clarke)
  4. Jesus Christus, unseren Herrn: Es hatte schon einen Grund, dass der Apostel Paulus Jesus als Herrn bezeichnete: „Dieser Begriff könnte nur eine höfliche Anrede sein, wie unser ‚Herr‘. Es könnte aber auch für die Gottheit verwendet werden, die man verehrt. Besonders interessant ist jedoch, dass er in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments verwendet wird, um den göttlichen Namen Jahwe wiederzugeben … Christen, die diese Bibel verwenden, sind mit dem Begriff als Synonym für Gottheit vertraut.“ (Morris)
  5. Durch welchen wir Gnade und Aposteldienst empfangen haben zum Glaubensgehorsam: Das Evangelium von Paulus wirkt sich auf das Leben des Einzelnen aus. Es ist keine interessante Theorie oder Philosophie, es ist eine lebensverändernde gute Nachricht.
    1. Das Evangelium gab Paulus und der Gemeinde Gnade und Apostelamt zugleich, und ein Grund dafür, warum diese beiden Gaben gegeben wurden, war, Gehorsam gegenüber dem Glauben zu erzeugen. „Ohne die Gnade, die Gunst und die spezifische Hilfe Gottes hätte er kein Apostel sein können.“ (Clarke)
    2. Das Evangelium ist groß und wichtig genug für die ganze Welt; es muss unter alle Heiden gelangen.
    3. Das Evangelium hatte nun auch die Christen in Rom erreicht und zeigte somit deutlich, dass sie Berufene Jesu Christi sind.

3. Der Wunsch von Paulus, nach Rom zu kommen

Römer 1, 7-15

Römer 1, 7-15
An alle in Rom anwesenden Geliebten Gottes, an die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Zuerst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus um euer aller willen, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündigt wird. Denn Gott, dem ich in meinem Geist diene am Evangelium seines Sohnes, ist mein Zeuge, wie unablässig ich an euch gedenke, indem ich allezeit in meinen Gebeten flehe, ob es mir nicht endlich einmal durch den Willen Gottes gelingen möchte, zu euch zu kommen. Denn mich verlangt danach, euch zu sehen, um euch etwas geistliche Gnadengabe mitzuteilen, damit ihr gestärkt werdet, das heißt aber, dass ich mitgetröstet werde unter euch durch den gegenseitigen Austausch eures und meines Glaubens. Ich will euch aber nicht verschweigen, Brüder, dass ich mir schon oftmals vorgenommen habe, zu euch zu kommen — ich wurde aber bis jetzt verhindert —, um auch unter euch etwas Frucht zu wirken, gleichwie unter den übrigen Heiden. Ich bin ein Schuldner sowohl den Griechen als auch den Barbaren, sowohl den Weisen als auch den Unverständigen; darum bin ich bereit, soviel an mir liegt, auch euch in Rom das Evangelium zu verkündigen.

  1. An alle in Rom: Paulus war selber noch nie in Rom gewesen, und hat die Gemeinde dort auch nicht gegründet. Das macht den Römerbrief anders, weil die meisten Briefe von Paulus an von ihm gegründete Gemeinden gerichtet waren. Es sieht ganz so aus, dass die Gemeinde in Rom spontan entstanden ist, als Christen von außerhalb in die große Stadt des Reiches kamen und sich dort niederließen. Es gibt auch keine biblischen oder historischen Beweise dafür, dass der Apostel Petrus die Gemeinde in Rom gegründet hat.
    1. Wie lesen in Apostelgeschichte 2, 10, wie am Pfingsttag Menschen aus Rom unter den anwesenden Juden waren. Als sie nach Hause zurückkehrten, entstand demnach eine christliche Gemeinde in Rom. Abgesehen davon, dass Christen kontinuierlich aus allen Teilen des Reiches nach Rom einwanderten, sind die Ursprünge der Gemeinde in Rom etwas unklar. Es sollte uns jedoch nicht überraschen, dass eine Gemeine dort spontan entstand, ohne direkt von einem Apostel gegründet worden zu sein.
    2. Dennoch kannte Paulus durch gemeinsame Bekanntschaften oder durch seine Reisen viele der Christen in Rom namentlich, da er sie in Römer 16 erwähnt. Auch wenn Paulus viele der römischen Christen nur flüchtig kannte, wusste er zwei Dinge über sie und jeden wahren Christen. Er wusste, dass sie Geliebte Gottes und dass sie Heilige waren.
    3. Berufenen Heiligen: „Diese Gläubigen wurden in Rom ‚Heilige genannt‘. Sie wurden nicht berufen, weil sie Heilige waren; aber sie wurden Heilige, weil sie berufen wurden.“ (Spurgeon)
  2. Gnade sei mit euch und Friede von Gott: Paulus wendet sich förmlich mit seinem vertrauten Gruß an seine Leser, indem er sie, wie es unter den Griechen üblich war, mit dem Wort Gnade und wie es unter dem jüdischen Volk üblich war, mit dem Wort Frieden begrüßt hat. Diese Gnade und dieser Friede sind nicht der freundliche Wunsch eines Menschen; sie sind Gaben, die von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus kommen.
  3. Zuerst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus um euer aller willen, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündigt wird: Paulus war dankbar dafür, dass die Gemeinde in Rom einen guten Ruf genoss. Aufgrund ihrer Lage war diese Gemeinde besonders bekannt und hatte die Möglichkeit, Jesus im ganzen Reich zu verherrlichen.
    1. Diese Christen mussten stark sein. „Die Christen Roms waren unbeliebt – sie galten als ‚Feinde der menschlichen Rasse‘ und wurden mit Lastern wie Inzest und Kannibalismus in Verbindung gebracht. Viele unter ihnen wurden Opfer der imperialen Boshaftigkeit – und es ist diese Christenverfolgung unter Nero, die traditionell den Schauplatz für das Martyrium des Paulus bildet.“ (Bruce)
    2. „Die Christen in Rom drängten darauf, Rom als Muttergemeinde anzuerkennen; aber dafür gab es keinen Grund: die Gemeinde von Thessaloniki wurden gleichermaßen gelobt: siehe 1. Thessalonicher 1, 8.“ (Poole)
  4. Unablässig gedenke ich an sie in meinen Gebeten: Paulus wollte, dass die Christen in Rom wissen, dass er für sie, und die Gelegenheit, sie zu besuchen betet (ob es mir nicht endlich einmal durch den Willen Gottes gelingen möchte, zu euch zu kommen).
    1. „Kein Wunder, dass sie so gut gediehen, wenn Paulus sie immer in seinen Gebeten erwähnte. Einige Gemeinden würden besser gedeihen, wenn sich einige von Ihnen im Gebet häufiger an sie erinnerten.“ (Spurgeon)
    2. Denn Gott ist mein Zeuge ist vielleicht Paulus‘ Erkenntnis, wie leicht es ist, zu sagen, dass man für jemanden beten wird, und es dann nicht tut. Er wollte, dass sie wissen, dass er wirklich gebetet hat.
  5. Denn mich verlangt danachdass ich mitgetröstet werde: Der Wunsch von Paulus, die Gemeinde in Rom zu besuchen, zielte nicht nur darauf ab, ihnen etwas zu geben, sondern auch etwas zu empfangen, denn Paulus erkannte, dass sie ihm durch ihren gemeinsamen Glauben etwas zu geben hatten.
  6. Ich habe mir schon oftmals vorgenommen, zu euch zu kommen (ich wurde aber bis jetzt verhindert): Lange Zeit wollte Paulus nach Rom reisen und wurde nur durch äußere Umstände daran gehindert. Vielleicht haben einige Feinde von Paulus angedeutet, dass er Angst hatte, nach Rom zu gehen und das Evangelium in der ‚ersten Liga‘, in der bedeutendsten Stadt des Reiches, zu predigen.
  7. Ich bin ein Schuldner sowohl den Griechen als auch den Barbaren, sowohl den Weisen als auch den Unverständigen: Paulus erkannte, dass er Rom gegenüber so etwas wie eine Schuld hatte. Das Römische Reich hat der Welt Frieden und Ordnung gebracht; es hat der Welt eine gemeinsame Kultur und ein hervorragendes Transportsystem gebracht. Paulus nutzte all dies, um das Evangelium zu verbreiten; daher konnte er diese Schuld am besten begleichen, indem er Rom die gute Nachricht von Jesus Christus verkündete.
    1. Paulus war ein unermüdlicher Evangelist, der in der ganzen Welt tätig war, weil er glaubte, dass er eine Rechnung zu begleichen hatte, die er der ganzen Welt schuldig war.
  8. Ich bin bereit: Spurgeon fragte sich, ob Paulus nicht die Worte ‚Ich bin bereit‘ als sein Motto benutzte. Einer der ersten Sätze, die aus seinem Mund kamen, als er gerettet wurde, war: „Herr, was willst du, dass ich tun soll? (Apostelgeschichte 9, 6).“
      1. Paulus war bereit zu predigen und zu dienen (Römer 1, 15).
      2. Paulus war bereit zu leiden (Apostelgeschichte 21, 13).
      3. Paulus war bereit, unangenehme Aufgaben zu übernehmen (2. Korinther 10, 6).
      4. Paulus war bereit zu sterben (2. Timotheus 4, 6).
    1. „Ein Mährer (Bewohner der Region Mähren) sollte von Zinzendorf zum Predigen nach Grönland geschickt werden. Er hatte noch nie von diesem Ort gehört; aber sein Leiter rief ihn und sagte: „Bruder, willst du nach Grönland gehen?“ Er antwortete: ‚Ja, Herr.‘ „Wann wirst du gehen?“ „Wenn ich meine Stiefel vom Schuster zurückerhalte“ und er ging, sobald er seine Stiefel wiederhatte. Er wollte nichts anderes als nur dieses Paar Stiefel, und er war bereit zu gehen. Paulus, der nicht einmal darauf wartete, dass seine Stiefel vom Schuster zurückkamen, sagte: ‚Ich bin bereit‘. Oh, es ist großartig, einen Mann zu finden, der so wenig verstrickt ist, dass er dorthin gehen kann, wo Gott ihn haben möchte, und das sofort.“ (Spurgeon)
  9. Ich bin bereit, soviel an mir liegt, auch euch in Rom das Evangelium zu verkündigen: Das ist Kühnheit, die da spricht. „Sprecht von euren tapferen Männern, euren großen Männern, o Welt! Wo in der ganzen Geschichte kann man einen wie Paulus finden? Alexander, Cäsar, Napoleon, marschierten im Schutz ihrer Armeen, um den Menschen ihren Willen aufzuzwingen. Paulus wollte unbedingt mit Christus allein mit dem Wort vom Kreuz, von dem er selbst sagt, dass es den Juden ein Ärgernis, und den Griechen eine Torheit ist, zum großen Zentrum dieser Welt marschieren, die von Satan beherrscht wird.“ (Newell)
    1. Ironischerweise – und das ist das Geheimnis von Gottes Ironie – kam Paulus, als er schließlich nach Rom gelangte, als schiffbrüchiger Gefangener dorthin.
    2. „Ich nehme nicht an, dass Paul ahnte, dass er auf Kosten der Regierung dorthin geschickt werden würde, aber so war es. Das Römische Reich musste ein Schiff für ihn finden und auch eine passende Eskorte; und er betrat die Stadt als Botschafter in Fesseln. Wenn unsere Herzen an einer Sache hängen und wir dafür beten, kann Gott uns den Wunsch erfüllen, aber vielleicht auf eine Weise, wie wir es uns niemals gedacht hätten. Du sollst nach Rom gehen, Paulus; aber du sollst in Ketten gehen.“ (Spurgeon)

4. Paulus stellt das Thema seines Briefes vor: die Gerechtigkeit Gottes, wie sie im Evangelium Jesu Christi offenbart wird

Römer 1, 16-17

Römer 1, 16-17
Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist Gottes Kraft zur Errettung für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, dann auch für den Griechen; denn es wird darin geoffenbart die Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: »Der Gerechte wird aus Glauben leben«.

  1. Nach seiner Einleitung teilt Paulus uns mit, was in seinen Augen die wichtigste Aussage seines Briefes an die Gemeinde in Rom ist. Leon Morris sagt über Römer 1, 16 und 17: „Diese beiden Verse haben eine Bedeutung, die in keinem Verhältnis zu ihrer Länge steht.“
  2. Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht: Dies offenbart das Herz von Paulus. In einer hochentwickelten Stadt wie Rom mögen sich manche für ein Evangelium schämen, in dessen Mittelpunkt ein gekreuzigter jüdischer Erlöser steht und das von den niedrigsten Bevölkerungsschichten geglaubt wird – aber Paulus schämt sich nicht.
  3. Denn es ist Gottes Kraft zur Errettung für jeden, der glaubt: Deshalb schämt sich Paulus nicht für ein Evangelium, in dessen Mittelpunkt ein gekreuzigter Erlöser steht. Er weiß, dass das Evangelium – die gute Nachricht von Jesus Christus – eine eigene Kraft besitzt. Wir geben ihm keine Kraft, wenn wir es wirksam vortragen, wir stehen der Kraft, die das Evangelium in sich trägt, nur nicht länger im Wege.
    1. Das Evangelium ist sicherlich eine Nachricht, aber es ist mehr als nur eine Information; es hat eine eigene Kraft. „Das Evangelium ist kein Ratschlag an die Menschen, dass sie sich selbst erheben sollen. Es ist eine Kraft. Es erhebt sie. Paulus sagt nicht, dass das Evangelium Kraft bringt, sondern dass es eine Kraft ist, und zwar die Kraft Gottes.“ (Morris)
    2. Vor allem die Stadt Rom glaubte, alles über Kraft zu wissen: „Kraft war das, womit Rom sich am meisten rühmte. Griechenland mag seine Philosophie haben, aber Rom hatte seine Kraft“ (Wiersbe). Trotz all ihrer Kraft waren die Römer – wie alle Menschen – machtlos, wenn es darum ging, sich vor Gott als gerecht zu erweisen. Der Philosoph der Antike, Seneca, nannte Rom ‚einen Sündenpfuhl‘, und der antike Schriftsteller Juvenal nannte es einen „schmutzigen Abwasserkanal, in den der Abschaum des Reiches fließt“.
    3. Für die Errettung: In der römischen Welt zur Zeit des Paulus suchten die Menschen nach Errettung. Die Philosophen wussten, dass der Mensch krank war und Hilfe brauchte. Epiktet nannte den Raum, in dem er seine Vorträge hielt „das Krankenhaus für die kranke Seele“. Epikur nannte seine Lehre „die Medizin der Errettung“. Seneca sagte, weil sich die Menschen „ihrer Schwäche und ihrer Unfähigkeit in Bezug auf die notwendigen Dinge“ so stark bewusst seien, würden alle Menschen „auf die Errettung hin“ blicken. Epiktetus sagte, die Menschen suchten einen Frieden, der „nicht durch die Verkündigung des Kaisers, sondern von Gott kommt.“ (zitiert in Barclay)
    4. Die Kraft des Evangeliums zur Errettung kommt zu jedem, der glaubt. Gott wird demjenigen, der glaubt, die Errettung nicht vorenthalten; der Glaube aber ist die einzige Voraussetzung.
  4. Zuerst für den Juden, dann auch für den Griechen: Dies ist das Muster der Ausbreitung des Evangeliums, das sich sowohl im Dienst Jesu (Matthäus 15, 24) als auch im anfänglichen Dienst der Jünger (Matthäus 10, 5-6) zeigt.
    1. Das bedeutet, dass das Evangelium zuerst an die Menschen gehen sollte, die aus der jüdischen Rasse und Kultur, sowie aus der griechischen Rasse und Kultur stammten. „Zu dieser Zeit hatte das Wort griechisch nicht mehr seine ursprüngliche Bedeutung. Es bedeutete nicht, dass man aus dem Land Griechenland stammen musste … [ein Grieche] war jemand, der die Kultur und den Geist Griechenlands kannte.“ (Barclay)
  5. Denn es wird darin geoffenbart die Gerechtigkeit Gottes: Das Evangelium offenbart ganz einfach die Gerechtigkeit Gottes. Diese Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes kommt zu denen, die glauben, und bestätigt somit die Aussage in Habakuk 2, 4: Der Gerechte – das heißt, der Rechtschaffene – wird durch seinen Glauben leben.
    1. Es ist wichtig, genau zu verstehen, was die Gerechtigkeit Gottes ist, die durch das Evangelium offenbart wird. Es spricht nicht von der heiligen Gerechtigkeit Gottes, die den schuldigen Sünder verurteilt, sondern von der gütigen Gerechtigkeit, die dem Sünder gegeben wird, der sein Vertrauen auf Jesus Christus setzt.
    2. Rechtschaffenheit: William Barclay erklärt die Bedeutung dieses altgriechischen Wortes dikaioo, was ‚Ich rechtfertige‘ bedeutet und die Wurzel von dikaioun (Rechtschaffenheit) ist: „Alle Verben im Griechischen, die auf oo … enden, stehen immer dafür, eine Person als etwas zu behandeln, zu betrachten oder anzusehen. Wenn Gott einen Sünder rechtfertigt, bedeutet das nicht, dass er Gründe findet, um zu beweisen, dass er im Recht war – im Gegenteil. Es bedeutet noch nicht einmal, dass er aus dem Sünder einen guten Menschen macht. Es bedeutet, dass Gott den Sünder so behandelt, als wäre er gar kein Sünder gewesen.“
    3. „Es war der glücklichste Tag in Luthers Leben, als er herausfand, dass ‚Gottes Gerechtigkeit‘, wie sie im Römerbrief verwendet wird, Gottes Urteil der Gerechtigkeit über den Gläubigen bedeutet“ (Lenski)
    4. Diese Aussage ist sogar noch größer, wenn wir verstehen, dass es die Gerechtigkeit Gottes ist, die dem Gläubigen gegeben wird. Es ist weder die Gerechtigkeit des heiligsten aller Menschen, noch ist es die Gerechtigkeit des unschuldigen Adam im Garten Eden. Es ist die Gerechtigkeit Gottes. „Die Gerechtigkeit, die der Rechtfertigung dient, zeichnet sich durch die Vollkommenheit aus, die zu allem gehört, was Gott ist und tut. Es ist eine ‚Gottes-Gerechtigkeit‘.“ (Murray)
    5. Dieser Glaube (dieses Vertrauen) an Jesus Christus wird zur Lebensgrundlage für diejenigen, die gerechtfertigt (für rechtschaffen erklärt) sind; wahrhaftig, die Gerechten werden aus Glauben leben. Sie werden nicht nur durch den Glauben gerettet, sondern sie leben durch den Glauben.
  6. Aus Glauben zum Glauben: Der Gedanke, der hinter dieser schwierigen Formulierung steckt, ist wahrscheinlich „durch Glauben vom Anfang bis zum Ende“. Die NIV übersetzt den Ausdruck „aus Glauben zum Glauben“ mit den Worten „durch Glauben vom Ersten bis zum Letzten“.
    1. „Er sagt nicht: vom Glauben zu den Werken oder von den Werken zum Glauben, sondern vom Glauben zum Glauben, d.h. nur durch den Glauben.“ (Poole)
    2. „Vielleicht geht es um die Notwendigkeit, den Gläubigen daran zu erinnern, dass der rechtfertigende Glaube nur der Anfang des Lebens des Christen ist. Die gleiche Haltung muss ihn auch in seinem weiteren Leben als Kind Gottes leiten.“ (Harrison) Dies ist ein Hinweis auf die Botschaft von Paulus in Galater 3, 1-3.

C. Warum der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt werden muss: die Schuld der Menschheit im Allgemeinen

1. Die größte Gefahr für die Menschheit: der Zorn Gottes

Römer 1, 18a

Römer 1, 18a
Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her

  1. Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her: Der Grundgedanke, um den es hier geht, ist einfach, aber ernüchternd – Gottes Zorn wird vom Himmel her über die Menschheit offenbart, und die Menschheit verdient den Zorn Gottes.
  2. Gottes Zorn: Gelegentlich lehnen wir den Gedanken vom Zorn Gottes ab, weil wir ihn mit menschlichem Zorn gleichsetzen, der durch egoistische persönliche Gründe oder aus Rachegelüsten motiviert ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gottes Zorn durch und durch gerecht ist.
    1. „Es ist unnötig und schwächt das biblische Konzept des Zorns Gottes, wenn man ihm seinen emotionalen und gefühlsmäßigen Charakter nimmt … Gottes Zorn einfach als seine Absicht zu verstehen, die Sünde zu bestrafen oder die Verbindung zwischen Sünde und Elend zu sichern, bedeutet, den Zorn mit seinen Auswirkungen gleichzusetzen und ihn als Gefühlsregung im Denken Gottes praktisch zu eliminieren. Zorn ist der heilige Ekel des Wesens Gottes gegen das, was im Widerspruch zu seiner Heiligkeit steht.“ (Murrarisch)
    2. In Römer 1, 16 spricht Paulus von der Errettung – aber wovor werden wir gerettet? In erster Linie werden wir vor dem Zorn Gottes gerettet, den wir zu Recht verdient haben. „Wenn es nichts gibt, wovor man gerettet werden muss, ist es sinnlos, über Rettung zu reden.“ (Morris)
  3. Gottes Zorn: In diesem Teil des Briefes (Römer 1, 18-3, 20) geht es Paulus nicht darum, die gute Nachricht zu verkünden, sondern darum, die absolute Notwendigkeit der guten Nachricht von der Rettung vor Gottes gerechtem Zorn zu unterstreichen.
    1. Der Zorn Gottes offenbart sich nicht im Evangelium, sondern in dem, was Menschen jeden Tag erleben.

2. Warum die Menschheit vor Gott schuldig ist: Beweise für unsere Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit

Römer 1, 18b-23

Römer 1, 18b-23
Über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten, weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar gemacht hat; denn sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken wahrgenommen, sodass sie keine Entschuldigung haben. Denn obgleich sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt, sondern sind in ihren Gedanken in nichtigen Wahn verfallen, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit einem Bild, das dem vergänglichen Menschen, den Vögeln und vierfüßigen und kriechenden Tieren gleicht.

  1. Gottlosigkeit: Dies bezieht sich auf die Vergehen der Menschen gegenüber Gott. Ungerechtigkeit bezieht sich auf die Sünden des Menschen gegen andere Menschen.
  2. Welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten: Die Menschheit hält in der Tat die Wahrheit Gottes auf. Jede Wahrheit, die Gott dem Menschen offenbart hat, wurde immer wieder bekämpft, missachtet und absichtlich verschleiert.
  3. Sein unsichtbares Wesen ist wahrnehmbar: Gott zeigt uns etwas von seiner ewigen Kraft und seiner göttlichen Natur durch die Schöpfung, durch die Dinge, die geschaffen wurden. Er hat uns eine allgemeine Offenbarung gegeben, die sowohl in der Schöpfung als auch im Verstand und Herzen des Menschen deutlich erkennbar ist.
    1. Wahrzunehmen: Der universelle Charakter dieser Offenbarung und ihre Klarheit sorgen dafür, dass die Menschen keine Entschuldigung haben, sie abzulehnen. „Die Menschen können Gott nicht vorwerfen, dass er sich vor ihnen verbirgt, und damit ihre Ungläubigkeit und Sittenlosigkeit entschuldigen.“ (Lenski)
  4. Denn obgleich sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott geehrt: Das Problem ist nicht, dass der Mensch Gott nicht erkannte, sondern dass er ihn kannte – sich aber weigerte, ihn als Gott zu ehren. Deshalb hat die Menschheit keine Entschuldigung. Anstatt Gott zu verherrlichen, haben wir unsere Vorstellung von ihm in Formen und Bilder umgewandelt, die für unsere verdorbenen und verfinsterten Herzen angenehmer sind.
    1. „Beachte bitte, dass in meinem Text steht, dass unser Wissen nichts nützt, wenn es nicht dazu führt, dass man es in die Tat umsetzt. `Sie kannten Gott´. Es nützte ihnen nichts, Gott zu kennen, denn `sie haben ihn doch nicht als Gott geehrt´. Mein theologischer Freund dort drüben, der so viel weiß, dass er trefflich über alle möglichen Lehren diskutieren kann, sagt also: Es ist egal, was du denkst oder was du weißt, wenn es dich nicht dazu bringt, Gott zu verherrlichen und dankbar zu sein.“ (Spurgeon)
    2. Wir können der Versuchung nicht widerstehen, Gott nach seinem eigenen verdorbenen Ebenbild oder gar nach einem Bild zu erschaffen, das geringer ist als wir. Tragischerweise werden wir unausweichlich wie der Gott, dem wir dienen.
    3. Es ist absolut notwendig, dass wir unsere eigene Vorstellung von Gott ständig mit der Realität Gottes, wie sie in seinem Wort offenbart ist, vergleichen. Wir können uns auch schuldig machen, einen selbstgemachten Gott zu verehren.
    4. Bild in Römer 1, 23 ist das altgriechische Wort eikon. Es ist eine gefährliche Sache, die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit einem Eikon (Bild) seiner eigenen Wahl zu vertauschen.
  5. Haben ihm nicht gedankt: Die schlichte Undankbarkeit des Menschen gegenüber Gott ist schockierend. „Ich kann über einen Menschen nichts Schlimmeres sagen, als dass er denen nicht dankbar ist, die seine Wohltäter waren; und wenn man sagt, dass er Gott nicht dankbar ist, dann hat man so ziemlich das Schlimmste gesagt, was man über ihn sagen kann.“ (Spurgeon)
    1. „Wenn Du aber Gott als Gott lobst, und für alles dankbar bist – wenn Du ein Stück Brot und einen Becher kaltes Wasser zu Dir nehmen und mit dem armen Puritaner sagen kannst: „Was, all das und Christus dazu?“ – dann bist Du glücklich und machst andere glücklich. Als ein gottesfürchtiger Prediger feststellte, dass es nur eine Kartoffel und einen Hering zum Abendessen gab, dankte er Gott, dass er das Meer und das Land durchkämmt hatte, um Nahrung für seine Kinder zu finden. Solch ein süßer Geist bringt Liebe zu allen hervor und lässt einen Menschen fröhlich durch die Welt gehen.“ (Spurgeon)
  6. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden: Wenn wir Gottes allgemeine Offenbarung ablehnen, macht uns das nicht klüger oder besser. Stattdessen macht das die Menschheit in ihren Gedanken nichtig und verfinstert unsere unverständigen Herzen – und wir werden zu Narren.
    1. Tatsache ist, dass ein Mensch, der die Wahrheit ablehnt, die Gott in Jesus verkündet hat, auf alles Törichte hereinfällt und weitaus schwächeren und fantasieloseren Systemen vertraut als dem, was er von Gott ablehnt.
    2. Diese Sinnlosigkeit des Denkens, die Verfinsterung des Herzens und die Torheit müssen als ein Beispiel für den gerechten Zorn Gottes gegen diejenigen gesehen werden, die seine Offenbarungen ablehnen. Ein Teil seines Urteils über uns besteht darin, dass er uns den Schmerz erleiden lässt, den unser sündiger Kurs verursacht.

3. Das tragische Ergebnis der menschlichen Schuld vor Gott

Römer 1, 24-32

Römer 1, 24-32
Darum hat sie Gott auch dahingegeben in die Begierden ihrer Herzen, zur Unreinheit, sodass sie ihre eigenen Leiber untereinander entehren, sie, welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschten und dem Geschöpf Ehre und Gottesdienst erwiesen anstatt dem Schöpfer, der gelobt ist in Ewigkeit. Amen! Darum hat sie Gott auch dahingegeben in entehrende Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; gleicherweise haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind gegeneinander entbrannt in ihrer Begierde und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfangen. Und gleichwie sie Gott nicht der Anerkennung würdigten, hat Gott auch sie dahingegeben in unwürdige Gesinnung, zu verüben, was sich nicht geziemt, als solche, die voll sind von aller Ungerechtigkeit, Unzucht, Schlechtigkeit, Habsucht, Bosheit; voll Neid, Mordlust, Streit, Betrug und Tücke, solche, die Gerüchte verbreiten, Verleumder, Gottesverächter, Freche, Übermütige, Prahler, erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam; unverständig, treulos, lieblos, unversöhnlich, unbarmherzig. Obwohl sie das gerechte Urteil Gottes erkennen, dass die des Todes würdig sind, welche so etwas verüben, tun sie diese Dinge nicht nur selbst, sondern haben auch Gefallen an denen, die sie verüben.

  1. Darum hat sie Gott auch dahingegeben: In seinem gerechten Zorn und Urteil überlässt Gott den Menschen der Sünde, die unser böses Herz begehrt, und lässt uns die selbstzerstörerischen Folgen der Sünde erfahren. Dieser Satz ist so wichtig, dass Paulus ihn in diesem Abschnitt dreimal wiederholt.
    1. Hosea 4, 17 bringt den strafenden Aspekt zum Ausdruck, nämlich die Tatsache, dass Gott uns ‚aufgibt‘ und uns unserer eigenen Sünde überlässt: Ephraim ist an die Götzen gebunden; lasst ihn in Ruhe!
    2. Wir machen einen Fehler, wenn wir denken, dass es Gottes Barmherzigkeit oder Güte ist, die es dem Menschen erlaubt, in der Sünde zu verharren. In Wirklichkeit ist es sein Zorn, der uns erlaubt, uns mit der Sünde weiter zu zerstören.
  2. Welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschen: Bei jeder Rebellion und jedem Ungehorsam gegen Gott tauschen wir die Wahrheit Gottes mit der Lüge unserer eigenen Wahl und stellen das Geschöpf über den Schöpfer.
    1. Paulus verwendet den bestimmten Artikel – es ist keine Lüge, sondern die Lüge. Die Lüge ist im Wesentlichen Götzendienst – das was uns an die Stelle Gottes setzt. Es ist die Lüge, dass Sie wie Gott sein werden (1. Mose 3, 5).
  3. Darum hat sie Gott auch dahingegeben in entehrende Leidenschaften: Paulus schrieb dies aus Korinth, wo jede Art von sexueller Unmoral und ritueller Prostitution offen praktiziert wurde. Die Terminologie in Römer 1, 24 bezieht sich auf diese Kombination von sexueller Unmoral und Götzenanbetung.
    1. Damit beginnt ein Abschnitt, in dem Paulus die Sünde und Verdorbenheit der heidnischen Welt mit einer erstaunlichen Direktheit beschreibt – so direkt, dass Spurgeon diesen Abschnitt für die öffentliche Lesung als ungeeignet ansah. „Dieses erste Kapitel des Römerbriefs ist ein furchtbarer Teil des Wortes Gottes. Ich möchte ihn nicht laut vorlesen; er ist nicht dazu bestimmt, so verwendet zu werden. Lest es zu Hause, und seid über die schrecklichen Laster der heidnischen Welt erschüttert.“ (Spurgeon)
  4. Denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen: Paulus benutzt Homosexualität – sowohl in der weiblichen als auch in der männlichen Form – als Beispiel dafür, dass Gott die Menschheit der Unreinheit und Lust überlässt.
    1. Einige sagen, dass die Bibel lesbische Homosexualität nirgendwo verurteilt, aber Römer 1, 27 macht deutlich, dass die in Römer 1, 27 verurteilte Sünde der Homosexualität mit der in Römer 1, 26 erwähnten Sünde der Frauen verbunden ist.
    2. Paulus verwendet hier nicht einmal die normalen Worte für Männer und Frauen; er verwendet die Worte für männlich und weiblich, wobei er Kategorien verwendet, die Sexualität außerhalb der menschlichen Begriffe beschreiben, weil die Art der sexuellen Sünde, die er beschreibt, außerhalb der Menschenwürde liegt.
    3. Paulus kategorisiert den gesamten Abschnitt unter dem Begriff der entehrenden Leidenschaften – ungesund, unheilig. Dennoch lebte Paulus in einer Gesellschaft, die Homosexualität offen billigte. Paulus hat dies nicht an eine Gesellschaft geschrieben, die mit ihm übereinstimmte.
    4. Paulus schrieb an eine Gesellschaft, in der Homosexualität sowohl für Männer als auch für Frauen als Teil des Lebens akzeptiert wurde. Seit etwa 200 Jahren praktizierten die Männer, die das Römische Reich damals regierten, Homosexualität offen, oft mit kleinen Jungen.
    5. Zeitweise besteuerte das Römische Reich ausdrücklich die genehmigte homosexuelle Prostitution und gewährte männlichen Prostituierten einen gesetzlichen Feiertag. Die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren wurde anerkannt, und sogar einige der Kaiser heirateten andere Männer. Zur gleichen Zeit, als Paulus diese Zeilen schrieb, war Nero Kaiser. Er ließ einen Jungen namens Sporus kastrieren, heiratete ihn (mit einer großen Zeremonie), brachte ihn mit einer großen Prozession in den Palast und machte den Jungen zu seiner ‚Frau‘. Später lebte Nero mit einem anderen Mann zusammen, und Nero war die ‚Ehefrau‘.
    6. In der heutigen Gesellschaft geben sich viele Menschen der Unreinheit und den Begierden ihres Herzens hin, und entehren ihren Körper indem sie homosexuelle Sexpraktiken ausüben. Eine Studie aus dem Jahr 2013 hat gezeigt, dass männliche Homosexuelle deutlich früher erste sexuelle Erfahrungen machen, im Laufe ihres Lebens viel mehr Sexualpartner haben und im Vergleich zu heterosexuellen Männern oder Frauen viel häufiger mehr als nur einen Sexualpartner auf einmal haben. Männliche Homosexuelle hatten auch mehr Sexualpartner, die wesentlich älter oder jünger waren als sie selbst, als männliche oder weibliche Heterosexuelle. (Glick, Morris, Foxman; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3334840/ )
    7. Andere Studien zeigen, dass homosexuelle Männer fast dreimal so häufig wie heterosexuelle Männer und fast achtmal so häufig wie heterosexuelle Frauen mehrere Partner haben (4 oder mehr in den letzten 12 Monaten). (England, Brown, https://contexts.org/blog/an-unequal-distribution-of-partners-gays-versus-straights/ )
  5. Sie haben den verdienten Lohn Ihrer Verwirrung an sich selbst empfangen: Paulus spricht von einem verdienten Lohn für homosexuelles Verhalten; die Homosexualität hat eine Konsequenz in sich selbst. Dies spricht von der allgemein selbstzerstörerischen Natur der Sünde; sie trägt oft ihre eigene Folge in sich.
    1. Manchmal ist die Strafe eine Krankheit, die die Folge der Verletzung der natürlichen Ordnung ist. Manchmal ist es die Strafe der Rebellion, die zu geistlicher Leere und all ihren Verästelungen führt. In diesem Sinne ist der Begriff ‚schwul‘ ein Wunschdenken. Er vermittelt die Botschaft, dass der homosexuelle Lebensstil etwas grundsätzlich Glückliches und Unbeschwertes hat – was nicht der Fall ist.
  6. Auch hier wieder sollte diese ‚Freiheit‘, ungehorsam zu sein, als Gottes Gericht, nicht als seine Güte angesehen werden; diejenigen, die sich auf solche Taten einlassen, empfangen den verdienten Lohn Ihrer Verwirrung an sich selbst.
  7. Als weiteres Gericht hat Gott den Menschen eine unwürdige Gesinnung dahingegeben, so dass Dinge, die schändlich und widerwärtig sind, bereitwillig akzeptiert und gebilligt werden.
    1. Das Wort unwürdig (oder ‚verwerflich‘ im KJV) bedeutete ursprünglich „das, was sich nicht bewährt hat“. Er wurde für Münzen verwendet, die nicht dem Standard entsprachen und daher abgelehnt wurden. Der Gedanke ist, dass der Mensch, da er Gott nicht ‚anerkannt‘ hat eine ‚eine unwürdige Gesinnung‘ bekam.
    2. „Die Menschheit hat Gott auf die Probe gestellt. Sie wollte ihn anerkennen, wenn er die Anforderungen erfüllt, die sie an einen Gott stellt, der ihr gefällt, und als sie feststellte, dass er diese Anforderungen nicht erfüllte, weigerte sie sich, ihn als den Gott anzuerkennen, der angebetet werden sollte, oder ihn in ihr Weltbild aufzunehmen.“ (Wuest)
    3. Eine unwürdige Gesinnung: Unsere Rebellion gegen Gott zeigt sich nicht nur in unserem Handeln, sondern auch in unserem Denken. Wenn wir gegen Gott rebellieren, sind wir wahrhaftig ‚geistlich wahnsinnig‘.
  8. Die Liste in Römer 1, 29-31 gibt konkrete Beispiele für die Art von Dingen, die sich nicht gehören. Man beachte, dass ‚gesellschaftlich akzeptable‘ Sünden (wie Habsucht, Neid und Stolz) gleich neben ‚gesellschaftlich inakzeptablen‘ Sünden (wie Mord und Lieblosigkeit) aufgeführt sind.
    1. Habsucht: Dieses Wort beschreibt buchstäblich die Sucht nach mehr.
    2. Solche, die Gerüchte verbreiten: „Geheime Verleumder; diejenigen, die unter vorgetäuschter Geheimhaltung Anschuldigungen gegen ihre Nachbarn erheben, seien sie wahr oder falsch, und die ihren Ruf durch heimliche Gerüchte in den Schmutz ziehen.“ (Clarke)
    3. Neid: Ist das eine kleine Sünde? Der Neid ist so mächtig, dass er dazu beigetragen hat, Jesus ans Kreuz zu bringen. Pilatus wusste, dass sie ihn aus Neid ausgeliefert hatten (Matthäus 27, 18).
    4. Neid: „Sie, die sich ständig selbst erhöhen und andere unterdrücken; die sich auf Kosten ihrer Nachbarn grösser machen und sich wünschen, dass alle Menschen ihre Aussagen als Orakel betrachten.“ (Clarke)
  9. Des Todes würdig: Diejenigen, die so etwas entweder verüben oder auch nur billigen, sind des Todes würdig; sie sind die würdigen Ziele des Zornes Gottes.
  10. Woher kommt all diese Gewalt, Unmoral, Grausamkeit und Entwürdigung? Sie entsteht, wenn die Menschen aufhören Gott als den anzuerkennen der er ist, und der Zustand der Gesellschaft spiegelt das Urteil Gottes wider, das er über sie verhängt hat.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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