2. Korinther 11 – Paulus ‚törichte Prahlerei‘

A. Warum Paulus seine Berechtigung, ein Apostel zu sein, verteidigt

1. Einleitung: Bitte seid nachsichtig mit mir!

2. Korinther 11, 1

2. Korinther 11, 1
Möchtet ihr mich doch ein wenig in [meiner] Torheit ertragen! Doch ihr ertragt mich ja schon.

  1. Möchtet ihr mich doch ein wenig in [meiner] Torheit ertragen! Paulus bezeichnet die Verteidigung seines Apostelamtes nicht als Torheit, weil sie töricht oder unsinnig ist. Er nennt sie Torheit, weil er es [die Verteidigung] widerwillig tut, wohl wissend, dass er seine Zeit und Mühe für weitaus bessere Dinge verwenden könnte. Er nennt sie Torheit, weil er weiß, dass die Dinge, die er an seinem Apostelamt bislang für ehrenvoll hielt, von einigen der korinthischen Christen als töricht betrachtet werden.
  2. Doch ihr ertragt mich ja schon: Man könnte fragen: „Paulus, wenn du das für eine Torheit hältst, warum machst du dir dann überhaupt die Mühe?“ Aber es lohnt sich, und zwar aus den Gründen, die Paulus im folgenden Abschnitt erläutern wird.

2. Warum Paulus Qualifikation für das apostolische Amt wichtig ist

2. Korinther 11, 2-4

2. Korinther 11, 2-4
Denn ich eifere um euch mit göttlichem Eifer; denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau Christus zuzuführen. Ich fürchte aber, es könnte womöglich, so wie die Schlange Eva verführte mit ihrer List, auch eure Gesinnung verdorben [und abgewandt] werden von der Einfalt gegenüber Christus. Denn wenn der, welcher [zu euch] kommt, einen anderen Jesus verkündigt, den wir nicht verkündigt haben, oder wenn ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so habt ihr das gut ertragen.

  1. Denn ich eifere um euch mit göttlichem Eifer: Es ist wichtig, dass die Christen in Korinth verstehen, warum Paulus dazu befähigt ist, ein Apostel zu sein, und ihm vertrauen, denn Paulus eifert mit göttlichem Eifer um ihre Herzen. Paulus göttliche[r] Eifer ist eine gute Sache, und es wird ihn kränken, wenn die Korinther durch ein falsches Verständnis dessen, was es bedeutet, ein Apostel zu sein, verführt werden.
    1. Menschliche Eifersucht ist ein Laster, aber der Herr sagte: Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott. (Exodus 20, 5) „Gottes Eifersucht ist Liebe in Aktion. Er weigert sich, das menschliche Herz mit irgendeinem Rivalen zu teilen, nicht weil er selbstsüchtig ist und uns alle für sich selbst beansprucht, sondern weil er weiß, dass von dieser Treue zu ihm unser ganzer Lebenswandel abhängt … Gott ist nicht eifersüchtig auf uns: Er ist eifersüchtig wegen uns“. (Redpath in Gesetz und Freiheit). Gottes Eifersucht wegen seines Volkes zu teilen, ist eine Tugend.
    2. „Gottes Eifersucht ist somit eine Sorge um die Heiligkeit, die Unversehrtheit, die Reinheit der Sitten und die christlichen Normen für sein Volk. Aus diesem Grund wird er sich weigern, einen Rivalen in unserer Zuneigung zu ihm zu dulden, nicht aus selbstsüchtiger Gier, damit wir alle nur ihm allein gehören, sondern einfach, weil er weiß, dass sein großes Ziel für uns, die Reinheit und die Heiligkeit unseres Lebens, von unserer persönlichen Hingabe und Unterwerfung unter seinen Plan abhängt.“ (Redpath)
  2. Denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau Christus zuzuführen: Es ist wichtig, dass die Christen in Korinth verstehen, warum Paulus dazu befähigt ist, ein Apostel zu sein und ihm vertrauen, denn Paulus ist wie der Freund des Bräutigams, der in der Zeit zwischen der Verlobung und der Hochzeit auf die Braut aufpasst.
    1. Paulus betrachtet sich selbst als Freund des Bräutigams Jesus, und er wird sein Bestes tun, um die Braut am ‚Hochzeitstag‘ – wenn die Christen in Korinth eines Tages vor Jesus stehen – als eine keusche Jungfrau Christus zuzuführen.
    2. In der jüdischen Kultur jener Zeit hatte der Freund des Bräutigams (erwähnt auch in Johannes 3, 29) eine wichtige Aufgabe. „Der Jungfrau einen Ehemann zu besorgen, sie zu beschützen und ihre körperlichen und ehelichen Vorzüge bezeugen. Auf das Zeugnis dieses Freundes hin wählte der Bräutigam seine Braut aus. Er war der Internuncio [Vermittler/Gesandter] zwischen ihr und ihrem gewählten Gatten. Er trug alle Botschaften von ihr zu ihm und von ihm zu ihr: denn vor der Heirat wurden die Frauen zu Hause von den Eltern oder den Freunden streng bewacht“. Der Freund des Bräutigams wurde, wenn nötig, auch aufgefordert, „den Charakter der Braut zu verteidigen“. (Clarke)
    3. Zu bedenken ist auch, dass die Zeit der Verlobung in der Kultur des Paulus nicht auf die leichte Schulter genommen wurde. Wenn jemand während der Verlobungszeit untreu war, galt dies als Ehebruch, und eine Verlobung konnte nur durch eine Scheidung aufgehoben werden.
    4. Jedes Mal, wenn wir unser Herz etwas anderem als Gott schenken, begehen wir während der Zeit unserer Verlobung ‚geistlichen Ehebruch‘.
  3. Ich fürchte aber … es könnte womöglich … auch eure Gesinnung verdorben [und abgewandt] werden von der Einfalt gegenüber Christus: Es ist wichtig, dass die Christen in Korinth verstehen, warum Paulus dazu befähigt ist, ein Apostel zu sein und ihm vertrauen, denn Paulus kennt die subtile Art der Täuschungen Satans.
    1. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Christen in Korinth von Paulus apostolischer Qualifikation nicht beeindruckt waren, sie dachten nämlich weltlich und hatten den Geist Jesu nicht. Sie lehnten die scheinbare Schwäche und das unscheinbare Auftreten von Paulus ab. Dies war ein wichtiger Punkt, denn Paulus scheinbare Schwäche wurde auch von Jesus geteilt, der, als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein; sondern er entäußerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen; und in seiner äußeren Erscheinung als ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. (Philipper 2, 6-8). Nicht nur Paulus Befähigung, ein Apostel zu sein, wurde angegriffen; das Wesen Jesu selbst wurde so ebenfalls attackiert.
    2. So wie die Schlange Eva verführte mit ihrer List: Paulus begriff, dass Satans Verführung Evas im Garten Eden (1. Mose 3, 1-5) ein gutes Beispiel für Satans Täuschungsmanöver ist. Seine Lüge an Eva (Keineswegs werdet ihr sterben!), war von Halbwahrheiten und verlockenden Täuschungen umgeben.
      Die Christen in Korinth wurden herausgefordert durch die irreführende Lehre vom allzeit triumphalen Leben als Christ, weil sie in die Wahrheit eines siegreichen Lebens verpackt war, das wir in Jesus Christus haben können.
    3. Satans Lüge gegenüber Eva erinnert an ein Zitat aus Tennyson:
      Einer Lüge, die ganz und gar eine Lüge ist, kann man aufrichtig begegnen und sie bekämpfen;
      Aber eine Lüge, die teilweise aus Wahrheit besteht, ist schwieriger zu bekämpfen.
  4. Denn wenn der, welcher [zu euch] kommt, einen anderen Jesus verkündigt: Es ist wichtig, dass die Christen in Korinth verstehen, warum Paulus dazu befähigt ist, ein Apostel zu sein und ihm vertrauen, denn Paulus weiß, dass sie sich zu den falschen Aposteln hingezogen fühlen, die einen anderen Jesus predigen.
    1. Die Unruhestifter unter den korinthischen Christen, die Paulus angefochten hatten, griffen nicht nur Paulus an; sie griffen auch den wahren Jesus an, indem sie einen anderen Jesus predigten. Wer war dieser ‚andere Jesus‘? Aufgrund der Art und Weise, wie die korinthischen Christen Paulus schwache Seite und seine unscheinbare Erscheinung verachteten, war der ‚andere Jesus‘ wahrscheinlich jemand, der weder Schwäche noch Verfolgung, Erniedrigung, Leiden oder Tod kannte. Ein ‚Super-Jesus‘ ist ein andere[r] Jesus, nicht der wahre Jesus, und ein andere[r] Jesus kann nicht erretten.
    2. Den wir nicht verkündigt haben … einen anderen Geist … oder ein anderes Evangelium: Paulus warnte die Galater davor, einen anderen Jesus anzunehmen. Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch etwas anderes als Evangelium verkündigen würden als das, was wir euch verkündigt haben, der sei verflucht! Wie wir es zuvor gesagt haben, so sage ich auch jetzt wiederum: Wenn jemand euch etwas anderes als Evangelium verkündigt als das, welches ihr empfangen habt, der sei verflucht! (Galater 1, 8-9).
  5. Wenn der, welcher [zu euch] kommt: Ein Apostel ist „einer, der gesandt ist“. Diese Unruhestifter waren das genaue Gegenteil von Aposteln. Man könnte von ihnen sagen: „Der, welcher [ … ] kommt“. Von einem Apostel könnte man sagen: „Einer, der von Gott gesandt ist“. Diese falschen Apostel waren einfach gekommen; sie waren nicht wirklich von Gott gesandt.
  6. So habt ihr das gut ertragen: Das Problem war nicht so sehr, dass diese falschen Lehrer unter die Christen in Korinth gekommen waren. Das Problem war, dass die Christen in Korinth sie gut ertragen, sie bei sich aufgenommen hatten.
    1. Die Kirche hat heute dasselbe Problem. Es ist nicht überraschend, dass es heute in der Kirche Irrlehrer gibt; aber das Problem ist, dass die Kirche sie duldet und auch integriert. Die Christen von heute werden sich, wie auch schon viele Christen in früheren Zeiten, vor Jesus für ihr mangelndes Urteilsvermögen in Bezug auf Irrlehrer und Leiter, die von der Kirche akzeptiert und integriert wurden, verantworten müssen.

3. Paulus ‚törichte‘ Demut

2. Korinther 11, 5-9

2. Korinther 11, 5-9
Denn ich meine, dass ich jenen »bedeutenden Aposteln« in nichts nachstehe. Und wenn ich auch in der Rede ein Unkundiger bin, so doch nicht in der Erkenntnis; sondern wir sind euch gegenüber auf jede Weise in allem offenbar geworden. Oder habe ich eine Sünde begangen, indem ich mich selbst erniedrigte, damit ihr erhöht würdet, sodass ich euch unentgeltlich das Evangelium Gottes verkündigt habe? Andere Gemeinden habe ich beraubt und von ihnen Lohn genommen, um euch zu dienen! Und als ich bei euch war und Mangel litt, bin ich niemand zur Last gefallen; denn meinen Mangel füllten die Brüder aus, die aus Mazedonien kamen; und in allem habe ich mich gehütet, euch zur Last zu fallen, und werde mich auch ferner hüten.

  1. Denn ich meine, dass ich jenen »bedeutenden Aposteln« in nichts nachstehe: Paulus vergleicht sich hier mit einigen, die er als bedeutende Apostel bezeichnet. Offenbar waren dies die Apostel, die die korinthischen Christen Paulus gegenüber bevorzugten.
    1. Kommentatoren debattieren hitzig über die Identität dieser bedeutenden Apostel. Einige meinen, es seien andere bekannte Apostel wie Petrus oder Apollos gewesen (wie in 1. Korinther 1, 12 erwähnt). Das ist sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlich spricht Paulus sarkastisch von den falschen Aposteln, die behaupteten, sie seien Paulus überlegen.
    2. In der Originalsprache bedeutet der Ausdruck der ‚bedeutenden Aposteln‘ in etwa ‚extra-super Apostel‘. Paulus schreibt wahrscheinlich sarkastisch in Bezug auf diejenigen, die sich selbst als ‚super-duper Apostel‘ betrachteten und darstellten.
    3. In nichts nachstehe: Wer auch immer diese bedeutenden Apostel sind, Paulus wird nicht behaupten, geringer zu sein als sie. Später wird Paulus erklären, wie er (auf eine unerwartete Weise) größer ist als diese angeblich bedeutenden Apostel.
  2. Und wenn ich auch in der Rede ein Unkundiger bin: Paulus war, nach den Maßstäben der griechischen Rhetorik, in der Rede ein Unkundiger. Zu Paulus Lebzeiten war die Fähigkeit, auf hochtrabende, kultivierte und unterhaltsame Weise zu sprechen, beliebt. Andere (wie die bedeutenden Apostel, die die Christen in Korinth so sehr liebten) waren wohl in der Lage, auf diese Weise zu sprechen, aber Paulus war entweder nicht in der Lage oder nicht willens, so zu predigen. Für Paulus spielte das keine Rolle, weil es ihm nicht darum ging, die Standards der Menschen für einen ‚hochtrabenden‘ oder ‚unterhaltsamen‘ Redner zu erfüllen; es ging ihm darum, das Evangelium originalgetreu zu predigen.
    1. Es gibt eine Geschichte über eine Dinnerparty, bei der die Gäste nach dem Essen aufstehen und etwas für die Gruppe vortragen sollten. Ein berühmter Schauspieler war ebenfalls anwesend und er trug mit großer Dramatik und viel Gefühl Psalm 23 vor und setzte sich dann wieder – unter großem Applaus. Dann stand ein einfacher Mann auf und begann, denselben Psalm zu rezitieren. Er war nicht sehr wortgewandt, so dass die Leute ihn anfangs ein wenig lustig fanden. Aber sein Vortrag kam direkt aus seinem Herzen und als er fertig war, saß die Gruppe in respektvoller Stille da. Es war offensichtlich, dass die Präsentation des einfachen Mannes kraftvoller gewesen war als die des Schauspielers, und später sagte der Schauspieler zu ihm: „Ich kenne den Psalm, du aber kennst den Hirten.“
    2. Darin bestand der Unterschied zwischen der Verkündigung des Paulus und der Verkündigung der bedeutenden Apostel. Paulus hatte nicht den Schliff und das Charisma eines großen Redners, aber er kannte Gott und predigte das Evangelium mit Vollmacht.
  3. Sondern wir sind euch gegenüber auf jede Weise in allem offenbar geworden: Paulus konnte – oder wollte – den korinthischen Christen nicht die hochtrabende und unterhaltsame Predigt liefern, die sie wollten, sondern er gab ihnen sich selbst. Er ist den korinthischen Christen auf jede Weise in allem offenbar geworden. Er war kein hochtrabender Redner (nach den Maßstäben seiner Zeit), aber er war ein ehrlicher und klarer Redner.
  4. Oder habe ich eine Sünde begangen, indem ich mich selbst erniedrigte … sodass ich euch unentgeltlich das Evangelium Gottes verkündigt habe? In der damaligen Kultur wurde ein öffentlicher Redner, wenn er kein Geld für seine Rede nahm, oft als schlechter Redner mit wertloser Lehre missachtet. Viele Leute hielten jemanden, der kein Geld für seinen Vortrag verlangte, für einen absoluten Amateur. Aber Paulus kümmerte sich nicht um die Meinung anderer, wenn es um seine Herzensangelegenheit ging, das Evangelium zu predigen.
    1. Habe ich eine Sünde begangen [ … ]? Hier wird Paulus sehr ironisch. Die korinthischen Christen, die Paulus verachteten, waren in ihrem Denken so weltlich, dass sie tatsächlich dachten, Paulus könnte in Sünde sein, weil er unentgeltlich das Evangelium Gottes verkündigt hatte!
  5. Andere Gemeinden habe ich beraubt und von ihnen Lohn genommen, um euch zu dienen! Das Wort, das Paulus für beraubt verwendet, ist bedeutungsvoll. Im klassischen Griechisch wurde dieses Wort verwendet, wenn man einen toten Soldaten seiner Rüstung beraubte.
    1. Paulus bezieht sich auf die Tatsache, dass er während seiner Zeit in Korinth Unterstützung von Christen aus anderen Städten erhielt. Er konnte mit Recht sagen, dass er diese anderen Gemeinden in dem Sinn beraubt hatte, da die Christen in Korinth ihn selbst hätten unterstützen sollen, als er sich um ihre geistlichen Bedürfnisse gekümmert hatte (1. Korinther 9, 4-11). Stattdessen war Paulus niemand[em] unter den korinthischen Christen zur Last gefallen.
    2. Denn meinen Mangel füllten die Brüder aus, die aus Mazedonien kamen: Die andere[n] Gemeinden, die Paulus ‚beraubt‘ hatte, befanden sich in der Region Mazedonien, darunter war auch die Gemeinde in Philippi. Paulus dankt ihnen für ihre Großzügigkeit in Philipper 4, 14-18.

4. Paulus gegen die falschen Apostel

2. Korinther 11, 10-15

2. Korinther 11, 10-15
So gewiss die Wahrheit des Christus in mir ist, soll dieser Ruhm mir nicht verwehrt werden in den Gegenden von Achaja. Warum das? Weil ich euch nicht lieb habe? Gott weiß es. Was ich aber tue, das werde ich auch ferner tun, um denen die Gelegenheit abzuschneiden, welche eine Gelegenheit suchen, um in dem, dessen sie sich rühmen, so erfunden zu werden wie wir. Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die sich als Apostel des Christus verkleiden. Und das ist nicht verwunderlich, denn der Satan selbst verkleidet sich als ein Engel des Lichts. Es ist also nichts Besonderes, wenn auch seine Diener sich verkleiden als Diener der Gerechtigkeit; aber ihr Ende wird ihren Werken entsprechend sein.

  1. Soll dieser Ruhm mir nicht verwehrt werden: Als wahrer Apostel konnte sich Paulus ‚rühmen‘, dass er kein Geld nahm und dass er mehr an der Integrität der Botschaft als an seinen eigenen Bedürfnissen interessiert war.
  2. Warum das? Weil ich euch nicht lieb habe? Gott weiß es: Paulus Ruhm trotz seiner Schwäche und seines unscheinbaren Aussehens war den korinthischen Christen peinlich. Warum hat er sie auf diese Weise in Verlegenheit gebracht? Es war nur aus dem Grund, weil er sie liebte und einen Weg finden wollte, sie von ihrem weltlichen Denken abzubringen.
  3. Was ich aber tue, das werde ich auch ferner tun, um denen die Gelegenheit abzuschneiden, welche eine Gelegenheit suchen, um in dem, dessen sie sich rühmen, so erfunden zu werden wie wir: Paulus wollte diese bedeutenden Apostel als Betrüger entlarven. Wenn dafür scharfer Sarkasmus oder die Verlegenheit der korinthischen Christen notwendig war, um sie zu entlarven, wollte Paulus diese Mittel einsetzen.
  4. Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die sich als Apostel des Christus verkleiden: Hier wird Paulus noch direkter. Ohne Sarkasmus nennt er seine Verleumder in Korinth (oder zumindest die führenden unter ihnen) ganz deutlich falsche Apostel und betrügerische Arbeiter.
    1. Nicht viele Christen von heute wollen sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass es unter den Christen immer noch falsche Apostel und betrügerische Arbeiter gibt. Dennoch gab es sie zu Paulus Zeiten zweifellos, und so ist es bis heute.
    2. Falsche Apostel sind diejenigen, die sich als Apostel des Christus verkleiden. Tatsächlich kann sich niemand in einen wahren Apostel Jesu verwandeln; es ist ausschließlich eine Berufung Gottes. „Sie waren nie Apostel Christi, sie haben sich nur in eine solche Gestalt und Form gebracht, um erfolgreicher andere zu täuschen“. (Poole). Wie Paulus im folgenden Satz erklären wird, gleichen diejenigen, die sich verkleiden, eher Satan als Gott.
  5. Denn der Satan selbst verkleidet sich als ein Engel des Lichts. Es ist also nichts Besonderes, wenn auch seine Diener sich verkleiden als Diener der Gerechtigkeit: So wie Satan als Engel des Lichts erscheinen kann, so können auch falsche Apostel ‚gut‘ aussehen. Paulus zeigt den Christen in Korinth, wie töricht es ist, sich auf das Aussehen und Äußerlichkeiten zu verlassen.
    1. Es ist für alle Menschen, auch für Christen, so einfach, sich von Optik und Äußerlichkeiten vereinnahmen zu lassen. Viele werden das Böse nur erkennen, wenn es sich offen als böse zu erkennen gibt. Aber dieser Ansatz wird letztendlich dazu führen, dass sie Satan selbst umarmen, der sich als ein Engel des Lichts [verkleidet]. Würde Satan vor einem menschlichen Publikum erscheinen, wäre dieses stark versucht, ihn als ein Geschöpf von fast göttlicher Schönheit anzubeten. Man würde ihn als ein[en] Engel des Lichts betrachten.
    2. Daher ist es töricht, wenn sich die Christen in Korinth – oder wir heute – vom Aussehen und von Äußerlichkeiten täuschen lassen.
    3. Hughes stellt zu Recht fest, dass in der heutigen Kirche „ein Individuum nur die absurdesten Behauptungen über sich selbst von sich geben muss, um eine begeisterte und unkritische Anhängerschaft zu gewinnen“.
    4. „Es wird im Allgemeinen gesagt, dass Satan die Menschen in diesen drei Gestalten in Versuchung führt: 1. Als subtile Schlange. 2. Als brüllender Löwe. 3. Als Engel des Lichts. Als Engel des Lichts überredet er die Menschen oft unter dem Namen der Religion, Dinge zu tun, die sie zerstören. Daher all die Verfolgungen, Reisigbündel und Feuer einer bestimmten Kirche unter dem Vorwand, die Irrlehre aus der Kirche herauszuhalten; und daher all die Schrecken und Höllenqualen der Inquisition. Durch die Verfolgung der Heiden hat Satan wie ein Löwe das Erbe des Herrn verwüstet. Und durch unsere Sinne und Leidenschaften täuscht er uns häufig als die subtile Schlange, so dass oft das Wirken der verdorbenen Natur mit dem Wirken des Geistes Gottes verwechselt wird“. (Clarke)
  6. Ihren Werken entsprechend: Dies ist die schreckliche Verurteilung, die diesen falschen Aposteln vorbehalten ist – ihren Werken entsprechend gerichtet zu werden.

B. Paulus Qualifikation als ‚törichter‘ Apostel

1. Narren und Prahlerei

2. Korinther 11, 16-21

2. Korinther 11, 16-21
Ich sage nochmals: Niemand soll mich für töricht halten! Andernfalls aber nehmt mich als einen Törichten an, damit auch ich mich ein wenig rühmen kann. Was ich jetzt rede, das rede ich nicht dem Herrn gemäß, sondern wie in Torheit, in diesem zuversichtlichen Rühmen. Da viele sich rühmen nach dem Fleisch, will auch ich mich rühmen. Ihr, die ihr klug seid, ertragt ja gerne die Törichten. Ihr ertragt es ja, wenn jemand euch versklavt, wenn jemand euch aufzehrt, wenn jemand euch einfängt, wenn jemand sich überhebt, wenn jemand euch ins Gesicht schlägt. Zur Schande sage ich das, dass wir so schwach waren. Worauf aber jemand pocht (ich rede in Torheit), darauf poche ich auch.

  1. Niemand soll mich für töricht halten … damit auch ich mich ein wenig rühmen kann: Es ist leicht, sowohl Paulus Sarkasmus als auch sein Zögern, sich selbst zu erhöhen, zu spüren. Er würde lieber über Jesus sprechen, aber diese Botschaft wird dadurch behindert, dass die Korinther missachten, dass Paulus ein wahrer Apostel ist, ein wahrer Vertreter Jesu.
    1. Paulus verhält sich nicht wie die ‚echten‘ Narren, die sich mit ihrer Befähigung brüsten. Dies wird deutlich werden, wenn Paulus damit beginnt zu erklären, was ihn zum wahren Apostel macht.
  2. Was ich jetzt rede, das rede ich nicht dem Herrn gemäß, sondern wie in Torheit: Paulus spricht nicht dem Herrn gemäß in dem Sinne, da er sich bei der Verteidigung, mit Recht ein Apostel zu sein, auf sich selbst konzentriert. Paulus sprach nicht gern von sich selbst. Er schrieb gerne, denn wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus, dass er der Herr ist (2. Korinther 4, 5).
    1. Paulus fühlt sich gezwungen, über sich selbst zu schreiben: Da viele sich rühmen nach dem Fleisch, will auch ich mich rühmen. Aber die Prahlerei des Paulus wird nicht wie die Prahlerei von viele[n] sein, die sich rühmen nach dem Fleisch.
  3. Ihr, die ihr klug seid, ertragt ja gerne die Törichten: Wieder verwendet Paulus beißenden Sarkasmus. Wenn die Christen in Korinth klug genug sind, so viele Narren zu ertragen, dann können sie doch sicher auch eine Weile auf Paulus hören!
  4. Ihr ertragt es ja, wenn jemand euch versklavt: Wie viele der Betrogenen heute, ließen sich die Christen in Korinth den Missbrauch durch ‚Superapostel‘ gefallen, weil sie dachten, dass es irgendwie geistlich sei, eine solche Knechtschaft zu ertragen.
    1. Die Versklavung, von der Paulus spricht, könnte darauf hinweisen, dass diese falschen Apostel Gesetzliche waren, die versuchten, Menschen wieder unter die Knechtschaft des Gesetzes zu stellen. Es ist jedoch ebenso wahrscheinlich, dass die Versklavung, von der Paulus spricht, die persönliche Dominanz und Autorität ist, die die bedeutenden Apostel über andere hatten. Die Betonung von Image und äußerem Erscheinungsbild geht oft einher mit einem autoritären Führungsansatz, und das erklärt wahrscheinlich die Versklavung, von der Paulus spricht.
  5. Wenn jemand euch aufzehrt, wenn jemand euch einfängt, wenn jemand sich überhebt, wenn jemand euch ins Gesicht schlägt: Die korinthischen Christen waren von ihren ‚Superaposteln‘ so angetan, dass sie jede Art von Misshandlung von ihnen akzeptierten. Sie waren von dem Bild der Autorität und der Macht der ‚Superapostel‘ so beeindruckt, dass sie sich dieser Art von Behandlung demütig unterwarfen.
    1. Würden die Christen in Korinth es sogar akzeptieren, wenn jemand sie ins Gesicht schlägt? Sie würden es wahrscheinlich deshalb tun, weil es zu jener Zeit nicht ungewöhnlich war, dass religiöse Autoritäten (außer den wahren Dienern Jesu) befahlen, den Menschen, die sie für gottlos hielten, tatsächlich ins Gesicht zu schlagen (Apostelgeschichte 23, 2; 1. Timotheus 3, 3).
    2. Traurigerweise fühlen sich viele Menschen mit autoritären ‚Superaposteln‘ wohler als mit der Freiheit, die ihnen in Jesus offen steht.
  6. Zur Schande sage ich das, dass wir so schwach waren: Paulus setzt den Sarkasmus fort und bekennt, dass er zu ‚schwach‘ ist, um seine Schafe so zu missbrauchen, wie es die ‚Superapostel‘ tun. Schuldig im Sinne der Anklage!
  7. Worauf aber jemand pocht (ich rede in Torheit), darauf poche ich auch: Die bedeutenden Apostel haben darauf gepocht, als sie ihre Größe verkündeten. Paulus wird also [auch] darauf poche[n], aber dabei wird er in Torheit [reden]. Der Rest des Kapitels enthält Paulus ‚törichte Prahlerei‘ über die Dinge, die ihn als einen wahren Apostel ausweisen.

2. Paulus Qualifikation ein Apostel zu sein

2. Korinther 11, 22-33

2. Korinther 11, 22-33
Sie sind Hebräer? Ich bin es auch. Sie sind Israeliten? Ich auch. Sie sind Abrahams Same? Ich auch. Sie sind Diener des Christus? Ich rede unsinnig: Ich bin’s noch mehr! Ich habe weit mehr Mühsal, über die Maßen viele Schläge ausgestanden, war weit mehr in Gefängnissen, öfters in Todesgefahren. Von den Juden habe ich fünfmal 40 Schläge weniger einen empfangen; dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten; einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht. Ich bin oftmals auf Reisen gewesen, in Gefahren auf Flüssen, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren vom eigenen Volk, in Gefahren von Heiden, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern; in Arbeit und Mühe, oftmals in Nachtwachen, in Hunger und Durst; oftmals in Fasten, in Kälte und Blöße; zu alledem der tägliche Andrang zu mir, die Sorge für alle Gemeinden. Wer ist schwach, und ich bin nicht auch schwach? Wem wird Anstoß bereitet, und ich empfinde nicht brennenden Schmerz? Wenn ich mich rühmen soll, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen. Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der gelobt sei in Ewigkeit, er weiß, dass ich nicht lüge. In Damaskus bewachte der Statthalter des Königs Aretas die Stadt der Damaszener, weil er mich verhaften wollte; und ich wurde durch ein Fenster in einem Korb an der Mauer hinabgelassen und entkam seinen Händen.

  1. Sie sind Hebräer? Ich bin es auch: Paulus Abstammung war mehr als ausreichend dafür, um ihn als Apostel zu qualifizieren. Er war nicht nur Abrahams Same, er gehörte auch zu den Israeliten. Er gehörte nicht nur zu den Israeliten, sondern auch zu den Hebräer[n], d.h. er war ein Jude judäischer Abstammung, im Gegensatz zu den Juden, die aus weit von Judäa entfernten Gebieten stammten.
    1. Paulus wuchs in Tarsus in Kilikien auf (Apostelgeschichte 21, 39). Das bedeutet offensichtlich, dass seine Eltern judäische Juden waren, die entweder vor oder nach Paulus Geburt nach Tarsus gezogen waren.
    2. Paulus weiß sehr wohl, dass seine Abstammung ihn nicht automatisch zu einem Apostel oder Knecht Jesu macht, aber viele der bedeutenden Apostel sagten oder deuteten an, dass die Abstammung wichtig sei. Paulus wusste um die Albernheit dieser Aussage und begann seine Bemerkungen hier mit ‚Ich rede unsinnig‘. Dennoch wird er weitere Argumente anführen, (die die Dummheit der bedeutenden Apostel entlarven und die das Wesen Jesu verherrlichen).
  2. Sie sind Diener des Christus? Ich rede unsinnig: Ich bin’s noch mehr: Die bedeutenden Apostel behaupteten, Diener des Christus zu sein. Als sie diesen Begriff verwendeten, klang er wahrscheinlich wie ein ehrenvoller, privilegierter Titel. Was Paulus betrifft, so wird auch er behaupten, er gehöre zu den Diener[n] des Christus, aber er wird erklären, dass er etwas ganz anderes bedeutet als das, was die bedeutenden Apostel meinten.
    1. Das Wort Diener stammt von dem altgriechischen Wort diakonos ab, das einen demütigen Diener oder einen niederen Arbeiter bezeichnet. Die bedeutenden Apostel hatten die Bedeutung dieses Dieners aufgewertet, um den Begriff zu einem Titel der Verherrlichung und des Privilegs zu machen. Paulus hatte kein Problem mit dem Titel Diener, aber er hatte ein großes Problem mit dem Verständnis des Begriffs, wie er von den bedeutenden Aposteln dargestellt und von den korinthischen Christen angenommen wurde. Im folgenden Abschnitt erklärt Paulus, was ihn dazu qualifiziert, ein Diener Christi genannt zu werden. Erwartungsgemäß ist es etwas anderes als das, was die bedeutenden Apostel als ihre Qualifikation angeben würden.
  3. Ich habe weit mehr Mühsal: „Ich bin ein Diener Christi, weil ich um Jesu willen härter arbeite als jeder andere Apostel.“ Paulus betonte dies sogar noch ausdrücklicher in 1. Korinther 15, 10: „Ich habe mehr gearbeitet als sie alle“.
    1. Im Gegensatz dazu betrachteten die bedeutenden Apostel das Amt eines Dieners Christi als eine Sache des Privilegs. Sie waren der Meinung, je mehr man solch ein Diener sei, desto weniger müsse man arbeiten und desto mehr sollten andere einem dienen.
  4. Über die Maßen viele Schläge: „Ich bin ein Diener Christi, weil ich viele Male um Jesu willen geschlagen worden bin.“ Paulus wurde sowohl von den Juden (fünfmal 40 Schläge weniger einen empfangen) als auch von den Römern geschlagen (dreimal bin ich mit Ruten geschlagen [ … ] worden).
    1. Im 5. Buch Mose 25, 3 steht: Wenn man ihm 40 Streiche gegeben hat, soll man nicht weiter schlagen, damit er nicht zu viel geschlagen wird, wenn man ihm mehr Streiche gibt, und dass dein Bruder nicht verächtlich gemacht wird in deinen Augen. Dementsprechend beschränkten die Rabbiner die Anzahl der Hiebe, die man geben durfte, auf 39 (vierzig Schläge weniger einen). Sie taten dies nicht aus Barmherzigkeit, sondern weil sie befürchteten, dass man sich verzählen könnte und somit vierzig Schläge versehentlich überschritten würden.
    2. Eine alte jüdische Schrift beschreibt das Verfahren zum Erhalt von Schlägen in einem jüdischen Gericht: „Die beiden Hände des Verbrechers werden an einen Pfosten gefesselt, und dann zieht oder reißt der Diener der Synagoge seine Kleider ab, bis er Brust und Schultern entblößt. Hinter ihm wird ein Stein oder Block platziert, auf dem der Diener steht; in den Händen hält dieser eine Geißel aus Leder, die aus vier Streifen besteht. Ein Drittel der Geißelung erfolgt auf die Brust des Verbrechers, ein weiteres Drittel auf die rechte Schulter und ein weiteres auf die linke. Der Mann, der die Strafe empfängt, sitzt und steht nicht, sondern bückt sich die ganze Zeit; und der Mann schlägt mit all seiner Kraft, mit einer Hand.“ (Mishna, fol. 22, 2; zitiert in Clarke)
  5. War weit mehr in Gefängnissen: „Ich bin ein Diener Christi, weil ich um Jesu willen viel Zeit im Gefängnis verbracht habe.“ Paulus spricht mehrmals vom Gefängnis, obwohl die Apostelgeschichte nur von einem Fall berichtet bis zu dem Zeitpunkt, an dem er den 2. Korintherbrief geschrieben hat (in Philippi, Apostelgeschichte 16, 20-24). Das erinnert daran, dass die Apostelgeschichte, so wunderbar sie auch ist, ein unvollständiger Bericht ist.
  6. Öfters in Todesgefahren: „Ich bin ein Diener Christi, weil ich dem Tod viele Male um Jesu willen nahe gewesen bin.“ Wir wissen, dass Paulus dem Tod nahe war, als eine aufgebrachte Menge versucht hatte, ihn in Lystra durch Steinigung hinzurichten (Apostelgeschichte 14, 19), aber das war bei weitem nicht das einzige Maleachi
    1. Auf den Vorfall in Lystra (aufgezeichnet in Apostelgeschichte 14, 19) bezieht sich Paulus wohl, als er sagt, dass er einmal gesteinigt wurde.
  7. Dreimal habe ich Schiffbruch erlitten; einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht. Ich bin oftmals auf Reisen gewesen, in Gefahren: „Ich bin ein Diener Christi, weil ich viele Meilen um Jesu willen gereist bin und viele Entbehrungen auf Reisen um Jesu willen ertragen habe.“ In unserer heutigen modernen Welt kann ein voller Reiseplan schon eine Herausforderung darstellen. Wie war das erst in der Antike!
    1. In der Apostelgeschichte lesen wir von mindestens 18 Schiffsreisen, die Paulus unternommen hat, von denen die Hälfte bereits vor der Niederschrift des zweiten Korintherbriefs stattgefunden hatte. Da die Apostelgeschichte eine unvollständige Aufzeichnung ist, gab es darüber hinaus noch viele weitere. Einige Historiker sind der Meinung, dass es keinen anderen Menschen in der Antike gab, von dem berichtet wird, dass er so viele Reisen unternommen hat wie Paulus.
  8. In Gefahren auf Flüssen, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren vom eigenen Volk, in Gefahren von Heiden, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern; in Arbeit und Mühe, oftmals in Nachtwachen, in Hunger und Durst; oftmals in Fasten, in Kälte und Blöße: „Ich bin ein Diener Christi, weil ich viele Gefahren und viele Unannehmlichkeiten um Jesu willen ertragen habe.“
    1. All diese Gefahren summieren sich zu einem harten, stressbeladenen Leben:
      1. In Gefahren auf Flüssen: Dies bezieht sich auf die großen Gefahren, denen Paulus bei der Überquerung von Flüssen auf seinen Reisen ausgesetzt war.
      2. In Gefahren durch Räuber: Eine der schlimmsten Gefahren des Reisens in der Antike waren Räuber, die bereit waren, Alleinreisende mitten im Nirgendwo auszurauben (wie Jesus das in Lukas 10, 30 darstellte).
      3. In Gefahren in der Stadt: Paulus erlebte viele feindlich gesinnte Menschenmengen in den Städten, in denen er predigte (z.B. Apostelgeschichte 13, 50; 14, 5; 14, 19; 16, 19).
      4. In Gefahren in der Wüste: Auf seinen Reisen verbrachte Paulus viele gefährliche Tage und Nächte in der Wüste.
      5. In Gefahren auf dem Meer: Dies bezieht sich auf zahlreiche Schiffbrüche und Notlagen auf Paulus Seereisen.
      6. In Gefahren unter falschen Brüdern: Paulus war auch durch Menschen gefährdet, die zwar sagten, sie seien Brüder und seine Freunde, aber stattdessen waren sie falsche Brüder (2. Timotheus 4, 14 ist ein späteres Beispiel).
    2. In Arbeit und Mühe, oftmals in Nachtwachen, in Hunger und Durst; oftmals in Fasten, in Kälte und Blöße: In unserer heutigen modernen Welt kennen wir viele der Schwierigkeiten nicht mehr, mit denen Paulus konfrontiert war. Wir können so viel leichter an Wasser, Nahrung und Wärme gelangen, als Paulus es je konnte. Paulus führte einfach ein hartes Leben als Missionar – umherreisend und das Evangelium verkündigend.
    3. Es war nicht nur allein die Tatsache des harten Lebens, die Paulus zu einem wahren Diener Christi machte. Viele Menschen haben ein hartes Leben, sind aber in keinerlei Weise Diener Jesu. Aber Paulus hatte all diese Risiken und Strapazen frei gewählt, denn er hätte anders leben können, wenn er es gewollt hätte. Aber er wollte es nicht. Er wollte Jesus dienen, und wenn diese Strapazen Teil des Dienstes für Jesus waren, würde er sie akzeptieren.
    4. Wie konnte der Mann, der dieses Leben geführt hat, glücklich sein? Weil er selbst gestorben war! Weil Paulus sagen konnte: Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat (Galater 2, 20). Insofern lebte Paulus das, was er predigte, als er schrieb: Sondern wir rühmen uns auch in den Bedrängnissen (Römer 5, 3). Das war also nicht nur ‚geistliches Gerede‘ von Paulus; er hat es wirklich gelebt. Paulus konnte sagen und meinte es wirklich, was er zuvor in 2. Korinther 4, 17-18 schrieb: Denn unsere Bedrängnis, die schnell vorübergehend und leicht ist, verschafft uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, da wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
    5. Die bedeutenden Apostel und die christlichen Korinther, die ihnen ihre weltlichen Lügen abgekauft hatten, müssen Paulus an diesem Punkt für verrückt gehalten haben. Sie fanden nichts Rühmliches an diesen Strapazen, mit denen Paulus sich brüstete. Für sie bedeuteten solche Notlagen: „Gott ist nicht bei mir. Ich bin ein Verlierer. Ich bin schwach. Ich bin nicht glücklich. Mein Leben ist zu schwer.“ Sie konnten nur das preisen, was nach außen hin mächtig und erfolgreich erschien. Wenn es diesen Anschein nicht hatte, hatten sie das Gefühl, Gott sei gegen sie. Sie dachten so, weil ihr Denken weltlich war und sie nicht den Sinn Jesu hatten, wie er in Philipper 2, 5-11 widergespiegelt wird.
    6. „Dies ist der Preis, den Paulus bezahlt hat. Wie wirkt das auf dich? Bist du froh, dass du so etwas nicht durchmachen musst? Eine Woche eines solchen Lebens und wir wären fix und fertig, aber Paulus hat das ein Leben lang ertragen und Gott hat sich in seinen Schwächen verherrlicht.“ (Redpath)
    7. Die Gefahren in Paulus Leben reichten wirklich aus, um jeden Menschen zu töten, aber nichts und niemand konnte ihm das Leben nehmen, bis Gott seinen Plan für Paulus auf dieser Erde vollendet hatte.
  9. Zu alledem der tägliche Andrang zu mir, die Sorge für alle Gemeinden: Zusätzlich zu all den belastenden Gefahren, die Paulus zuvor erwähnt hatte, lebte er täglich mit einer weiteren Last. Paulus lebte mit einer großen Sorge um alle Gemeinden.
    1. Die Gefahren, die Paulus erwähnt hatte, waren nicht alltäglich, aber seine große Sorge für alle Gemeinden hat ihn nie verlassen. Paulus Lasten waren nicht nur physischer, sondern auch emotionaler Art.
    2. Wer ist schwach, und ich bin nicht auch schwach? Wem wird Anstoß bereitet, und ich empfinde nicht brennenden Schmerz? Paulus große Sorge galt nicht ihm selbst. Sie galt anderen – den [S]chwach[en] und jenen, denen Anstoß bereitet wurde. Auf Paulus lasteten viele Bürden, aber nur wenige davon waren seine eigenen. Er war, wie Jesus, ein Mensch, der sich wahrhaftig auf andere konzentrierte.
    3. Redpath über de[n] tägliche[n] Andrang zu mir: „Ich kann euch in der englischen Sprache unmöglich die Kraft dieser Aussage angemessen vermitteln. Ich versuche es mir so vorzustellen als würde ich unter einer Decke erstickt oder von einem großen Tier angegriffen und zerquetscht werden, denn Paulus hätte kein stärkeres Wort verwenden können, wenn er letztlich etwa sagte: ‚Das, was mich niederdrückt, das, was als unerträgliche Last auf mir liegt, das, was eine Bürde ist, das, was ich Tag und Nacht niemals abschütteln kann. Es ist immer bei mir. Ich habe niemals Urlaub davon. Alles liegt Tag für Tag auf mir. Die Fürsorge, das Mitgefühl und die Sorge um alle Gemeinden.‘“
    4. Paulus große Sorge war kein Zeichen von Unglauben. „Diese Besorgnis beruhte nicht nur auf beunruhigenden Berichten, die ihm zu Ohren gekommen waren, sondern auch auf seinem Wissen um die grausame Raffinesse des Feindes der Seelen, der, wie er erkannte, bei seinen Versuchen, das Werk des Evangeliums umzustürzen, vor nichts zurückschrecken würde.“ (Hughes)
  10. Wenn ich mich rühmen soll, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen: Worin besteht nun Paulus Prahlerei? Womit weist er sich als rechtmäßiger Apostel aus? Nur mit seinen Narben und mit seiner Schwachheit. Die Schwachheit, von der Paulus spricht, könnte eine bestimmte Krankheit oder sonstige Schwäche gewesen sein; wahrscheinlicher ist aber, dass er hier das ganze Leben, das er gelebt hat, meint, mit all seinen Nöten und Strapazen.
    1. Die falschen Apostel, diese bedeutenden Apostel, würden nicht im Traum daran denken, sich mit solchen Dingen zu brüsten. Sie dachten, jede Schwachheit ließe einen unzulänglich und weit von Gott entfernt erscheinen. Trotzdem war es Paulus egal, ob er in den Augen der Welt oder in denen der Gemeinde, die weltlich dachten, töricht aussah. Paulus lebte mit einer Ewigkeitsperspektive, nicht mit einer weltlichen Perspektive.
    2. „Ich will mich meiner natürlichen oder erworbenen Kräfte nicht rühmen, weder mit dem, was Gott durch mich getan hat, noch mit dem, was ich für ihn gelitten habe.“ (Clarke)
  11. Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der gelobt sei in Ewigkeit, er weiß, dass ich nicht lüge: Paulus erkennt an, dass das, was er gerade geschrieben hat, manchen unglaubwürdig erscheinen mag, und manche mögen bezweifeln, dass Paulus tatsächlich ein so schweres Leben gehabt hat. Wahrscheinlich zweifelten sie noch mehr daran, dass Paulus sich mit solchen Strapazen tatsächlich rühmen konnte. Deshalb verwendet Paulus eine ausdrucksstarke Sprache, um zu erklären, Gott sei sein Zeuge, dass er die Wahrheit sagt.
    1. „’Gott weiß‘. Was weiß er? Er kennt alle Leiden, kennt alle Prüfungen, kennt alle Tatsachen, auf die er bereits hingewiesen hat, dass er den ganzen Weg erfolgreich geführt wurde. ‚Gott weiß.‘ Das ist das Geheimnis seiner größten Prahlerei.“ (Morgan)
  12. In Damaskus [ … ] durch ein Fenster in einem Korb an der Mauer hinabgelassen: Dies war vielleicht die erste wirkliche Gefahr oder Notlage, der Paulus um Jesu willen ausgesetzt war (Apostelgeschichte 9, 23-25). Er geht gedanklich weit zurück zu diesem Ereignis am Anfang seines Dienstes und denkt vielleicht, dass seine Flucht aus Damaskus seine „Lehrzeit in der Verfolgung“ war. Es ist, als ob er sagt: „So begann mein Dienst, und so geht er weiter.“
    1. Hughes sagt über diese Flucht aus Damaskus: „Es war ein Ereignis, das gleich zu Beginn seines Dienstes seine eigene ausgeprägte Schwäche und Zerbrechlichkeit hervorhob.“
    2. Es veranschaulicht illustrativ den großen Kontrast zwischen Saulus von Tarsus und dem Apostel Paulus. Saulus von Tarsus reiste nach Damaskus mit großer Macht und Autorität, die sich gegen das Volk Gottes richtete. Der Apostel Paulus verließ Damaskus demütig in einem Korb. Gibt es etwas, das Schwäche besser beschreibt, als in einem Korb an einer Mauer herunter gelassen zu werden? „Könnte es etwas geben, das einem Menschen noch mehr jegliches Gefühl der Würde rauben könnte als das?“ (Morgan)
    3. Der Hinweis auf König Aretas datiert Paulus Flucht aus Damaskus zwischen 37 und 39 n. Chr. Unter Berücksichtigung der in Galater 1, 18 erwähnten drei Jahre und der Tatsache, dass sich dieser Vorfall am Ende dieser drei Jahre ereignete, können wir annehmen, dass Paulus Bekehrung irgendwann zwischen 34 und 36 n. Chr. stattfand.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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