Titus 1 – Ein Auftrag für Titus

A. Einführung und Begrüßung

1. Der Apostel Paulus, Verfasser dieses Briefes an Titus

Titus 1, 1

Titus 1, 1
Paulus, Knecht Gottes und Apostel Jesu Christi, gemäß dem Glauben der Auserwählten Gottes und der Erkenntnis der Wahrheit, die der Gottesfurcht entspricht,

  1. Paulus: Indem er zuerst seinen eigenen Namen schrieb, folgte Paulus den zu seiner Zeit üblichen Gewohnheiten beim Schreiben eines Briefes. Zuerst wurde der Schreiber erwähnt, dann der Leser, und dann wurde ein Gruß ausgesprochen.
    1. Aus Titus 1, 5 erfahren wir, dass Paulus und Titus auf Kreta gemeinsam arbeiteten, das Evangelium verbreiteten und Gemeinden gründeten – doch Paulus musste weiterziehen. Titus blieb auf Kreta und arbeitete in den dortigen Gemeinden. Da Titus mit einer schwierigen Aufgabe zurückgelassen wurde, wollte Paulus ihm Anweisungen geben und ihn ermutigen – und das tat er mit diesem Brief.
    2. „Dass der heilige Paulus auf Kreta gewesen war, geht aus diesem Abschnitt klar hervor, obwohl er sonst nirgendwo erwähnt wurde. Dass er nicht einen so wichtigen Besuch hätte machen und eine Insel von so herausragender Bedeutung hätte evangelisieren können, ohne dass sein Historiker Lukas dies erwähnt hätte, wenn es in der Zeit der Apostelgeschichte geschehen wäre, muss klar sein. Dass die Reise also nach der Zeit stattgefunden haben muss, in der der heilige Lukas seine Geschichte beendet, d.h. nach der ersten Gefangenschaft des heiligen Paulus in Rom, scheint fast sicher“. (Clarke)
    3. Paulus schrieb das, als zwei andere christliche Mitarbeiter (Zenas und Apollos, erwähnt in Titus 3, 13) im Begriff waren, nach Kreta zu gehen, also gab Paulus ihnen diesen Brief mit.
    4. Dieser Brief wurde an Titus geschrieben, aber er wurde auch an die Christen auf der Insel Kreta geschrieben. Paulus wusste, dass dieser Brief in den Gemeinden auf der Insel öffentlich gelesen werden würde. Daher achtete Paulus bei der Struktur der Einleitung des Briefes sehr darauf, den Christen auf Kreta mitzuteilen, was seine Referenzen waren und wo er in wichtigen Fragen stand. Paulus dachte nicht wie ein Politiker, der oft auf das anspricht, was die Menge will und was der Menge gefällt.
  2. Paulus, Knecht Gottes: Von allen Titeln, die Paulus verwenden konnte, wählte er zuerst ‚Knecht Gottes‘. Wenn Paulus eine moderne Visitenkarte gehabt hätte, wäre das sein Titel auf der Karte.
    1. Bezeichnenderweise wählte Paulus das altgriechische Wort doulos, als er den Begriff Knecht verwendete. Dieses Wort bezeichnete nicht nur einen niedrigen Sklaven (ein griechischer Gelehrter nannte es „den demütigsten, und unterwürfigsten Begriff, der unter den Griechen für einen Sklaven gebräuchlich war“)). Es war auch das Wort für einen Menschen, der sich selbst entschieden hatte, ein Sklave zu sein.
    2. Paulus war nur ein Knecht – und doch hatte er eine hohe Stellung, weil er ein Knecht Gottes war. Es ist niemals eine geringe Angelegenheit, Knecht eines großen Gottes zu sein.
  3. Und Apostel Jesu Christi: Gott gab Paulus eine besondere Rolle unter seinen Dienern. Paulus‘ besondere Berufung und Funktion war die eines besonderen Boten Gottes – eines Apostels. Paulus kannte seine Berufung und seine Aufgabe im Leib Christi, und ebenso sollte heute jeder Christ das für sich selbst wissen.
  4. Gemäß dem Glauben: Paulus war nicht wegen dem Glauben der Auserwählten Gottes ein Apostel, sondern in Übereinstimmung mit dem Glauben (im Sinne einer spezifischen, gemeinsamen Glaubenslehre), den die Auserwählten Gottes teilen.
    1. Auserwählte Gottes sind diejenigen, die er vor der Gründung der Welt auserwählt hat, um seine Errettung zu empfangen. Wir können die Auserwählten Gottes erkennen, weil sie auf das Evangelium Jesu Christi reagieren und ihr Leben diesem Evangelium entsprechend führen.
  5. Erkenntnis der Wahrheit: Für Paulus genügte es nicht, nur den Glauben zu kennen, er musste ihn auch als das erkennen, was er wirklich war.
  6. Die der Gottesfurcht entspricht: Paulus stand im Einklang mit dem gottgefälligen Leben. Alle Wahrheit ist die Wahrheit Gottes; aber nicht alle Wahrheit ist wirklich relevant für die Gottesfurcht, die die ‚Gottesähnlichkeit‘ fördert. Vieles in der Wissenschaft oder Psychologie mag wahr und bewundernswert sein – aber es wird keine Seele vor der Hölle erretten. Es ist nicht Wahrheit, die der Gottesfurcht entspricht.

2. Paulus war ein Apostel mit Hoffnung des ewigen Lebens

Titus 1, 2

Titus 1, 2
Aufgrund der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, vor ewigen Zeiten verheißen hat

  1. Ewigen Lebens: Das ist das Leben des ewigen Gottes, der in uns lebt. Es ist jetzt gegenwärtig, wird aber später vervollständigt werden.
    1. „Das christliche Evangelium bietet den Menschen nicht in erster Linie ein intellektuelles Glaubensbekenntnis oder einen Moralkodex; es bietet ihnen das Leben, das Leben Gottes selbst.“ (Barclay)
  2. Das Gott, der nicht lügen kann, vor ewigen Zeiten verheißen hat: Dieses ewige Leben ist kein Wunsch, sondern eine Hoffnung. In diesem Sinne ist die Hoffnung eine Vorwegnahme, die nicht auf Wunschdenken, sondern auf einer Verheißung des Gottes beruht, der nicht lügen kann.

3. Paulus war ein Apostel, der an die Verkündigung des Wortes glaubte

Titus 1, 3

Titus 1, 3
— Zu seiner Zeit aber hat er sein Wort geoffenbart in der Verkündigung, mit der ich betraut worden bin nach dem Befehl Gottes, unseres Retters —,

  1. Zu seiner Zeit aber hat er sein Wort geoffenbart in der Verkündigung: Paulus wusste, dass die Verkündigung der Weg ist, auf dem Gottes ewiges Werk den Menschen heute begegnet. Die Verkündigung ist der Weg, auf dem Gottes Wort offenbar (geoffenbart) wird.
    1. Zu seiner Zeit aber hat er sein Wort geoffenbart: Das Christentum kam zu einer Zeit in die Welt, in der sich seine Botschaft auf einzigartige Weise rasch verbreiten konnte.
      1. Es gab eine gemeinsame Sprache (Griechisch), die die Sprache des Handels, der Wirtschaft und der Literatur war.
      2. Aufgrund der gewaltigen Ausmaße des Römischen Reiches gab es praktisch keine Grenzen.
      3. Das Reisen war vergleichsweise einfach. Es war langsam, aber aufgrund des Schutzes, den das Römische Reich auf Straßen und Seewege brachte, relativ sicher.
      4. Die Welt befand sich unter der pax Romana weitgehend im Frieden.
      5. Die Welt war sich in einzigartiger Weise bewusst, dass sie einen Messias und Retter brauchte. „Es gab nie eine Zeit, in der die Herzen der Menschen offener für die Botschaft der Erlösung waren, die die christlichen Missionare brachten.“ (Barclay)
  2. Mit der ich betraut worden bin: Paulus wusste, dass ihm die Aufgabe des Predigens anvertraut worden ist, jedoch nicht nur ihm. Das Predigen ist ein Werk, das allen Gläubigen anvertraut worden ist.

4. Der Leser: Titus, von Paulus bekehrt und sein echtes (treues) Kind

Titus 1, 4

Titus 1, 4
An Titus, [mein] echtes Kind nach unserem gemeinsamen Glauben: Gnade, Barmherzigkeit, Friede [sei mit dir] von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, unserem Retter!

  1. An Titus: Es ist vielsagend, dass wir aus der Apostelgeschichte nichts über Titus erfahren. Er ist seltsamerweise nicht in dieser Aufzeichnung enthalten, obwohl er in der Zeit, die von der Apostelgeschichte abgedeckt wird, ein Mitarbeiter des Paulus gewesen sein muss. Dennoch erfahren wir in 2. Korinther 2, 13; 8, 23 und 12, 18 etwas über ihn.
    1. „In 2. Korinther 8, 18 und 2. Korinther 12, 18 steht, dass, als Titus nach Korinth gesandt wurde, ein anderer Bruder mit ihm gesandt wurde, der im vorigen Abschnitt als ‘der Bruder, der unter allen Gemeinden berühmt ist‘ beschrieben und gemeinhin mit Lukas identifiziert wird. Es wird angenommen, dass Titus der Bruder des Lukas war“. (Barclay)
    2. Obwohl wir in der Apostelgeschichte nichts über Titus lesen, wissen wir doch etwas über seinen Charakter und seine Persönlichkeit.
      1. Titus war ein echtes Kind nach unserem gemeinsamen Glauben (Titus 1, 4).
      2. Titus war ein echter Bruder des Apostels Paulus (2. Korinther 2, 13).
      3. Titus war ein Partner und Mitarbeiter von Paulus (2. Korinther 8, 23).
      4. Titus wandelte im gleichen Geist wie Paulus (2. Korinther 12, 18).
      5. Titus wandelte in den gleichen Fußstapfen wie Paulus, also in der gleichen Lebensweise (2. Korinther 12, 18).
      6. Daher konnte Titus ein Vorbild für andere Gläubige sein (Titus 2, 7).
    3. „Er scheint ein Mann mit einem gesunden Menschenverstand gewesen zu sein, sodass Paulus Titus sandte, wenn er etwas Schwieriges zu tun hatte. Als in Korinth die Sammlung zugunsten der armen Heiligen in Jerusalem durchgeführt werden sollte, sandte Paulus Titus, um die Mitglieder aufzurütteln, und mit ihm einen weiteren Bruder, der sich um die Beiträge kümmern sollte.“ (Spurgeon)
  2. Ein echtes Kind nach unserem gemeinsamen Glauben: Paulus setzte sich für einen gemeinsamen Glauben ein. Es ist ein gemeinsamer Glaube, kein isolierter. Paulus war für die Gemeinde und die Gemeinschaft aller Gläubigen.
    1. „Es darf nicht auf einen Glauben beschränkt bleiben, den nur der heilige Paulus und Titus teilen; sondern wie [Judas 3] ist er allen Christen gemeinsam“. (White)
  3. Gnade, Barmherzigkeit, Friede: In seinem Grußwort gebrauchte Paulus Worte, die in der Antike typisch für einen Gruß sind. Aber als Paulus diese Worte benutzte, waren sie nicht nur eine Formalität, denn Paulus kannte die Quelle aller Gnade, Barmherzigkeit und allen Friedens. Sie kommen von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, unserem Retter.
    1. Gott der Vater und Gott der Sohn haben Anteil an dem Geschenk der Errettung. „Der Sohn hat uns das Heil vom Vater gebracht, und der Vater hat es durch den Sohn geschenkt“. (Calvin)

B. Die Aufgabe, die Paulus für Titus hatte

1. Die Herausforderung an Titus

Titus 1, 5

Titus 1, 5
Ich habe dich zu dem Zweck in Kreta zurückgelassen, damit du das, was noch mangelt, in Ordnung bringst und in jeder Stadt Älteste einsetzt, so wie ich dir die Anweisung gegeben habe:

  1. Ich habe dich zu dem Zweck in Kreta zurückgelassen: Nach einer erfolgreichen Evangelisation auf der Insel Kreta, gab es viele junge Christen, um die sich jemand kümmern musste. Paulus ließ Titus zurück, um stabile Gemeinden mit reifen, kompetenten Pastoren für die Menschen aufzubauen. Das war besonders auf Kreta nötig, denn die Menschen auf Kreta waren ein wilder Haufen, bekannt als Lügner und Faulpelze. Titus musste fähige Leiter für die Christen auf der Insel Kreta finden und ausbilden.
    1. Wenn ein Job schwer ist, kann man grundsätzlich zwei Arten von Menschen unterscheiden. Bei dem einen sagt man: „Der Job ist wirklich schwer, also können wir ihn nicht schicken.“ Bei dem anderen sagt man: „Der Job ist wirklich schwer, also müssen wir ihn schicken.“ Titus schien zu der zweiten Art zu gehören.
    2. Ich habe dich … in Kreta zurückgelassen, verwendet dieselben Worte wie Paulus in 2. Timotheus 4, 13 und 4, 20, wo er von einem Mantel und einem vorübergehend zurückgelassenen Mitarbeiter sprach. Dahinter steht die Vorstellung, dass er Titus für eine begrenzte Zeit auf Kreta zurückließ, um diese Probleme zu lösen, eine gottgefällige Leiterschaft aufzubauen und dann weiterzuziehen (wahrscheinlich, um Paulus wieder einzuholen).
  2. Das, was noch mangelt, in Ordnung bringst: Dies war die Aufgabe, die Titus übertragen wurde. Die Gemeinde brauchte Ordnung und Leitung. Titus hatte den Auftrag, die Gemeinden in Ordnung zu bringen, und zwar durch die Ernennung gottesfürchtiger Leiter.
    1. „Dieser Ausdruck ist ein medizinischer Begriff; er wurde auf das Einrenken eines verrenkten Gliedes angewandt. (Wiersbe) Es gab krumme Dinge, die in den Gemeinden auf Kreta begradigt werden mussten.“
    2. Vergleicht man die Aufgabe von Titus auf Kreta mit der Aufgabe von Timotheus in Ephesus (wie in 1. und 2. Timotheus beschrieben), so ist zu erkennen, dass es in den Gemeinden auf Kreta an viel mehr mangelt. Paulus wies Titus ausdrücklich an, die Dinge in Ordnung zu bringen, an denen es mangelt, Timotheus gab er keine solche Anweisung.
    3. Offenbar waren die Gemeinden in Ephesus bereit dafür, dass sowohl Älteste als auch Diakone eingesetzt wurden, doch im Brief an Titus werden nur Älteste erwähnt.
  3. Und in jeder Stadt Älteste einsetzt: Paulus befahl Titus, dass er Älteste einsetzt, die in Titus 1, 7 auch Aufseher genannt werden. Das Wort Ältester wird im Neuen Testament allgemein verwendet und beschreibt hauptsächlich die notwendige Reife von Leitern. Die Worte Älteste und Aufseher beschreiben Pastoren von Gemeinden in verschiedenen Städten auf Kreta.
    1. „Die Anzahl der Ältesten ist nicht festgelegt; das bedeutet, dass auf der ganzen Insel Älteste eingesetzt werden sollten.“ (White)
    2. So wie ich dir die Anweisung gegeben habe: „In dem Satz, wie ich dich eingesetzt hatte (rsv. besser ‚wie ich dich angewiesen hatte‘), wird das Ich betont und bringt nicht den Egoismus des Paulus zum Ausdruck, sondern dass er das System der Ältesten offiziell unterstützt.“ (Guthrie)
  4. In jeder Stadt: Das war eine große Aufgabe, denn Kreta war bekannt dafür, viele Städte zu haben.
    1. „Es sollte sorgfältig darauf hingewiesen werden, dass der sichere Fortbestand einer Gemeinde durchaus auf den Einsatz von Pastoren angewiesen ist, so dass überall dort, wo es eine beträchtliche Anzahl von Menschen gibt, ein Pastor für sie eingesetzt werden sollte. Indem er sagt, dass jede Stadt einen Pastor haben sollte, meint er nicht, dass keine Stadt mehr als einen haben sollte, sondern nur, dass keine Stadt ohne Pastor sein sollte. (Calvin).“
  5. Älteste einsetzt: Das bedeutet, dass Paulus viel Verantwortung an Titus übergeben hat. Diese Ältesten wurden nicht durch eine öffentliche Abstimmung gewählt, und sie wurden auch nicht gewählt, indem sie viel Werbung für sich gemacht haben. Es war Titus‘ Aufgabe, Männer mit den Eigenschaften zu suchen, die Paulus im folgenden Abschnitt beschreibt und sie in den Gemeinden als Älteste einzusetzen.
    1. Calvin stellt fest, dass dies bedeutet, dass Paulus dem Titus eine ungeheure Autorität verliehen hat, und dass diese Autorität unter der Leitung von Paulus (und der Leitung des Heiligen Geistes) in den Händen von Titus und nicht bei einer Gruppe oder einem Ausschuss lag. „Es mag jedoch den Anschein haben, dass er Titus zu viel Autorität verleiht, wenn er ihm sagt, er solle Pastoren für alle Gemeinden ernennen. Das wäre fast königliche Macht und würde den einzelnen Gemeinden ihr Wahlrecht und dem Kollegium der Pfarrer ihr Recht zu urteilen nehmen und das wäre eine Entweihung der gesamten Verwaltung der Kirche.“ (Calvin)
    2. Calvin fährt fort, dass die Antwort einfach ist – dass Titus die von den Gemeinden selbst ausgewählten Leiter eigentlich nur bewilligt oder anerkannt hat. Weder im Text des Titus noch an anderer Stelle findet sich ein Hinweis darauf. Offensichtlich wollte Gott, dass Titus als einziger Mensch diese Autorität hat und dass er sie in gottgefälliger Weise nutzt.
    3. Die Aufzählung im folgenden Abschnitt bedeutet, dass Gott besondere Erwartungen an Führungskräfte in der Gemeinde hat. Leiter sollten nicht willkürlich ausgewählt werden, oder nur, weil sie sich freiwillig melden, oder weil sie die Position anstreben, oder auch nur, weil sie ‚natürliche Führungspersönlichkeiten‘ sind. Leiter sollten ausgewählt werden, weil sie die hier aufgeführten Bedingungen erfüllen. Es ist in Ordnung, wenn ein Mann denkt, er sei ‚berufen‘. Aber er muss auch geeignet sein.
    4. Die im folgenden Abschnitt beschriebenen Voraussetzungen für die Leitung haben nichts mit Begabung zu tun. Paulus sagte zu Titus nicht: „Finde die begabtesten Leute“. Wir könnten sagen, dass es für den Herrn leicht ist, Gaben durch den Heiligen Geist zu gewähren, wie er will (1. Korinther 12, 11), aber die Entwicklung des Charakters braucht Zeit und eine echte Beziehung zu Jesus Christus.
      1. Wer ein Seminar besucht, qualifiziert sich nicht automatisch für eine geistliche Führungsaufgabe.
      2. Ein guter Redner zu sein qualifiziert einen nicht automatisch für eine geistliche Führungsaufgabe.
      3. Natürliche oder geistliche Gaben an sich qualifizieren einen noch nicht für eine geistliche Führungsaufgabe.
      4. Was jemand an Geld oder ehrenamtlicher Zeit gibt, qualifiziert ihn oder sie nicht automatisch für eine geistliche Führungsaufgabe.
      5. Was einen Menschen für eine geistliche Führungsaufgabe qualifiziert, ist ein gottgefälliger Charakter – ein gottgefälliger Charakter, der sich nach den klaren Kriterien richtet, die Paulus aufzählen wird.
    5. Das ist jedoch keine starre Liste, die in allen Bereichen Perfektion verlangt. Sie enthält sowohl Ziele, die man erreichen sollte als auch allgemeine Auswahlkriterien. Wir sollten diese Liste nehmen und fragen: „Strebt der fragliche Mensch all diese Dinge von ganzem Herzen an? Zeigt sich dieser Wunsch in seinem Leben?“ Titus sollte die folgende Liste nehmen, die Männer finden, auf die die Beschreibung am besten zutrifft, und dann die Liste als Trainingsanleitung für die Ausbildung dieser Männer nutzen.
    6. Außerdem sind diese Voraussetzungen für jeden Menschen wertvoll – nicht nur für diejenigen, die eine Führungsrolle anstreben. Sie sind klare Indikatoren für einen gottgefälligen Charakter und für geistliche Reife; sie können ein echter Maßstab für Menschen sein.

3. Worauf Titus bei der Ernennung von Führungskräften achten muss

Titus 1, 6-8

Titus 1, 6-8
Wenn einer untadelig ist, Mann einer Frau, und treue Kinder hat, über die keine Klage wegen Ausschweifung oder Aufsässigkeit vorliegt. Denn ein Aufseher muss untadelig sein als ein Haushalter Gottes, nicht eigenmächtig, nicht jähzornig, nicht der Trunkenheit ergeben, nicht gewalttätig, nicht nach schändlichem Gewinn strebend, sondern gastfreundlich, das Gute liebend, besonnen, gerecht, heilig, beherrscht;

  1. Wenn einer untadelig ist: Dieses Wort bedeutet so viel wie „nichts was man ihm vorwerfen könnte“. Es darf im Leben des Leiters nichts geben, was andere aufgreifen und nutzen könnten, um sein Leben oder die Gemeinde anzugreifen.
    1. Das ist ein weit gefasster Begriff für einen Menschen, der ein rechtschaffenes Leben führt, das als rechtschaffen angesehen werden kann. Niemand könnte aufstehen und den Menschen zu Recht einer schweren Sünde beschuldigen.
    2. Das ist wichtig, denn er war ein Aufseher von Gottes Haus. Je größer der Herr ist, desto größer sind die Erwartungen an den Diener.
  2. Mann einer Frau: Es geht hier um den ‚Mann einer Frau‘. Das bedeutet nicht, dass ein Leiter verheiratet sein muss. Wenn das der Fall wäre, dann wären sowohl Jesus als auch Paulus von der Leitung ausgeschlossen gewesen. Es geht auch nicht darum, dass ein Leiter niemals wieder heiraten könnte, wenn seine Frau verstorben oder er biblisch (rechtmäßig) geschieden wäre. Es bedeutet, dass der Leiter sich auf eine Frau konzentriert – nämlich auf seine Frau.
  3. Treue Kinder hat: Der Leiter muss seine Kinder gut erzogen haben. Seine Fähigkeit, die Familie Gottes zu leiten, muss zuerst durch seine Fähigkeit, seine eigenen Kinder zu leiten, unter Beweis gestellt werden. Hier liegt die Betonung darauf, dass seine Kinder auch gläubig sind.
    1. „Wenn sie Heiden blieben, würde das die Fähigkeit des Vaters, andere zum Glauben zu führen, in Frage stellen“. (Hiebert) „Ein kluger Vater gewinnt zuerst seine eigene Familie für Christus und gibt ihnen dann die Chance, zu wachsen, bevor er die Zelte abbricht und in die Bibelschule geht. Wir hätten weniger Opfer im Gemeindedienst [zu beklagen], wenn diese Regel häufiger befolgt würde.“ (Wiersbe)
    2. „Es ist bezeichnend, dass die moralischen Anforderungen an die Kinder des Pastors in 1. Timotheus 3, 4-5+12 milder formuliert werden. Dort geht es vor allem darum, dass der Vater in der Lage ist, seinem eigenen Haus gut vorzustehen; hier [geht es] um die Unterordnung und Disziplin der Kinder.“ (White)
    3. „Die Familie des Ältesten muss so beschaffen sein, dass ihnen keine [Ausschweifung] vorgeworfen werden kann. Das griechische Wort ist asotia. Es ist das Wort, das in Lukas 15, 13 für das ausschweifende Leben des verlorenen Sohnes verwendet wird. Der Mann, der asotos ist, ist unfähig zu retten; er ist verschwenderisch und ausschweifend und vergeudet das was er hat für sein persönliches Vergnügen; er zerstört sein Leben und ruiniert sich am Ende selbst.“ (Barclay)
  4. Nicht eigenmächtig: Grundsätzlich werden egoistische Menschen von der Führung ausgeschlossen. Sie zeigen ihren eigenmächtigen Charakter in Form von Arroganz, Sturheit und stolzer Selbstbezogenheit.
    1. „Nicht einer, der entschlossen ist, in jeder Sache seinen eigenen Weg zu gehen; der sein eigenes Urteil über das aller anderen stellt; der erwartet, dass alle seinem Verständnis huldigen“. (Clarke)
  5. Nicht jähzornig: Die Jähzornigen werden ebenso von der Leitung ausgeschlossen wie diejenigen, die mehr trinken, als es sich gehört (der Trunkenheit ergeben), die Gewalttätigen und die nach schändlichem Gewinn Strebenden.
    1. Nicht jähzornig: Das hier verwendete altgriechische Wort (orgilos) bezieht sich eigentlich mehr auf einen beständigen Zustand des Zorns als auf das Aufblitzen gelegentlicher schlechter Laune. Es spricht von einem Mann, der einen ständig brodelnden Zorn in sich trägt und der seinen Zorn gegen andere nährt – was in etwa dem Bild eines verbitterten Mannes entspricht.
    2. Gewalttätig: „Die Griechen selbst erweiterten die Bedeutung dieses Wortes, um nicht nur körperliche Gewalt anzudeuten, sondern auch verbale Gewalt einzubeziehen. Das Wort beschreibt jemanden, der seine Mitmenschen einschüchtert, und es kann gut sein, dass es hier so übersetzt werden sollte.“ (Barclay)
    3. Nicht nach schändlichem Gewinn strebend: „Es gibt hier keine Vorschriften für Diakone; daher können wir mit Recht feststellen, dass die Ältesten auf Kreta zu dieser Zeit alle Aufgaben in der Gemeinde übernommen haben. Daher sollten sie auch den Maßstab für Diakone erfüllen [wie in 1. Timotheus 3, 8]“. (White)
  6. Sondern gastfreundlich: Ein Leiter im Volk Gottes muss ein gastfreundlicher Mensch sein, und einer, der das Gute liebt. Männer, die die niederträchtigen und schäbigen Dinge dieser Welt lieben, sind noch nicht dazu geeignet, Leiter im Volk Gottes zu sein.
  7. Besonnen: Beschreibt die Person, die in der Lage ist, klar und deutlich zu denken. Sie sind keine ständigen Witzbolde, sondern wissen mit ernsten Themen ernsthaft umzugehen.
    1. Wiersbe über besonnen: „Das bedeutet nicht, dass er keinen Sinn für Humor hat oder dass er immer streng und ernsthaft ist. Vielmehr deutet es darauf hin, dass er den Wert der Dinge kennt und das geistliche Amt, oder die Botschaft des Evangeliums nicht durch törichtes Verhalten herabwürdigt“. (Aus Wiersbe’s Kommentar zum 1. Timotheusbrief)
    2. So wie der Apostel Paulus es verstand, war das eine wichtige Eigenschaft eines Leiters. In seinen kurzen Briefen an Timotheus und Titus verwendete er dieses Wort mehrfach.
  8. Gerecht, heilig, beherrscht: Ein Pastor oder Leiter in der Gemeinde muss gerecht (den Menschen gegenüber), heilig (Gott gegenüber), beherrscht (sich selbst gegenüber) sein.
    1. „Wie ungeeignet sind diejenigen, eine Gemeinde zu leiten, die sich nicht selbst beherrschen können!“ (Matthew Henry)

C. Was Führungskräfte in der Gemeinde tun sollen

1. Titus muss Älteste ernennen, die am Wort Gottes festhalten

Titus 1, 9a

Titus 1, 9a
Einer, der sich an das zuverlässige Wort hält, wie es der Lehre entspricht,

  1. Einer, der sich an das zuverlässige Wort hält, wie es der Lehre entspricht: Das bedeutet, dass der Leiter zunächst das zuverlässige Wort selbst gut kennen sollte. Wenn er das Wort Gottes zu den Menschen bringt, muss er das mit starker Überzeugung und Autorität tun, ohne es mit theologischen Spekulationen und wissenschaftlichen Zweifeln zu vermischen.
    1. „Es bedarf nicht schöner Worte, sondern eines starken Verstandes, einer guten Schriftkenntnis und starker Gedanken.“ (Chrysostomus)
  2. Sich an das zuverlässige Wort hält: Das bedeutet auch, dass der Leiter am Wort Gottes festhält, statt sich auf Modeerscheinungen und Programme für die Gemeinde zu konzentrieren. Wenn ein Mensch sich nicht in erster Linie nach Gottes Wort austreckt und daran festhält, ist er nicht für die Leitung in Gottes Gemeinde geeignet.
  3. Wie es der Lehre entspricht: Das bedeutet, dass der Leiter von jemand anderem unterrichtet wurde. Ein geeigneter Leiter muss nicht unbedingt in die Bibelschule oder in ein Seminar gehen, aber er muss von jemandem in die Lehre und in die Jüngerschaft eingeführt werden, und nicht nur durch sich selbst.

2. Titus muss Leiter ernennen, die das Wort auch richtig verwenden

Titus 1, 9b

Titus 1, 9b
Damit er imstande ist, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.

  1. Damit er imstande ist … zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen: Ein gottesfürchtiger Leiter wird sein festes Fundament in Gottes Wort nutzen, um diejenigen zu ermahnen (ermutigen), die auf dem richtigen Weg sind. Er wird es auch benutzen, um diejenigen zu überführen (entmutigen), die auf dem falschen Weg sind, die Widersprechenden.
    1. „Ein Prediger muss sowohl Soldat als auch Hirte sein. Er muss nähren, verteidigen und lehren; er muss Zähne im Mund haben und in der Lage sein, zu beißen und zu kämpfen.“ (Luther)
  2. Mit der gesunden Lehre: Ein gottesfürchtiger Leiter kümmert sich um die Widersprechenden und er tut dies mit gesunder Lehre. Er tut es nicht mit hochtrabender Autorität und politischer Hinterhältigkeit. Er setzt Veränderungen mit gesunder Lehre durch.
    1. Wenn ein Leiter kein Fundament der gesunden Lehre hat, um eine Person entweder zu ermahnen oder zu überführen, sollte er es besser nicht tun. Leiter müssen auf dem Fundament des Wortes stehen.

D. Warum es für Titus wichtig war, diese kompetenten Leiter zu ernennen

1. Diejenigen, denen man entgegentreten muss, und wie man sie aufhalten kann

Titus 1, 10-11

Titus 1, 10-11
Denn es gibt viele widerspenstige und leere Schwätzer und Verführer, besonders die aus der Beschneidung. Denen muss man den Mund stopfen, denn sie bringen ganze Häuser durcheinander mit ihrem ungehörigen Lehren um schändlichen Gewinnes willen.

  1. Denn es gibt viele widerspenstige: Das Wort widerspenstig bezeichnet jemanden, der sich der Göttlichen Autorität nicht unterordnen will. Das altgriechische Wort, das mit widerspenstig übersetzt wird, ist die negative Form des Wortes unterordnen – ein Widerspenstiger wird sich nicht unterordnen.
    1. Gott hat uns für verschiedene Lebensbereiche eine Reihe von Anordnungen gegeben. Es gibt Anordnungen, die in der Familie, in der Gemeinde, am Arbeitsplatz und in der Gemeinschaft gültig sind. Gott möchte, dass wir die Bereiche anerkennen, für die er in unserem Leben eine Reihe von Anordnungen gegeben hat, und er möchte, dass wir uns der Autorität dieser Anordnungen unterwerfen.
    2. Wenn es zu Paulus‘ Zeiten, so kurz nachdem der Apostel selbst unter ihnen gewesen war, viele streitsüchtige und ‚schwierige Menschen‘ in Gottes Volk gab, dann sollten wir erwarten, dass es auch heute solche Menschen gibt. Es gibt immer noch viele Widerspenstige.
  2. Leere Schwätzer und Verführer: Diese schwierigen Leute werden sich durch ihre unbedachten Worte zu erkennen geben und dadurch, dass sie andere verführen.
    1. Leere Schwätzer: „Es ging dabei vor allem um eine Anbetung, die in ihrem Leben nichts Gutes hervorbrachte. Diese Menschen auf Kreta konnten viel und gut reden, aber all ihr Gerede war unwirksam, wenn es darum ging, jemanden auch nur einen Schritt näher zum Guten zu bringen.“ (Barclay)
  3. Besonders die aus der Beschneidung: Paulus war besonders wegen dem Einfluss einiger Christen mit jüdischem Hintergrund besorgt, die dachten, dass die Einhaltung des mosaischen Gesetzes der Schlüssel sei, um von Gott angenommen zu werden.
    1. Die Worte widerspenstige und aus der Beschneidung zusammengenommen zeigen, dass es sich um Christen mit jüdischem Hintergrund oder zumindest dem Namen nach um Christen handelte. „Wir können jene Personen nicht als widerspenstig bezeichnen, auf deren Gehorsam wir keinen Anspruch haben.“ (White)
    2. „Sie versuchten, sie davon zu überzeugen, dass die einfache Geschichte von Jesus und dem Kreuz nicht ausreicht, sondern dass sie all die spitzfindigen Geschichten und die langen Geschlechtsregister und die ausgeklügelten Gleichnisse der Rabbiner brauchen, um wirklich weise zu sein. Außerdem versuchten sie sie zu lehren, dass Gnade nicht genug sei, sondern dass sie alle Regeln und Vorschriften über die Nahrung und Reinigung, die so charakteristisch für das Judentum waren, auf sich nehmen müssten, um wirklich gut zu sein.“ (Barclay)
    3. Wir können verstehen, warum es für Christen, die aus dem Judentum kamen, schwieriger sein könnte und warum sie in den frühen Gemeinden eher eine Quelle von Schwierigkeiten gewesen sein könnten. Christen mit heidnischem Hintergrund wussten sofort, dass sie alles ablehnen mussten, was ihr früheres Verständnis von Göttern betraf. Doch Christen, die aus dem Judentum kamen, mussten einige Dinge behalten und andere hinter sich lassen, und das ist oft schwieriger.
  4. Denen muss man den Mund stopfen: Titus musste die Ältesten, die er wählte, darin schulen, diesen schwierigen Menschen einfach „den Mund zu stopfen“. Sie sollten ihnen nicht erlauben, sich Gehör zu verschaffen, denn wenn man ihnen das erlauben würde, bringen sie ganze Häuser durcheinander.
    1. Denen muss man den Mund stopfen: „Das bedeutet nicht, dass sie durch Gewalt oder Verfolgung zum Schweigen gebracht werden müssen … es wurde die normale Redewendung dafür, eine Person durch Vernunft zum Schweigen zu bringen.“ (Barclay)
  5. Mit ihrem ungehörigen Lehren: Es gibt mindestens drei Dinge, die unter Christen nicht gelehrt werden sollten, weil es ungehörige Lehren sind. Erstens sollte keine Irrlehre gelehrt werden. Zweitens sollten keine widerspenstigen Dinge gelehrt werden. Drittens sollten keine unnützen Dinge gelehrt werden.
    1. In 1. Timotheus 1, 4 warnte Paulus den Timotheus davor, sich nicht mit Legenden und endlosen Geschlechtsregistern zu beschäftigen, die mehr Streitfragen hervorbringen als göttliche Erbauung im Glauben. Es gibt bestimmte geistliche Themen, die nicht erbauend und nicht gewinnbringend sind. Sie führen nur zu Spekulationen und Auseinandersetzungen. Für den Fall, dass Titus Männer fand mit ihrem ungehörigen Lehren, so sollte er das verhindern.
  6. Um eines schändlichen Gewinns willen: Diese schwierigen Menschen wurden von Gewinn motiviert. Paulus‘ dachte dabei vor allem an unehrlichen finanziellen Gewinn, und es gibt heute viele, auf die diese Beschreibung zutrifft. Der schändliche Gewinn, den manche im Evangelium suchen, ist jedoch nicht finanzieller, sondern emotionaler Natur. Sie dienen um des Gewinns willen, der entsteht, wenn andere sie als geistliche Leiter anerkennen oder bewundern.

2. Warum das Problem groß ist und was man dagegen tun kann

Titus 1, 12-14

Titus 1, 12-14
Einer von ihnen, ihr eigener Prophet, hat gesagt: »Die Kreter sind von jeher Lügner, böse Tiere, faule Bäuche!« Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben und nicht auf jüdische Legenden achten und auf Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.

  1. Die Kreter sind von jeher Lügner, böse Tiere, faule Bäuche: Das Problem war groß wegen des allgemeinen Charakters der Kreter. Sogar Propheten unter den Kretern bezeichneten die Inselbewohner als Lügner, böse Tiere und faule Bäuche, was darauf hindeutet, dass es ein Charakterproblem gibt.
    1. Wenn die Kreter diesen grundlegenden Charakter hatten, zeigt das, warum es für Titus so wichtig war, Älteste für die Leitung der Gemeinde zu ernennen. Würde man diese Gemeinden sich selbst überlassen, würden Chaos und Fehlentwicklungen in den Gemeinden herrschen.
    2. Ihr eigener Prophet: Paulus meinte nicht, dass der kretische Schriftsteller, den er hier zitiert, ein inspirierter Prophet Gottes sei. Dieser Autor hatte jedoch Recht, als er den Charakter des kretischen Volkes beschrieb. Wie Paulus schrieb, ist dieses Zeugnis – nicht das gesamte Zeugnis dieses Autors – wahr.
    3. „Es war einmal ein kretischer Prophet, der seinen Landsleuten klipp und klar die Wahrheit sagte. Die ganze Zeile kommt laut Hieronymus in den [Werken] von Epimenides vor, der aus Knossus auf Kreta stammte.“ (White)
    4. „Die Kreter waren so berüchtigt, dass die Griechen tatsächlich ein Verb kretizein bildeten, zu kretisieren, was lügen und betrügen bedeutet; und sie hatten eine sprichwörtliche Redewendung, kreitzein pros Kreta, gegen einen Kreter kretisieren, was bedeutet, Lügen mit Lügen zu begegnen, so wie Diamanten Diamanten schneiden.“ (Barclay)
    5. Paulus sagte nicht zu Titus: „Die Kreter sind Lügner, Betrüger und Vielfraße, mit einem extrem schlechten Ruf im Römischen Reich. Du solltest dich nach einer Gruppe umsehen, mit der die Zusammenarbeit einfacher ist.“ Stattdessen sagte er: „Ich weiß, wie schlecht sie sind. Zieh los und verändere sie mit der Kraft Jesu und zu seiner Ehre.“
  2. Aus diesem Grund weise sie streng zurecht: Wegen des allgemein verhärteten Charakters der Menschen auf der Insel Kreta muss ganz direkt mit ihnen umgegangen werden. Titus selbst muss sie streng zurechtweisen, damit sie gesund seien im Glauben, und er muss auch Leiter ernennen, die das Gleiche tun werden.
  3. Nicht auf jüdische Legenden achten und auf Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden: Wie bereits erwähnt (besonders die aus der Beschneidung, Titus 1, 10), ging es in den Gemeinden Kretas bei der eigentlichen Streitfrage um die jüdische Gesetzlichkeit. Sie konzentrierte sich nicht auf Gottes Wort, sondern auf jüdische Legenden … und auf Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.

3. Der Charakter dieser schwierigen Menschen

Titus 1, 15-16

Titus 1, 15-16
Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen sind befleckt. Sie geben vor, Gott zu kennen, aber mit den Werken verleugnen sie ihn, da sie verabscheuungswürdig und ungehorsam und zu jedem guten Werk untüchtig sind.

  1. Den Reinen ist alles rein: Weil sie sich so zur jüdischen Gesetzlichkeit hingezogen fühlten, schienen die schwierigen Menschen, denen Titus entgegentreten musste, zu glauben, dass nichts rein ist. Sie verweigerten den Christen grundlegende und göttliche Freuden, die keine Sünde waren.
    1. Timotheus hatte mit der gleichen Art von Menschen zu tun. Paulus warnte Timotheus vor denen, die verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat, damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig sind und die Wahrheit erkennen (1. Timotheus 4, 3). Paulus wusste, wenn ein Christ in der Reinheit des Herrn wandelte, dann waren diese Dinge für ihn rein. Aber die, die einen gesetzlichen Geist haben (Befleckte … und Ungläubige), schienen zu glauben, dass nichts rein ist. Das Problem lag in ihrem befleckten und ungläubigen Verstand und Gewissen, nicht in den Dingen selbst.
    2. Ist alles rein: Natürlich meint Paulus nicht, dass offensichtlich sündige Dinge (Pornographie, illegale Drogen und dergleichen) rein sind. Paulus hat die Dinge im Sinn, die von der Schrift erlaubt, aber von den Gesetzestreuen verboten werden, in dem irrtümlichen Versuch, sich Gottes Gunst zu erwerben.
    3. „Paulus widerlegte die falsche Lehre dieser Gesetzestreuen in Bezug auf Lebensmittel. Sie lehrten, dass jüdische Speisegesetze immer noch für christliche Gläubige gelten.“ (Wiersbe)
    4. „Das ‚alle Dinge‘ bezieht sich auf alles, was in allen Lebensbereichen unmoralisch ist, wie Appetit und Nahrung, Begierde und Ehe, Tausch und Handel, Müdigkeit und Erholung, und so weiter. Für den Reinen sind all diese Dinge rein, und sie werden in Reinheit erhalten bleiben. Für den Unreinen kann jedes einzelne von ihnen zum Aufhänger und Anlass der Unreinheit gemacht werden.“ (Morgan)
  2. Sie geben vor, Gott zu kennen, aber mit den Werken verleugnen sie ihn: Diese schwierigen Menschen, mit denen Titus zu tun hatte, waren umso schwieriger, weil sie wie Christen redeten. Das was sie über ihre Beziehung zu Gott sagten, war in Ordnung, aber mit den Werken verleugnen sie ihn. Wir können uns nicht einfach danach richten, was Menschen sagen. Wir müssen uns auch ansehen, wie sie leben.
    1. „Sie taten so, als ob dieses Höchste Wesen eine bloße metaphysische Abstraktion wäre, außerhalb jeder moralischen Beziehung zum menschlichen Leben, als ob er weder Retter noch Richter wäre.“ (J.H. Bernard, zitiert in White)
  3. Da sie verabscheuungswürdig und ungehorsam und zu jedem guten Werk untüchtig sind: Das sind starke Worte, aber Paulus meint es ernst. Diese schwierigen Menschen gaben wahrscheinlich vor, geistlicher als Titus oder andere gottesfürchtige Leiter zu sein. Doch Paulus durchschaute ihre geistliche Fassade und wollte, dass Titus – und alle Christen auf Kreta – sie auch durchschauen.
    1. Das Wort verabscheuungswürdig steht für die Vorstellung, durch Götzendienst verunreinigt zu sein.
    2. Untüchtig: Das altgriechische Wort heißt adokimos und wurde auf viele verschiedene Arten verwendet:
      1. Es wurde verwendet, um eine gefälschte Münze zu beschreiben.
      2. Es wurde verwendet, um einen feigen Soldaten zu beschreiben, der im Kampf versagt hat.
      3. Es wurde für einen Kandidaten verwendet, der ein bestimmtes Amt angestrebt hatte, aber nicht gewählt wurde.
      4. Es wurde für einen Stein verwendet, der von den Bauherren verworfen wurde. Wenn ein Stein einen ausreichend großen Fehler aufwies, wurde er mit einem großen A (für Adokimos) gekennzeichnet und als ungeeignet beiseitegelegt.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

Pin It on Pinterest