Apostelgeschichte 26 – Paulus verantwortet sich vor dem König Agrippa

A. Paulus spricht in seiner Anhörung vor König Agrippa

1. Die einleitenden Worte von Paulus

Apostelgeschichte 26, 1-3

Apostelgeschichte 26, 1-3
Agrippa aber sprach zu Paulus: Es ist dir erlaubt, für dich zu reden! Da streckte Paulus die Hand aus und verteidigte sich so: Ich schätze mich glücklich, König Agrippa, mich heute vor dir verantworten zu dürfen wegen aller Anklagen, die die Juden gegen mich erheben, da du ja alle Gebräuche und Streitfragen der Juden genau kennst. Darum bitte ich dich, mich geduldig anzuhören.

  1. Agrippa aber sprach zu Paulus: Paulus stand vor dem Mann, dessen Urgroßvater schon versucht hatte, Jesus zu töten als dieser noch ein Baby war; sein Großvater ließ Johannes den Täufer enthaupten; sein Vater hatte den ersten Apostel Jakobus zum Märtyrer gemacht. Die Familiengeschichte Agrippas machte es unwahrscheinlich, dass er Paulus herzlich empfangen würde.
  2. Ich schätze mich glücklich, König Agrippa, mich heute vor dir verantworten zu dürfen: Obwohl er ein Gefangener war, war Paulus glücklich, vor Agrippa zu sprechen. Erstens, weil er sich darüber freute, dass die Beweise für seinen Fall von den höchsten Beamten genau untersucht wurden, aber auch, weil er sich darüber freute, Königen und Herrschern das Evangelium zu predigen.
    1. Im Auditorium in der Stadt Cäsarea sprach Paulus zu Festus, Agrippa, Bernice, Befehlshabern der römischen Legion und allen bekannten Männern von Cäsarea (Apostelgeschichte 25, 23). Das war eine großartige Gelegenheit, und Paulus schätzte sich sicherlich glücklich diese Möglichkeit zu haben.
    2. Damit wurde ein Teil dessen erfüllt, was der Herr Paulus bei seiner Bekehrung versprochen hatte: Geh hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Werkzeug, um meinen Namen vor Heiden und Könige und vor die Kinder Israels zu tragen! (Apostelgeschichte 9, 15)

2. Das Leben des jungen Paulus als treuer Jude und Pharisäer

Apostelgeschichte 26, 4-5

Apostelgeschichte 26, 4-5
Mein Lebenswandel von Jugend auf, den ich von Anfang an unter meinem Volk in Jerusalem führte, ist allen Juden bekannt; da sie mich von früher her kennen (wenn sie es bezeugen wollen), dass ich nach der strengsten Richtung unserer Religion gelebt habe, als ein Pharisäer.

  1. Mein Lebenswandel von Jugend auf, den ich von Anfang an unter meinem Volk in Jerusalem führte: Paulus wurde in Tarsus (Türkei) geboren, etwa 1000 Kilometer von Jerusalem entfernt. Doch schon in relativ jungen Jahren kam er nach Jerusalem, um dort zu leben.
  2. Dass ich nach der strengsten Richtung unserer Religion gelebt habe, als ein Pharisäer: Paulus war nicht nur ein gläubiger Jude, sondern war unter den Juden als ein gläubiger Mann bekannt, der nach der strengsten Richtung der Pharisäer lebte.

3. Paulus konfrontiert als treuer, gläubiger Jude Agrippa bezüglich seines mangelnden Glaubens

Apostelgeschichte 26, 6-8

Apostelgeschichte 26, 6-8
Und jetzt stehe ich vor Gericht wegen der Hoffnung auf die Verheißung, die von Gott an die Väter ergangen ist, zu welcher unsere zwölf Stämme durch Tag und Nacht anhaltenden Gottesdienst zu gelangen hoffen. Wegen dieser Hoffnung werde ich, König Agrippa, von den Juden angeklagt! Warum wird es bei euch für unglaublich gehalten, dass Gott Tote auferweckt?

  1. Und jetzt stehe ich vor Gericht wegen der Hoffnung auf die Verheißung, die von Gott an die Väter ergangen ist: Paulus machte deutlich, dass er sowohl in seinem Herzen als auch in seinem Denken ein treuer Jude blieb. Sein Vertrauen auf Jesus war eine Folge seines Vertrauens in diese Hoffnung auf die Verheißung, die von Gott ergangen ist, und er führte an, dass er wegen dieser Hoffnung … von den Juden angeklagt werde.
  2. Warum wird es bei euch für unglaublich gehalten, dass Gott Tote auferweckt? Da Agrippa ein Experte in allen Sitten und Fragen war, die mit den Juden zu tun haben (Apostelgeschichte 26, 3), hätte er die Überzeugung verstehen müssen, dass Gott die Toten auferwecken könnte oder würde.
    1. Warum wird es bei euch für unglaublich gehalten, dass Gott alles tun kann? Wie Jesus sagte, sind bei Gott alle Dinge möglich (Matthäus 19, 26). Dabei sollte es Agrippa, angesichts einiger klarer Aussagen im Alten Testament (wie Hiob 19, 25-27), aufgrund von Gottes Wesen und wegen dem intuitiven Gespür der Menschen für das Ewige, besonders leicht fallen zu glauben, dass Gott Tote auferweckt.

4. Paulus erklärt, dass er einst die Nachfolger Jesu verfolgte

Apostelgeschichte 26, 9-11

Apostelgeschichte 26, 9-11
Ich habe zwar auch gemeint, ich müsste gegen den Namen Jesu, des Nazareners, viel Feindseliges verüben, was ich auch in Jerusalem tat; und viele der Heiligen ließ ich ins Gefängnis schließen, wozu ich von den obersten Priestern die Vollmacht empfangen hatte, und wenn sie getötet werden sollten, gab ich die Stimme dazu. Und in allen Synagogen wollte ich sie oft durch Strafen zur Lästerung zwingen, und über die Maßen wütend gegen sie, verfolgte ich sie sogar bis in die auswärtigen Städte.

  1. Ich habe zwar auch gemeint, ich müsste gegen den Namen Jesu, des Nazareners, viel Feindseliges verüben: Vor seiner Bekehrung glaubte Paulus, er müsse die Nachfolger Jesu verfolgen. Einige ließ er einsperren (ins Gefängnis schließen), einige tötete er (sie getötet werden sollten), und einige zwang er, Jesus zu verleugnen (sie zur Lästerung zwingen).
    1. Paulus spricht später darüber, dass er sein früheres Leben als [Christen-] Verfolger bedauert (1. Korinther 15, 9; 1. Timotheus 1, 15). Vielleicht lastete die Tatsache, dass er sie zur Lästerung zwang, besonders auf seinem Gewissen.
  2. Gab ich die Stimme dazu: Das bedeutet eindeutig, dass Paulus Mitglied des Sanhedrins war und eine Stimme hatte, mit der er gegen Christen gestimmt hat, die vor dem Sanhedrin angeklagt wurden (wie Stephanus in Apostelgeschichte 7).
    1. Wenn Paulus dem Sanhedrin angehörte, bedeutet das auch, dass er zu diesem Zeitpunkt verheiratet war, weil dies eine Voraussetzung für alle Mitglieder des Sanhedrins war. Da er als Christ ledig war (1. Korinther 7, 7-9), kann es bedeuten, dass die Frau des Paulus entweder starb oder ihn verließ, als er Christ wurde.
  3. Über die Maßen wütend gegen sie: Vor seiner Bekehrung war Paulus ein zorniger Mann. Seine große Wut zeigte, dass seine Beziehung zu Gott trotz seiner gewissenhaften Einhaltung religiöser Vorschriften nicht richtig war.

5. Jesus offenbart sich Paulus auf der Straße nach Damaskus

Apostelgeschichte 26, 12-15

Apostelgeschichte 26, 12-15
Als ich dabei mit Vollmacht und Erlaubnis von den obersten Priestern auch nach Damaskus reiste, da sah ich mitten am Tag auf dem Weg, o König, vom Himmel her ein Licht, heller als der Glanz der Sonne, das mich und meine Reisegefährten umleuchtete. Als wir aber alle zur Erde fielen, hörte ich eine Stimme zu mir reden und in hebräischer Sprache sagen: Saul! Saul! Warum verfolgst du mich? Es wird dir schwer werden, gegen den Stachel auszuschlagen! Ich aber sprach: Wer bist du, Herr? Er aber sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst!

  1. Als ich … nach Damaskus reiste: Dies ist der umfangreichste Bericht den Paulus‘ bisher über seine Erfahrungen auf der Straße nach Damaskus gemacht hat. Er stellte zunächst fest, dass er seine Mission des Hasses und der Verfolgung mit der Vollmacht und Erlaubnis derselben religiösen Führer führte, die ihn jetzt beschuldigen.
  2. Da sah ich … vom Himmel her ein Licht, heller als der Glanz der Sonne: Paulus sah das Licht im wahrsten Sinne des Wortes, bevor er es im übertragenen Sinne sah. Paulus ging in der festen Überzeugung nach Damaskus, dass er Recht hatte; es bedurfte eines Lichts, das heller als die Mittagssonne war, um ihm zu zeigen, dass er falsch lag.
  3. Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Es wird dir schwer werden, gegen den Stachel auszuschlagen: Paulus wiederholt die Worte aus Apostelgeschichte 9, 3-6. Diese Worte betonen:
      1. Die persönliche Anrede von Jesus (Saul, Saul).
      2. Dass er den falschen verfolgte (mich).
      3. Wie verrückt es war, Jesus zu verfolgen (warum).
  4. Ich bin Jesus, den du verfolgst: Diese Worte veränderten die Welt von Paulus. Er verstand sofort, dass Jesus lebendig und nicht tot war. Er verstand, dass Jesus in Herrlichkeit regierte, anstatt in Schande verdammt zu sein. Er erkannte, dass er, indem er die Nachfolger Jesu verfolgte, Jesus selbst verfolgte, und dass er, indem er Jesus verfolgte, gegen den Gott seiner Väter kämpfte.
    1. Paulus musste Buße tun – einen Sinneswandel vollziehen, der zu einem veränderten Handeln führte – und zwar sofort. Paulus lebte ein moralisch einwandfreies Leben, also musste er nicht für Unmoral – sondern für fehlgeleiteten religiösen Eifer und falsche Gottesvorstellungen Buße tun.

6. Jesus gibt Paulus auf der Straße nach Damaskus einen Auftrag

Apostelgeschichte 26, 16-18

Apostelgeschichte 26, 16-18
Aber steh auf und stelle dich auf deine Füße! Denn dazu bin ich dir erschienen, um dich zum Diener und Zeugen zu bestimmen für das, was du gesehen hast und für das, worin ich mich dir noch offenbaren werde; und ich will dich erretten von dem Volk und den Heiden, unter die ich dich jetzt sende, um ihnen die Augen zu öffnen, damit sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Herrschaft des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbteil unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind!

  1. Aber steh auf und stell dich auf deine Füße: Jesus sagte Paulus, dass er aufstehen solle. Dies geschah nicht, weil seine Demut nicht angemessen war, sondern weil er gesandt wurde und er aufstehen und sich auf seine Füßen stellen musste, wenn er irgendwo hingehen wollte. Das war eine Art zu sagen: „Komm jetzt, los geht`s“.
  2. Denn dazu bin ich dir erschienen: Die religiösen Führer schickten Paulus zu einem bestimmten Zweck, mit einer Vollmacht und einem Auftrag nach Damaskus. Nun muss er ein anderes Ziel (dazu) wählen, das Ziel Jesu.
  3. Denn dazu bin ich dir erschienen, um dich zum Diener und Zeugen zu bestimmen. Paulus wurde beauftragt, ein Diener zu sein, das heißt, er sollte ein Diener für das sein, was er gesehen hatte, und für das, worin Jesus sich ihm noch offenbaren würde. Der Auftrag eines Christen besteht nicht darin, dafür zu sorgen, dass die Botschaft oder sein Zeugnis ihm dient; er ist berufen, der Botschaft zu dienen.
  4. Dich zum Diener und Zeugen zu bestimmen: Paulus war auch berufen, Zeuge zu sein. Der Auftrag des Christen besteht nicht darin, Erlebnisse zu schaffen oder die Botschaft zu erfinden, sondern Zeuge zu sein und sie zu erleben.
  5. Unter die ich dich jetzt sende, um ihnen die Augen zu öffnen: Jesus beschrieb die Arbeit, die Paulus tun würde. In diesem Moment wurde Paulus auf der Straße nach Damaskus durch das große Licht vom Himmel geblendet. Seine Augen waren noch nicht physisch geöffnet, aber Jesus sandte ihn, um anderen (Juden und Heiden) die Augen zu öffnen.
    1. Jesus zählte Paulus dann vier Konsequenzen auf, die sich aus dem Öffnen der Augen ergeben würden:
      1. Von der Finsternis ins Licht bekehrt werden.
      2. Von der Herrschaft des Satans zu Gott kommen.
      3. Die Vergebung der Sünden empfangen.
      4. Ein Erbteil unter Gottes Volk erhalten.
  6. Unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind: So beschrieb Jesus seine Nachfolger, sein Volk, seine Familie. Sie sind geheiligt (losgelöst von ihrer sündigen Natur), und sie sind geheiligt durch den Glauben an Jesus (nicht durch Werke oder religiöse Errungenschaften, sondern durch ihre Liebesbeziehung und ihr Vertrauen auf Jesus).
    1. Das Auditorium, in dem Paulus sprach, war mit wichtigen Personen und Würdenträgern gefüllt (Apostelgeschichte 25, 23), aber wir können uns durchaus vorstellen, dass Paulus diese Worte mit besonderer Aufmerksamkeit und Konzentration auf Agrippa sprach. Dies war eine Einladung an Agrippa, einer von denen zu werden, die durch den Glauben an Jesus geheiligt sind. Seine Augen könnten genauso, wie die von Paulus auf der Straße nach Damaskus geöffnet werden.

7. Paulus‘ Gehorsam gegenüber Jesus

Apostelgeschichte 26, 19-20

Apostelgeschichte 26, 19-20
Daher, König Agrippa, bin ich der himmlischen Erscheinung nicht ungehorsam gewesen, sondern ich verkündigte zuerst denen in Damaskus und in Jerusalem und dann im ganzen Gebiet von Judäa und auch den Heiden, sie sollten Buße tun und sich zu Gott bekehren, indem sie Werke tun, die der Buße würdig sind.

  1. Bin ich der himmlischen Erscheinung nicht ungehorsam gewesen: Angesichts der Erfahrung, die Paulus gerade beschrieben hat, war dies logisch. Niemand sollte dem Gott ungehorsam sein, der sich so mächtig offenbart hatte. Paulus legte vor Agrippa und allen Anwesenden überzeugend dar, warum er so predigte und lebte, wie er es tat.
  2. Sie sollten Buße tun und sich zu Gott bekehren, indem sie Werke tun, die der Buße würdig sind: Dies ist eine saubere Zusammenfassung der Botschaft des Paulus. Paulus stellt Umkehr (Buße) und Hinwendung (sich … bekehren) zu Gott in einen engen Zusammenhang und versteht sie als zwei Aspekte ein und derselben Handlung. Man kann sich nicht zu Gott bekehren, wenn man nicht Buße tut – und die Handlungen werden eine wahre Umkehr bestätigen (Werke tun, die der Buße würdig sind).

8. Paulus fasst seine Verteidigungsrede zusammen

Apostelgeschichte 26, 21-23

Apostelgeschichte 26, 21-23
Deswegen ergriffen mich die Juden im Tempel und suchten mich umzubringen. Aber da mir Hilfe von Gott zuteilwurde, so stehe ich fest bis zu diesem Tag und lege Zeugnis ab vor Kleinen und Großen und lehre nichts anderes, als was die Propheten und Mose gesagt haben, dass es geschehen werde: nämlich, dass der Christus leiden müsse und dass er als der Erstling aus der Auferstehung der Toten Licht verkündigen werde dem Volk und auch den Heiden.

  1. Deswegen ergriffen mich die Juden im Tempel und suchten mich umzubringen: Paulus sagt ganz klar die Wahrheit über den Fall. Nur weil er versuchte, den Heiden das Evangelium von Jesus Christus zu bringen, ergriffen ihn die Juden und versuchten, ihn umzubringen. Nicht weil er ein politischer Revolutionär war oder weil er die Heiligkeit des Tempels beleidigt hätte.
  2. Aber da mir Hilfe von Gott zuteil wurde, so stehe ich fest bis zu diesem Tag und lege Zeugnis ab vor Kleinen und Großen: Während seiner mehr als zweijährigen Gefangenschaft erhielt Paulus Hilfe von Gott. Doch bis zu diesem Zeitpunkt war es keine Hilfe, die ihn befreite; es war Hilfe, die ihm die Möglichkeit und Fähigkeit gab, zu Kleinen und Großen darüber zu sprechen, wer Jesus ist und was Jesus getan hatte.
    1. Das scheint für Paulus in Ordnung gewesen zu sein. Es ging ihm mehr darum, den Menschen von Jesus zu erzählen, als um seine persönliche Freiheit.
  3. Lehre nichts anderes, als was die Propheten und Mose gesagt haben, dass es geschehen werde: Paulus erklärte auch dass er nach wie vor an demselben Evangelium festhielt, weil dieses Evangelium fest auf dem Wort Gottes (die Propheten und Mose) und nicht auf den Traditionen oder geistlichen Erfahrungen der Menschen beruhte.
  4. Dass der Christus leiden müsse und dass er als der Erstling aus der Auferstehung der Toten Licht verkündigen werde dem Volk und auch den Heiden. Dies waren die drei Hauptpunkte von Paulus` Predigt: der Tod Jesu, seine Auferstehung und die Verkündigung dieser guten Nachricht in der ganzen Welt, ohne Rücksicht darauf, ob es Juden oder Heiden waren.

B. Die Reaktion von Festus und Agrippa

1. Festus behauptet, dass Paulus verrückt sei und Paulus antwortet

Apostelgeschichte 26, 24-26

Apostelgeschichte 26, 24-26
Als er aber dies zu seiner Verteidigung vorbrachte, sprach Festus mit lauter Stimme: Paulus, du bist von Sinnen! Das viele Studieren bringt dich um den Verstand! Er aber sprach: Hochedler Festus, ich bin nicht von Sinnen, sondern ich rede wahre und wohlüberlegte Worte! Denn der König versteht dies sehr wohl! An ihn richte ich meine freimütige Rede. Denn ich bin überzeugt, dass ihm nichts davon unbekannt ist; denn dies ist nicht im Verborgenen geschehen!

  1. Paulus, du bist von Sinnen! Das viele Studieren bringt dich um den Verstand! Paulus war offensichtlich ein intelligenter Mann, der viel studierte. Dennoch dachte Festus in diesem Moment, er sei verrückt, und sagte dies mit lauter Stimme vor allen Anwesenden. Angesichts des Verhaltens von Paulus bei dieser Anhörung gibt es einige Gründe, warum jemand wie Festus denken konnte, Paulus sei von Sinnen.
      1. Obwohl er als Gefangener in Ketten lag, sagte er, er sei glücklich (Apostelgeschichte 26, 2).
      2. Er bestand darauf, dass Gott die Toten auferwecken könne (Apostelgeschichte 26, 8.23).
      3. Er erlebte eine himmlische Vision und veränderte dadurch sein Leben (Apostelgeschichte 26, 14-19).
      4. Es ging ihm mehr um die Verkündigung Jesu als um seine persönliche Freiheit (Apostelgeschichte 26, 22).
      5. Er glaubte an eine Botschaft der Hoffnung und Erlösung für die ganze Menschheit, nicht nur für Juden oder für Heiden (Apostelgeschichte 26, 23).
    1. Wenn das Evangelium richtig verkündet und gelebt wird, werden manche Leute denken, wir seien verrückt. Paulus drückt es so aus: Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verlorengehen (1. Korinther 1, 18).
  2. Hochedler Festus, ich bin nicht von Sinnen, sondern ich rede wahre und wohlüberlegte Worte: Dennoch wusste Paulus, dass sein Evangelium nicht nur wahr, sondern auch vernünftig war. Gott mag manchmal über alle Vernunft hinaus handeln, aber niemals gegen die Vernunft.
  3. Denn der König versteht dies sehr wohl. … dass ihm nichts davon unbekannt ist: Festus kam vor kurzem aus Rom und wusste vielleicht nicht viel darüber, was mit Jesus und der frühen christlichen Bewegung geschehen war. Doch König Agrippa wusste es, und Paulus appellierte an sein Wissen über die historischen Ereignisse, die die Grundlage für den christlichen Glauben bildeten – Dinge, die nicht im Verborgenen geschehen sind.
    1. Die Botschaft von Paulus war von Wahrheit und Vernunft geprägt, weil sie auf historischen Ereignissen (wie der Kreuzigung und Auferstehung Jesu) beruhte; Dinge, die nicht im Verborgenen geschehen sind, sondern offen untersucht werden konnten.
    2. Die historische Grundlage der Botschaft des Paulus machte sie wahr. Was die wohlüberlegten Worte betrifft, so ist es einfach nicht vernünftig, Dinge, die tatsächlich geschehen sind, zu ignorieren oder zu leugnen. Es muss Rechenschaft darüber abgelegt werden, wer Jesus ist und was er getan hat.

2. Agrippa ist fast überzeugt, Christ zu werden

Apostelgeschichte 26, 27-29

Apostelgeschichte 26, 27-29
Glaubst du den Propheten, König Agrippa? Ich weiß, dass du glaubst! Da sagte Agrippa zu Paulus: Es fehlt nicht viel, und du überredest mich, dass ich ein Christ werde! Paulus aber sprach: Ich wünschte mir von Gott, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie ich bin, ausgenommen diese Fesseln!

  1. Glaubst du den Propheten, König Agrippa? Ich weiß, dass du glaubst: Paulus benutzte Festus‘ Äußerung, um an das zu appellieren, was König Agrippa wusste (Apostelgeschichte 26, 26). Dann forderte Paulus Agrippa direkt heraus und fragte ihn: „Glaubst du?“
    1. Paulus fragte Agrippa nicht, ob er an Jesus glaubte; er fragte: „Glaubst du den Propheten?“ Paulus tat das, weil er wusste, wenn Agrippa an die Propheten glaubt, würden die Wahrheit und sein Verstand ihn zum Glauben an Jesus führen. Er wollte das, was Agrippa bereits glaubte, mit dem verbinden, was er glauben sollte.
    2. Damit übergab Paulus die Herausforderung und den Zeitpunkt, um eine Entscheidung zu treffen, direkt an Agrippa. Beim Erzählen der Botschaft von Jesus, davon wer er ist und was er für uns getan hat, ist es ein guter und oft notwendiger Punkt, den Zuhörer zur Entscheidung aufzurufen.
  2. Es fehlt nicht viel, und du überredest mich, dass ich ein Christ werde: Als Paulus Agrippa zum Glauben an die Propheten und an Jesus aufrief, weigerte sich Agrippa, zu glauben und diesen Glauben zu bekennen. Paulus hat ihn fast überredet (Es fehlt nicht viel).
    1. Der genaue Gedanke hinter „Es fehlt nicht viel“ ist der: Paulus hat versucht, Agrippa zum Glauben an Christus zu überreden. Es gab aber eine Distanz zwischen ihm und dem Christentum. Egal wie nah Agrippa dem Punkt war, gläubig zu werden, es war nicht nah genug.
    2. Wenn das hier benutzte Wort ‚fast‘ (Es fehlt nicht viel) bedeutet, dann ist Agrippas Antwort besonders bedauerlich. Natürlich bedeutet fast Christ zu sein, dass man fast das ewige Leben hat und fast vom Gericht der Hölle erlöst wird; aber fast ist nicht genug.
    3. Anstatt dafür bewundert zu werden, wie weit er gekommen ist, verurteilte sich Agrippa selbst noch mehr, indem er zugab, wie nahe er dem Evangelium gekommen war und wie klar er es verstanden hatte, während er es immer noch ablehnte
  3. Ein Christ werde: Man könnte sagen, dass Paulus die Worte wiederholte, die Jesus ihm auf dem Weg nach Damaskus darüber gesagt hatte, was einen Christen ausmacht (Apostelgeschichte 26, 18). Agrippa lehnte das ab.
      1. Er wollte sich nicht von der Dunkelheit zum Licht wenden.
      2. Er wollte sich nicht von der Macht Satans zur Macht Gottes wenden.
      3. Er wollte keine Vergebung der Sünden empfangen.
      4. Er wollte keinen Platz in Gottes Volk einnehmen.
      5. Er wollte keiner von denen werden, die durch den Glauben an Jesus ausgesondert sind.
  4. Es fehlt nicht viel, und du überredest mich, dass ich ein Christ werde: Was hielt Agrippa davon ab? Warum fehlte nicht viel, dass er ein Christ geworden ist?
    1. Warum fehlte nicht viel, dass Agrippa überredet wurde? Eine der Antworten war die Person, die neben ihm saß – Bernice. Sie war eine sündige, unmoralische Person. Er mag zu Recht erkannt haben, dass ein Christ zu werden bedeuten würde, sie und seine anderen unmoralischen Freunde zu verlieren. Er war nicht bereit, dieses Opfer zu bringen.
    2. Auf der anderen Seite von Agrippa saß Festus – ein Mann der Tat, ein nüchterner Mensch, ein Mann, der Paulus für verrückt hielt. Vielleicht dachte Agrippa: „Ich kann kein Christ werden. Festus wird mich auch für verrückt halten.“ Weil er das Lob der Menschen wollte, lehnte er Jesus ab.
      „Ach, wie viele lassen sich von der Furcht vor Menschen beeinflussen! Oh, ihr Feiglinge, werdet ihr aus Angst verdammt sein? Wollt ihr eher eure Seelen zugrunde gehen lassen, als eure Männlichkeit zu zeigen, indem ihr einem armen Sterblichen sagt, dass ihr seiner Verachtung trotzt? Wagt ihr es nicht, dem Richtigen zu folgen, wenn euch alle Menschen auf der Welt zum Unrichtigen auffordern? Oh, ihr Feiglinge! Ihr Feiglinge! Wie habt ihr es verdient, umzukommen, die ihr nicht genug Seele habt, um eure Seelen eure eigenen zu nennen, sondern vor dem Spott der Narren kauert!“ (Spurgeon)
    3. Vor Agrippa stand Paulus – ein starker, edler Mann, der weise war und Charakter hatte – aber ein Mann, der in Ketten lag. Sagte Agrippa sich: „Nun, wenn ich Christ würde, würde ich vielleicht wie Paulus in Ketten enden; oder zumindest würde ich mich mit ihm verbünden müssen. Das kann ich nicht machen – ich bin eine wichtige Person.“ „Oh, dass die Menschen weise genug wären zu erkennen, dass es eine Ehre ist für Christus zu leiden, dass es ein Gewinn ist, etwas für Wahrheit zu verlieren, dass die größte Würde darin besteht, die Kette am Arm zu ertragen, anstatt die Kette an der Seele zu ertragen.“ (Spurgeon)
  5. Ich wünschte mir von Gott, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden wie ich bin, ausgenommen diese Fesseln: Paulus erklärte, dass er sein Vertrauen auch weiterhin auf das das Evangelium von Jesus Christus setzte. Er wich, trotz seiner langen Gefangenschaft um des Evangeliums willen nicht einen Zentimeter von seinem Standpunkt zurück.
  6. Ausgenommen diese Fesseln: Mit einer dramatischen Geste zeigte Paulus, dass er, obwohl er in Ketten lag, in Jesus mehr Freiheit hatte als jeder der ranghohen Zuhörer.

3. Agrippa gibt zu, das Paulus unschuldig ist, und übergibt ihn aber an den Kaiser

Apostelgeschichte 26, 30-32

Apostelgeschichte 26, 30-32
Und als er dies gesagt hatte, stand der König auf, ebenso der Statthalter und Bernice und die bei ihnen saßen. Und sie zogen sich zurück und redeten miteinander und sprachen: Dieser Mensch tut nichts, was den Tod oder die Gefangenschaft verdient! Agrippa aber sprach zu Festus: Man könnte diesen Menschen freilassen, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte!

  1. Und als er dies gesagt hatte, stand der König auf: Paulus’ direkte Herausforderung war für Agrippa, Festus und die anderen auf der Bühne zu viel. Es wurde ihnen zu nah, zu persönlich und sie hatten das Gefühl, es schnell beenden zu müssen, indem sie aufstanden und das Verfahren beendeten.
  2. Dieser Mensch tut nichts, was den Tod oder die Gefangenschaft verdient: Agrippa sah auch, dass es keine Beweise gab, die die Anschuldigungen gegen Paulus untermauerten, und er respektierte die hohe Seriosität von Paulus, auch wenn er das Evangelium des Paulus ablehnte. So verkündeten Agrippa und die anderen ein Urteil, das ‚Nicht schuldig‘ lautete.
  3. Man könnte diesen Menschen freilassen, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte: Doch Paulus konnte nicht freigelassen werden, weil er sich auf den Kaiser berufen hatte. Es scheint, dass ein einmal eingelegter Einspruch nicht mehr zurückgenommen werden konnte.
  4. Auf den Kaiser berufen: Es scheint, dass Paulus hier hätte freigelassen werden können, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte. War also Paulus‘ Berufung auf den Kaiser eine gute oder eine schlechte Sache?
    1. Einige Leute glauben, dass es eine schlechte Sache war und dass Paulus auf die Macht des römischen Rechtssystems vertraute, statt auf die Macht Gottes. Sie sagen, dass Paulus von Agrippa hätte freigelassen werden können, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.
    2. Dennoch sollten wir die Erfüllung von Gottes Plan durch all diese Ereignisse sehen. Durch seine Berufung auf den Kaiser wird Paulus die Gelegenheit haben, dem römischen Kaiser zu predigen, wie er es vor Felix, Festus und Agrippa tun musste, um so die Verheißung zu erfüllen, dass Paulus meinen Namen vor … Könige tragen würde (Apostelgeschichte 9, 15).
    3. Die Berufung auf den Kaiser und seine anschließende Reise nach Rom auf Kosten des römischen Reiches waren auch die Erfüllung der Absicht des Heiligen Geistes, dass Paulus nach Rom gehen sollte (Apostelgeschichte 19, 21; 23, 11). Es erfüllte sich damit ein lange gehegter Wunsch im Herzen von Paulus, die dort bereits vorhandene christliche Gemeinde zu besuchen (Römer 1, 9-13).

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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