Kolosser 1 – Die Größe Jesu Christi

A. Begrüßung und Danksagung

1. Paulus grüßt die Christen in Kolossä

Kolosser 1, 1-2

Kolosser 1, 1-2
Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, und der Bruder Timotheus an die heiligen und treuen Brüder in Christus in Kolossä: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

  1. Paulus: So wie es in der damaligen Zeit üblich war, nennt der Autor des Briefs zuerst seinen Namen. Somit war Paulus der Verfasser; er schrieb diesen Brief, während er sich in römischer Gefangenschaft befand (Kolosser 4, 3; 4, 10 und 4, 18), wahrscheinlich im Jahr 63 n.Chr. in Rom.
    1. Paulus verfasste den Brief vermutlich auf Grund des Besuchs von Epaphras aus Kolossä (Kolosser 1, 7). Er selbst hat die Stadt wohl nie besucht (Kolosser 2, 1).
  2. Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes: Die Tatsache, dass er ein Apostel war, qualifizierte Paulus dafür, diesen Brief mit Anweisungen an die Kolosser zu schreiben, obwohl er ihnen nie persönlich begegnet war.
    1. „Wörtlich übersetzt bedeutet das Wort apostolos ‚ein Gesandter‘; aber in diesem Kontext bezeichnet es einen bevollmächtigten Sprecher Gottes, der beauftragt und befugt ist, als sein Vertreter zu handeln.“ (Vaughan)
    2. Und der Bruder Timotheus: Timotheus war ein treuer Begleiter von Paulus, aber er war kein Apostel. „Obwohl Timotheus hier in der Begrüßung genannt wird, geht man nicht davon aus, dass er am Verfassen dieses Briefes beteiligt war. Er wurde vielmehr als Assistent oder Schreiber des Apostels betrachtet.“ (Clarke)
  3. An die heiligen und treuen Brüder: Dass sich Paulus an die Heiligen wandte, bedeutet nicht, dass er Unterschiede zwischen den Christen in der kolossischen Kirche machte. Jeder wahre Christ ist ein Heiliger. Paulus nimmt jedoch mit dem Ausdruck treue Brüder eine Differenzierung vor. Damit bezog er sich wohl auf diejenigen, die die falsche Lehre, auf die Paulus in diesem Brief immer wieder anspielt und die ihn so sehr beunruhigte, nicht angenommen haben.
  4. Kolossä: Die Stadt Kolossä war wahrscheinlich die kleinste und unbedeutendste Stadt, an die Paulus jemals geschrieben hat. Es mag verwundern, dass Paulus zu einer Zeit, in der er so viele andere Sorgen hatte, seine Aufmerksamkeit ausgerechnet auf die Christen in Kolossä richtete. Anscheinend hielt er aber die Situation in Kolossä für bedeutend genug, um sich damit zu befassen.
    1. Paulus schrieb, weil es Unstimmigkeiten unter den Christen in Kolossä gab. Es ist jedoch schwierig, das dogmatische Problem – bisweilen als ‚die kolossische Häresie‘ (Irrlehre) bezeichnet – genau zu beschreiben. Wahrscheinlich wurde das Christentum durch Elemente des mystischen und legalistischen Judentums beeinflusst, möglicherweise auch in Kombination mit dem frühen Gnostizismus (Gnostiker sahen u.a. die Erlösung als einem exklusiven Kreis von Menschen vorbehalten und durch philosophische Erkenntnis Gottes erreichbar).
    2. Das religiöse Umfeld des ersten Jahrhunderts erinnert an unsere heutige Situation. Es war eine Zeit der religiösen Vermischung, in der sich die Menschen ein wenig bei dieser und ein wenig bei jener Religion bedienten. Der einzige Unterschied zu heute war, dass man sich im ersten Jahrhundert eher einer Gruppe anschloss, die sich hier und da bediente. In unserer modernen Kultur nimmt man sich selbst etwas von dieser oder jener Religion.
    3. Was auch immer nun das genaue Problem darstellte, Paulus beschäftigte sich mit der Lösung: Jesus besser kennenzulernen. Das Wissen um den wahren Jesus hilft uns, uns von Irrlehrern fernzuhalten, ganz gleich, wie sie sich darstellen.
  5. In Kolossä: Die Stadt Kolossä wird in der Apostelgeschichte nicht einmal erwähnt. Alle unsere biblischen Informationen über die dortige Kirche stammen aus diesem Brief und einigen Andeutungen aus dem Brief an Philemon.
    1. Aus diesen Quellen erfahren wir, dass Epaphras dafür verantwortlich war, den Kolossern das Evangelium zu verkünden (Kolosser 1, 6-7). Er stammte aus dieser Stadt (Kolosser 4, 12) und überbrachte die Botschaft auch an die benachbarten Städte im Lycus-Tal wie Hierapolis und Laodizea (Kolosser 4, 13).
    2. Epaphras selbst hörte das Evangelium womöglich, während Paulus in Ephesus war. Da Paulus im Hörsaal des Tyrannus lehrte, [hörten] alle, die in [der Provinz] Asia wohnten, das Wort des Herrn Jesus (Apostelgeschichte 19, 10). Somit ist denkbar, dass einige Menschen aus Kolossä dort das Evangelium gehört hatten.
    3. Historisch betrachtet war Kolossä eine wohlhabende Stadt und (gemeinsam mit weiteren Städten der Region) berühmt für seine Wollproduktion. Doch zu Paulus‘ Lebzeiten war die Blütezeit der Stadt bereits vorüber.
    4. Adam Clarke fügt einen interessanten Kommentar hinzu: „Dass diese Stadt kurz nach der Verfassung dieses Briefes durch ein Erdbeben zerstört wurde, wissen wir durch das Zeugnis des Eusebius.“ Auch Tacitus erwähnte dieses Erdbeben, das sich um 60 n.Chr. ereignete.
  6. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus: Paulus‘ Gruß war traditionell, aber herzlich. „Gnade ist Gottes bedingungsloses Wohlwollen gegenüber Männern und Frauen, das maßgeblich im Heilswerk Christi zum Ausdruck kommt.“ (Bruce)
    1. Dieser Brief – voller Zuneigung und Sorge, geschrieben an eine Gemeinde, die Paulus weder gegründet noch jemals besucht hatte – zeigt die Kraft der christlichen Liebe. Paulus musste diese Christen weder sehen noch sie persönlich treffen oder sie direkt kennen, um sie zu lieben und sich um sie zu sorgen.

2. Paulus‘ Gewohnheit, für die Kolosser zu beten

Kolosser 1, 3

Kolosser 1, 3
Wir danken dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, indem wir allezeit für euch beten,

  1. Indem wir allezeit für euch beten: Obwohl er den meisten von ihnen nie begegnet war, schloss Paulus die Christen von Kolossä in seine Gebete ein. Er betete nicht nur oft, sondern allezeit für sie.
  2. Wir danken: Als Paulus für die Kolosser betete, tat er es voller Dankbarkeit. Vielleicht haben diejenigen, die am meisten beten, letztendlich auch die meisten Gründe, Gott zu danken.

3. Warum Paulus dankbar war

Kolosser 1, 4-8

Kolosser 1, 4-8
Da wir gehört haben von eurem Glauben an Christus Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, um der Hoffnung willen, die euch aufbewahrt ist im Himmel, von der ihr zuvor gehört habt durch das Wort der Wahrheit des Evangeliums, das zu euch gekommen ist, wie es auch in der ganzen Welt [ist] und Frucht bringt, so wie auch in euch, von dem Tag an, da ihr von der Gnade Gottes gehört und sie in Wahrheit erkannt habt. So habt ihr es ja auch gelernt von Epaphras, unserem geliebten Mitknecht, der ein treuer Diener des Christus für euch ist, der uns auch von eurer Liebe im Geist berichtet hat.

  1. Da wir gehört haben: Paulus war dankbar für ihren Glauben an Christus Jesus und ihre Liebe zu allen Heiligen. Echter Glaube an Jesus wird immer von wahrer Liebe zu Gottes Gemeinde begleitet.
  2. Um der Hoffnung willen: Paulus war dankbar für die Hoffnung, die für sie im Himmel vorbereitet war. Er war dankbar, wenn er über das Schicksal der Christen von Kolossä nachdachte.
    1. Man beachte die bekannte Trias von Glaube, Hoffnung und Liebe. Für Paulus waren dies nicht nur theologische Ideen, sie beherrschten vielmehr seine ganze Denkweise als Christ.
  3. Von der ihr zuvor gehört habt durch das Wort der Wahrheit des Evangeliums: Paulus war dankbar, dass ihr ewiges Schicksal von der Wahrheit des Evangeliums bestimmt wurde, das Epaphras überbracht hatte (So habt ihr es ja auch gelernt von Epaphras).
  4. Und Frucht bringt: Paulus war dankbar, dass das Evangelium in der ganzen Welt Frucht bringt, selbst während er in einem römischen Gefängnis saß.
    1. Die Formulierung „in der ganzen Welt“ war „eine berechtigte Übertreibung, denn das Evangelium verbreitete sich im gesamten römischen Reich.“ (Robertson)
    2. „Die Lehre des Evangeliums wird als ein Reisender dargestellt, dessen Ziel es ist, die ganze bewohnte Erde zu bereisen … Dieser Reisende ist so schnell unterwegs, dass er schon bald alle Länder unter römischer Herrschaft besucht hat und er wird so lange weiterreisen, bis er seine Botschaft jedem Volk und jeder Sippe, jeder Nation und in jedem Sprachraum verkündet hat.“ (Clarke)

B. Wie Paulus für die Christen in Kolossä betete

1. Paulus bittet Gott im Namen der Kolosser

Kolosser 1, 9-11

Kolosser 1, 9-11
Deshalb hören wir auch seit dem Tag, da wir es vernommen haben, nicht auf, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht, damit ihr des Herrn würdig wandelt und ihm in allem wohlgefällig seid: in jedem guten Werk fruchtbar und in der Erkenntnis Gottes wachsend, mit aller Kraft gestärkt gemäß der Macht seiner Herrlichkeit zu allem standhaften Ausharren und aller Langmut, mit Freuden,

  1. Zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens: Zuerst betete Paulus dafür, dass sie die Erkenntnis seines Willens erlangen sollten, geprägt von geistlicher Weisheit und Einsicht. Gott zu kennen und zu wissen, was er von uns verlangt, hat die oberste Priorität.
    1. „Wenn man sich dieses Schreiben durchliest, wird man feststellen, dass Paulus häufig auf Wissen und Weisheit anspielt. Paulus richtet seine Aufmerksamkeit mit Gebet darauf, was er in der Gemeinde als mangelhaft sieht. Er wollte nicht, dass die Gemeindemitglieder unwissend waren. Ihm war klar, dass geistliche Unwissenheit ständig zu Irrtümern, Instabilität und Kummer führt. Deshalb wünschte er sich, dass sie in allem, was Gott betraf, fundiert unterrichtet würden.“ (Spurgeon)
  2. Damit ihr des Herrn würdig wandelt und ihm in allem wohlgefällig seid: Außerdem betete Paulus dafür, dass sie nach der Erkenntnis leben würden, die sie erlangt hatten, und dass sie einen Weg gehen würden, der des Herrn würdig ist.
    1. Dies ist ein bekanntes Muster, das sich im Neuen Testament ständig wiederholt. Unser Weg basiert auf unserer Erkenntnis Gottes und unserem Verständnis seines Willens.
  3. In jedem guten Werk fruchtbar und in der Erkenntnis Gottes wachsend: So können wir Gott in allem wohlgefällig sein und einen würdigen Weg gehen.
    1. Dies ist eine Wiederaufnahme des Gedankens Jesu aus Johannes 15, 7-8: Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch zuteilwerden. Dadurch wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet.
    2. „´In jedem guten Werk fruchtbar´. Hier gibt es jede Menge Entfaltungsmöglichkeiten – in ´jedem guten Werk´. Hast du die Fähigkeit, das Evangelium zu predigen? Predige es! Braucht ein kleines Kind Trost? Tröste es! Kannst du aufstehen und eine wundervolle Wahrheit vor Tausenden von Menschen verteidigen? Tu es! Braucht ein armer Mensch ein bisschen Essen von deinem Tisch? Lass es ihm zukommen. Lass dein Leben geprägt sein von Werken des Gehorsams, des Zeugnisses, der Hingabe, der Nächstenliebe, der Frömmigkeit und der Gemeinnützigkeit. Es müssen nicht die großen Taten sein, verherrliche den Herrn auch in den kleinen Dingen – ´in jedem guten Werk fruchtbar´.“ (Spurgeon)
  4. Mit aller Kraft gestärkt: Wenn wir des Herrn würdig wandeln, wird seine Kraft uns dabei unterstützen, alle Herausforderungen des Lebens zu meistern, Probleme und Lebensumstände auszuhalten und zu überwinden (Ausharren), sowie auch Menschen mit Freude zu ertragen (Langmut).

2. Der besondere Dank des Paulus an den Vater

Kolosser 1, 12-14

Kolosser 1, 12-14
Indem ihr dem Vater Dank sagt, der uns tüchtig gemacht hat, teilzuhaben am Erbe der Heiligen im Licht. Er hat uns errettet aus der Herrschaft der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe, in dem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Sünden.

  1. Indem ihr dem Vater Dank sagt, der uns tüchtig gemacht hat: In der göttlichen Herrschaftsordnung wird der Vater im Zusammenhang mit seinem allumfassenden Erlösungsplan genannt. Er ist diejenige Person in der Dreifaltigkeit, die den göttlichen Heilsplan eingibt.
  2. Teilzuhaben am Erbe der Heiligen: Erst durch den Vater werden wir dazu befähigt, nicht durch unsere eigenen Werke. Wir erlangen dies als Erbe, anstatt es uns als Lohn zu verdienen.
  3. Er hat uns errettet aus der Herrschaft der Finsternis: Die Christen sind durch eine höhere Macht aus dem Reich Satans errettet worden.
    1. Eine weitere Textstelle, in der derselbe Ausdruck für die Herrschaft der Finsternis verwendet wird, ist Lukas 22, 53. Hier verwendet Jesus dieselben Begriffe. Er spricht von der Finsternis, die seine Verhaftung und seinen Leidensweg umgibt. „Diese Worte beziehen sich auf die finsteren Mächte, die gegen ihn zum entscheidenden geistlichen Kampf aufmarschiert sind.“ (Bruce)
    2. Die Herrschaft der Finsternis erkennt man an ihren Folgen. Bei denjenigen, die errettet wurden aus der Herrschaft der Finsternis, sollten diese Auswirkungen auf ihr Leben immer geringer werden.
      1. Die Herrschaft der Finsternis lullt uns ein.
      2. Die Herrschaft der Finsternis ist ein Meister der Täuschung.
      3. Die Herrschaft der Finsternis bedrückt und unterdrückt den Menschen.
      4. Die Herrschaft der Finsternis kann faszinierend sein.
      5. Die Herrschaft der Finsternis ermutigt manche Menschen.
    3. „Meine Lieben, wir werden immer noch von Satan in Versuchung geführt, er hat jedoch keine Macht über uns; wir müssen ihn bekämpfen, denn wir sind nicht seine Sklaven. Er ist nicht unser König; er hat kein Anrecht auf uns; wir gehorchen ihm nicht; wir werden seinen Versuchungen nicht erliegen.“ (Spurgeon)
  4. Und hat uns versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe: Nach Barclay hatte das Wort, das wir mit versetzt übersetzen, in der Antike eine besondere Bedeutung. Wenn ein Reich ein anderes erobert hatte, war es üblich, die komplette Bevölkerung des besiegten Landes in das des Eroberers zu bringen. Somit sagt Paulus, dass wir in das Reich Gottes versetzt worden sind. Alles, was wir haben, und alles, was wir sind, gehört jetzt ihm.
    1. Sohn seiner Liebe ist eine hebräische Ausdrucksweise für ‚Gottes geliebter Sohn‘.
  5. In dem wir die Erlösung haben durch sein Blut: Erlösung bedeutet Befreiung durch ein rechtmäßiges Lösegeld. Der Preis für unsere Befreiung wurde durch das Blut Jesu bezahlt.
    1. Dies ist ein Grund, warum die Berufung auf das Blut Jesu – im richtigen Sinn verwendet, nicht in einem magischen oder abergläubischen Sinn – eine so große Bedeutung für den geistlichen Kampf hat. Es ist quasi der ‚Beleg‘ dafür, dass wir rechtmäßig erkauft wurden als erlöste Menschen.
    2. Eine der großen heiklen Fragen der Theologie ist: Wem wurde der Preis dafür gezahlt? Manche sind der Meinung, dass das Lösegeld an Gott gezahlt wurde, jedoch waren wir Gefangene in Satans Reich. Andere wiederum meinen, dass das Lösegeld an Satan gezahlt wurde, aber was schuldet Gott Satan? Diese Frage sprengt wahrscheinlich den Rahmen dieser Metapher.
  6. Die Vergebung der Sünden: Das Wort, das mit Vergebung übersetzt wird, ist das altgriechische Wort aphesis, das meist wörtlich als ‚eine Erlassung‘ übersetzt wird. Unsere Sünde und Schuld werden uns erlassen auf Grund dessen, was Jesus am Kreuz für uns getan hat.
    1. „Somit ist hier also die Rede davon, dass unsere Sünden von uns genommen werden, so dass sie keine Schranken mehr sind, die uns von Gott trennen.“ (Vaughan)

3. Paulus‘ Betrachtungen der Person und des Werkes Jesu

Kolosser 1, 15-20

Kolosser 1, 15-20
Dieser ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene, der über aller Schöpfung ist. Denn in ihm ist alles erschaffen worden, was im Himmel und was auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: Alles ist durch ihn und für ihn geschaffen; und er ist vor allem, und alles hat seinen Bestand in ihm. Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, er, der der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem der Erste sei. Denn es gefiel [Gott], in ihm alle Fülle wohnen zu lassen und durch ihn alles mit sich selbst zu versöhnen, indem er Frieden machte durch das Blut seines Kreuzes — durch ihn, sowohl was auf Erden als auch was im Himmel ist.

  1. Dieser ist: Paulus begann damit, dem Vater für seinen Erlösungsplan zu danken (Kolosser 1, 12). Dies könnte er nicht tun, ohne auch an den Sohn zu denken, der der große Erlöser ist.
    1. Die meisten Gelehrten glauben, dass Kolosser 1, 15-20 aus einem Gedicht oder einem Hymnus der frühen Kirche stammt, in dem beschrieben wird, was Christen in Bezug auf Jesus glauben. Dies ist durchaus möglich, konnte bislang aber nicht nachgewiesen werden.
  2. Dieser ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes: Das mit ‚Ebenbild‘ übersetzte Wort (das altgriechische Wort eikon) hat hier zwei Bedeutungen.
      1. Abbildung, wie das Bild auf einer Münze oder die Reflektion in einem Spiegel.
      2. Manifestation, in dem Sinn, dass Gott sich vollständig in Jesus offenbart.
    1. Wenn Paulus ausdrücken wollte, dass Jesus dem Vater nur ähnlich war, hätte er das altgriechische Wort homoioma verwendet, das lediglich von ähnlichem Aussehen spricht. Das hier verwendete stärkere Wort beweist, dass Paulus wusste, dass Jesus Gott ist, so wie Gott, der Vater, Gott ist. Es bedeutet, dass „Jesus der Stempel von Gott dem Vater ist“. (Robertson)
    2. „Gott ist unsichtbar, bedeutet nicht nur, dass wir ihn mit unseren leiblichen Augen nicht sehen können, sondern dass wir ihn nicht erkennen können. Im erhabenen Christus wird der unerkennbare Gott erkennbar.“ (Peake)
    3. Nach Barclay setzte der antike jüdische Philosoph Philo das eikon Gottes mit dem Logos gleich. Paulus verwendete dieses wichtige und bedeutungsvolle Wort hier sehr bewusst.
  3. Der Erstgeborene, der über aller Schöpfung ist: Der Erstgeborene (das altgriechische Wort prototokos) kann sowohl den zeitlichen Vorrang als auch die Vormachtstellung in der Rangfolge beschreiben. So wie Paulus es hier verwendet hat, hatte er vermutlich beide Bedeutungen im Sinn. Jesus war vor allem, was erschaffen wurde und Jesus steht über allem, was erschaffen wurde.
    1. Erstgeborener wird als Attribut für Jesus auch in Kolosser 1, 18, Römer 8, 29, Hebräer 1, 6 und Offenbarung 1, 5 verwendet.
    2. Der Titel Erstgeborener bedeutet keineswegs, dass Jesus Gott untersteht. Vielmehr nannten die alten Rabbiner Jahwe selbst ‚Erstgeborener der Welt‘ (Rabbi Bechai, zitiert in Lightfoot). Die alten Rabbiner benutzten den Erstgeborenen als messianischen Titel: „Gott sprach: Wie ich Jakob zum Erstgeborenen machte (Exodus 4, 22), so werde ich auch den König, den Messias zum Erstgeborenen machen (Psalm 89, 28).“ (R. Nathan in Schemot Rabba, zitiert in Lightfoot)
    3. „Die Verwendung dieses Wortes zeigt nicht das, was Arius behauptete: nämlich, dass Paulus Christus als ein Geschöpf innerhalb ‚der ganzen Schöpfung‘ betrachtete … Es ist vielmehr die vergleichende (superlative) Kraft des Protos, die gebraucht wird.“ (Robertson)
    4. Bischof Lightfoot, ein bekannter griechischer Gelehrter, über die Verwendung von Eikon (Ebenbild) und Prototokos (Erstgeborener): „Da die Person Christi die göttliche Antwort sowohl auf die philosophischen Fragen des alexandrinischen Juden als auch auf die patriotischen Hoffnungen des Palästinensers war, treffen diese beiden Denkströmungen in dem Begriff Prototokos zusammen, wie er auf unseren Herrn angewandt wird, der sowohl das wahre Logos als auch der wahre Messias ist.“ (Lightfoot)
    5. Prototokos drückt primär die zeitliche Priorität aus, erlangt auf Grund der Privilegien des Erstgeborenen dann die weitere Bedeutung der Herrschaft … Ob das Wort hier etwas von seiner ursprünglichen Bedeutung beibehält, ist zweifelhaft.“ (Peake)
  4. Denn in ihm ist alles erschaffen worden: Zweifellos ist Jesus der Urheber aller Schöpfung. Er selbst ist kein geschaffenes Wesen. Wenn wir das Wunder und die Herrlichkeit der von Jesus erschaffenen Welt betrachten, beten wir ihn umso mehr an und ehren ihn.
    1. Kometen haben bis zu ca. 16.000 km lange Kondensstreifen. Wenn du diesen Dampf einfangen und in eine Flasche füllen könntest, würde die tatsächlich in der Flasche vorhandene Dampfmenge weniger als 1 cm3 Raum einnehmen.
    2. Die Saturnringe haben einen Umfang von etwa 805.000 km, sind aber nur etwa 300 Meter breit.
    3. Wenn die Sonne die Größe eines Beachballs hätte und auf das Empire State Building gestellt würde, wäre die nächste Sternengruppe so weit entfernt vom Empire State Building wie Australien.
    4. Die Erde bewegt sich etwa achtmal so schnell um die Sonne wie eine aus einem Gewehr abgefeuerte Kugel.
    5. Auf etwa 2, 6 km2 ländlicher Fläche gibt es mehr Insekten als Menschen auf der ganzen Erde.
    6. Ein einzelnes menschliches Chromosom enthält zwanzig Milliarden Bits an Informationen. Wie viel Information ist das? Wenn diese in gewöhnlichen Büchern in einfacher Sprache verschriftlicht werden würden, bräuchte es etwa viertausend Bände.
    7. Nach dem griechischen Gelehrten A.T. Robertson hat alles, was erschaffen wurde, den Sinn ‚erschaffen zu sein‘ oder ‚erschaffen zu bleiben‘. Robertson fügt hinzu: „Die Beständigkeit des Universums ruht also weit mehr auf Christus als auf der Schwerkraft. Es ist ein auf Christus zentriertes Universum.“
  5. Seien es Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: Im weiteren Verlauf des Briefes wird deutlich, dass die kolossäische Häresie einen intensiven Engelskult beinhaltete, bei dem die Engel als Vermittler zwischen Gott und den Menschen angesehen wurden. Paulus betonte, dass Jesus alle existierenden Geistwesen erschaffen hat und sie somit alle letztendlich ihm unterstehen.
  6. Er ist vor allem … der der Anfang ist: Jahrhunderte nach Paulus behauptete ein umstrittener (und doch populärer) Lehrer namens Arius, dass Jesus nicht wirklich Gott sei und dass es eine Zeit gegeben hätte, in der Jesus nicht existiert hat. Paulus aber hatte richtig verstanden und bestand darauf, dass Jesus vor allem steht und selbst der Anfang ist.
    1. „Da die ganze Schöpfung notwendigerweise in der Zeit existiert und einen Anfang hatte und es eine unendliche Dauer gab, in der sie nicht existierte, darf das, was davor oder danach war, kein Teil der Schöpfung sein; und das Wesen, das vor der Schöpfung und vor allen Dingen – vor jeder Art von Existenz da war, muss der ursprüngliche und ewige Gott sein; aber Paulus sagt, Jesus Christus war vor allen Dingen; somit hat der Apostel Jesus Christus wahrhaftig und wesentlich als Gott verstanden.“ (Clarke)
  7. Alles hat seinen Bestand in ihm: Die Vorstellung, dass Jesus sowohl das Bindeglied als auch der persönliche Bewahrer der ganzen Schöpfung ist.
    1. „Daher ist Gott als Bewahrer für den Fortbestand aller Dinge genauso notwendig, wie Gott es als Schöpfer für ihre ursprüngliche Erschaffung war. Aber die bewahrende oder erhaltende Macht wird hier Christus zugeschrieben.“ (Clarke)
  8. Haupt des Leibes, der Gemeinde: Dies beschreibt die Beziehung Jesu zur Kirche. Hier bezieht sich das Haupt wahrscheinlich auf die Rolle Jesu als Ursprung der Gemeinde.
  9. Damit er in allem der Erste sei: Dies ist eine treffende Zusammenfassung der Verse Kolosser 1, 15-18.
    1. Adam Clarke über Kolosser 1, 16-17: „Nun, da Paulus die von ihm verwendeten Begriffe verstanden hat, muss er Jesus Christus als wahrhaftig und tatsächlich als Gott betrachtet haben … Es sei denn, es gibt eine uns bislang verborgene Art und Weise, die Verse 16 und 17 zu verstehen, die Gott nirgendwo sonst offenbart hat; somit lässt sich dieser sehr wichtige Punkt in seiner sachlichen, rationalen Bedeutung abschließend für immer klären.“
  10. Fülle: Dies übersetzt das altgriechische Wort pleroma und war eigentlich nur eine andere Art auszudrücken, dass Jesus wirklich Gott ist.
    1. Das Wort ‚Fülle‘ war „ein anerkannter Fachbegriff in der Theologie, der die Gesamtheit der göttlichen Mächte und Eigenschaften bezeichnet“. (Lightfoot, zitiert in Robertson)
    2. Nach Vincent wurde Pleroma von den gnostischen Lehrern als Fachbegriff verwendet, um die Gesamtheit der göttlichen Kräfte und Eigenschaften auszudrücken: „Christus wurde wohl von den kolossäischen Gelehrten herabgewürdigt durch ihre Einstellung zum Göttlichen. Daher rührt die Signifikanz der Behauptung, dass die Gesamtheit des Göttlichen in ihm wohnt“. (Vincent)
    3. „Die Gnostiker verteilten die göttlichen Kräfte auf verschiedene Äonen (= Zeitalter). Paulus vereint sie alle in Christus, eine vollständige und pauschale Feststellung der Göttlichkeit Christi.“ (Robertson)
  11. Denn es gefiel [Gott], in ihm alle Fülle wohnen zu lassen: Das altgriechische Wort für wohnen wird hier im Sinne einer ständigen Wohnung verwendet. Ein völlig anderes Wort wird für die Bedeutung vorübergehende Behausung gebraucht. Paulus wollte den Gedanken hervorheben, dass Jesus nicht vorübergehend Gott war, sondern dauerhaft Gott ist.
    1. „Zwei große Worte; ‚Fülle‘ ein wesentliches, umfassendes, ausdrucksstarkes Wort in sich und ‚alles‘, ein großartiges kleines Wort, das alles einschließt. Wenn diese beiden in dem Ausdruck ‚alle Fülle‘ kombiniert werden, liegt uns hier eine außergewöhnliche Aussagekraft vor.“ (Spurgeon)
    2. Einst gefiel es dem Vater, ihn zu zerschlagen (Jesaja 53, 10); jetzt gefällt es dem Vater, dass in ihm die ganze Fülle Gottes wohnen soll.
    3. „So stellt der Satz in ihm alle Fülle wohnen zu lassen den Höhepunkt aller vorausgehenden Aussagen dar – Ebenbild Gottes, Erstgeborener der ganzen Schöpfung, Schöpfer, der bereits ewig Existierende, das Haupt der Gemeinde, der Sieger über den Tod, allen Dingen voran. Auf diesem Gipfel halten wir inne und betrachten, so wie Johannes es tat, Christus in der Fülle seiner Göttlichkeit, bis hin zur Zurschaustellung dieser göttlichen Fülle in der im Himmel vollendeten Erlösung.“ (Vincent)
    4. Die Fülle ist in Jesus Christus. Nicht in einer Kirche; nicht in einem Priestertum; nicht in einem Gebäude; nicht in einem Sakrament; nicht in den Heiligen; nicht in Maßnahmen oder einem Programm, sondern in Jesus Christus selbst. Er fungiert als eine Art ‚Verteiler‘ – damit diejenigen, die mehr von Gott und allem, was er ist, suchen, es in Jesus Christus finden können.
  12. Und durch ihn alles mit sich selbst zu versöhnen: Das Sühnewerk Jesu ist vollständig und allumfassend. Dennoch sollten wir Kolosser 1, 20 nicht als eine Bestätigung des Universalismus (= Lehre, nach der der Heilswille Gottes die ganze Menschheit umfasst) betrachten.
  13. Durch das Blut seines Kreuzes: Wieder erhalten wir einen Hinweis, wo der Frieden geschlossen wurde. Wir machen nicht unseren eigenen Frieden mit Gott, sondern Jesus hat durch sein Werk am Kreuz den Frieden für uns geschaffen.
    1. Wir sollten das Blut seines Kreuzes jedoch nicht aus einer abergläubischen Perspektive betrachten. Es ist weder ein Zaubertrank, noch ist es das wortwörtliche Blut Jesu, das uns rettet oder reinigt. Wenn dem so wäre, dann wären seine römischen Henker, die mit seinem Blut bespritzt wurden, automatisch gerettet worden, und die tatsächliche Anzahl der Moleküle des Blutes Jesu würde die Zahl der Menschen, die gerettet werden könnten, begrenzen. Das Blut seines Kreuzes zeugt vom tatsächlichen, physischen Tod Jesu Christi an unserer Stelle, in unserem Namen, vor Gott. Dieser wortwörtliche Tod an unserer Stelle und das buchstäbliche Gericht, das er an unserer Stelle und in unserem Namen getragen hat, sind das, was uns rettet.

4. Der Einfluss des großartigen Werkes Jesu auf das Leben der Kolosser

Kolosser 1, 21-23

Kolosser 1, 21-23
Auch euch, die ihr einst entfremdet und feindlich gesinnt wart in den bösen Werken, hat er jetzt versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unverklagbar darzustellen vor seinem Angesicht, wenn ihr nämlich im Glauben gegründet und festbleibt und euch nicht abbringen lasst von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt, das verkündigt worden ist in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, und dessen Diener ich, Paulus, geworden bin.

  1. Die ihr einst entfremdet … wart: Das altgriechische Wort entfremdet (apellotriomen) wird wörtlich übersetzt mit „auf einen anderen Eigentümer übertragen“. Diese Eigentumsübertragung von Gott an Satan und an sich selbst wirkte sich sowohl auf unser Denken als auch auf unser Verhalten aus.
    1. Da wir zum Geschlecht Adams gehören, sind wir von Gott entfremdet geboren. Jeder Einzelne entscheidet sich dann dafür, diese Entfremdung zu akzeptieren und mitsamt seiner bösen Werke anzunehmen.
    2. Einst entfremdet … wart: Das bedeutet, dass wir in Jesus nicht mehr entfremdet sind. Der Unterschied zwischen einem Gläubigen und einem Nicht-Gläubigen besteht nicht nur in der Vergebung, sondern in einer völligen Veränderung des Zustands.
  2. Hat er jetzt versöhnt: Gottes Antwort auf das Problem der Entfremdung ist die Versöhnung durch sein Werk am Kreuz (versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod). Gott ist uns zur Versöhnung nicht nur auf halbem Weg entgegengekommen. Gott kommt uns den ganzen Weg entgegen und lädt uns ein, die Versöhnung anzunehmen.
    1. Man kann die menschliche Not und Gottes Erlösung auf zwei Arten verstehen.
      1. Wir können Gott als den Richter betrachten und sind vor ihm schuldig. Deshalb benötigen wir Vergebung und Rechtfertigung.
      2. Wir können Gott als unseren Freund betrachten und haben unsere Beziehung zu ihm zerstört. Deshalb brauchen wir Versöhnung.
    2. Beide Betrachtungsweisen sind zutreffend; keine von beiden sollte über die andere gestellt werden.
    3. Der Ausdruck Leib seines Fleisches ist eigentlich überflüssig. Paulus wollte nochmals betonen, dass dies alles einem Menschen, den es tatsächlich gegeben hat, an einem Kreuz geschehen ist, das wirklich existiert hat.
  3. Euch heilig und tadellos und unverklagbar darzustellen vor seinem Angesicht: Das ist das Ergebnis von Gottes Versöhnungswerk. Zusammengefasst zeigt das, dass wir in Jesus rein sind und nicht mehr der Unreinheit beschuldigt werden können.
    1. Der Gedanke, uns heilig und tadellos vor Gott darzustellen, mag an die Terminologie erinnern, die verwendet wurde, wenn Priester potenzielle Opfer prüften. Wir werden Gott als ein lebendiges Opfer dargeboten.
    2. Der Wunsch nach Rettung ist der Wunsch danach, heilig und tadellos und unverklagbar zu werden, und nicht lediglich der Wunsch, den Feuern der Hölle zu unseren eigenen Bedingungen zu entkommen.
  4. Wenn ihr nämlich im Glauben gegründet und festbleibt: Die wahrhaft Versöhnten müssen wahrlich durchhalten. Paulus‘ Hauptaugenmerk liegt darauf, in der Wahrheit des Evangeliums zu bleiben (festbleibt und euch nicht abbringen lasst von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt). Für Christen ist es wichtig, gottgefälliges Verhalten beizubehalten, aber wir werden nicht durch unser gottgefälliges Verhalten gerettet. Umso wichtiger ist es für Christen, in der Wahrheit des Evangeliums zu bleiben, denn wir werden aus Gnade durch den Glauben gerettet.
    1. „Wenn das Evangelium das Durchhalten der Heiligen bis zum Schluss lehrt, lehrt es gleichzeitig, dass die Heiligen diejenigen sind, die bis zuletzt durchhalten – in Christus. Standhaft zu bleiben ist die entscheidende Prüfung.“ (Bruce)

C. Was Paulus für die Kolosser tat

1. Paulus leidet um ihretwillen

Kolosser 1, 24

Kolosser 1, 24
Jetzt freue ich mich in meinen Leiden, [die ich] um euretwillen [erleide], und ich erfülle meinerseits in meinem Fleisch, was noch an Bedrängnissen des Christus aussteht, um seines Leibes willen, welcher die Gemeinde ist.

  1. Jetzt freue ich mich in meinen Leiden, [die ich] um euretwillen [erleide]: Paulus schrieb dies aus einem römischen Gefängnis. Er konnte sehen, dass seine Leiden für andere etwas Gutes bewirkten, sodass er sagen konnte, dass seine Leiden um der Kolosser und anderer Christen willen waren.
  2. Und ich erfülle meinerseits in meinem Fleisch, was noch an Bedrängnissen des Christus aussteht: Dieses Wort für Bedrängnis wird nie für das Leiden Jesu am Kreuz verwendet. Die meisten Kommentatoren sehen darin einen Hinweis auf die Bedrängnis, die Jesus im Dienste Gottes erleiden musste. Diese Leiden sind noch nicht beendet, und in diesem Sinne ‚leidet‘ Jesus noch immer, da er weiterhin durch seine Nachfolger dient.
    1. „Paulus misst seinem eigenen Leiden für die Kirche keinerlei sühnenden Wert bei.“ (Robertson)
    2. „Der Ausdruck ‚Bedrängnisse des Christus‘ wird nie mit dem erlösenden Leiden Jesu am Kreuz in Verbindung gebracht. Es drückt vielmehr jenes dienende Leiden aus, das Paulus erträgt, weil er Jesus Christus repräsentiert.“ (Lane)
  3. Um seines Leibes willen, welcher die Gemeinde ist: Paulus hat nicht für sich selbst gelitten, wie es ein Asket tun würde. Stattdessen hat er um des Leibes Christi willen gelitten.
    1. Asketen konzentrieren sich auf ihre eigene Heiligkeit, auf ihr eigenes geistiges Wachstum und auf ihre eigene Vollkommenheit. Paulus trat in die Fußstapfen Jesu und war somit eine auf Andere zentrierte Person. Paulus fand Heiligkeit, geistiges Wachstum und Reife, indem er diese Dinge für andere verfolgte.

2. Paulus ist ein Diener der Kirche, der das einst verborgene Geheimnis Gottes offenbart

Kolosser 1, 25-26

Kolosser 1, 25-26
Deren Diener bin ich geworden gemäß der Haushalterschaft, die mir von Gott für euch gegeben ist, dass ich das Wort Gottes voll ausrichten soll, [nämlich] das Geheimnis, das verborgen war, seitdem es Weltzeiten und Geschlechter gibt, das jetzt aber seinen Heiligen offenbar gemacht worden ist.

  1. Deren Diener bin ich geworden: Paulus war ein Diener – das heißt, ein Diener des Leibes Christi, der Gemeinde. Er erhielt diese Stellung nicht durch Eigeninitiative, sondern gemäß der Haushalterschaft, die Paulus von Gott gegeben wurde. Gott hat Paulus diese Position gegeben, er hat sich diese nicht selbst ausgesucht.
  2. Das Wort Gottes … das Geheimnis: Im biblischen Sinne ist ein Geheimnis kein Rätsel. Es ist eine Wahrheit, die nur durch Offenbarung und nicht durch Eingebung erkannt werden kann. Jetzt kann sie erkannt werden, weil sie jetzt aber seinen Heiligen offenbar gemacht worden ist.
    1. Verborgen war, seitdem es Weltzeiten und Geschlechter gibt: Dies erinnert uns daran, dass es Bereiche von Gottes Plan gibt, die im Alten Testament nicht klar offenbart wurden. Das konkrete Geheimnis, auf das sich Paulus hier bezieht, befasst sich mit vielen Aspekten des Wirkens Jesu in seinen Nachfolgern – allem voran der Plan Gottes bezüglich der Gemeinde, nämlich aus Juden und Heiden einen einzigen Leib zu formen, der aus dem ‚Stamm‘ Israels zusammengesetzt ist, nicht aber nur aus Israel.
    2. „Das Geheimnis hier ist, dass Gott beabsichtigt hatte, den Heiden die gleichen Privilegien wie den Juden zu gewähren und auch die zu seinem Volk zu machen, die eigentlich nicht sein Volk waren. Das ist es, was Paulus mit dem Geheimnis meint, siehe Epheser 3, 3 usw.“ (Clarke)

3. Ein Teil des Geheimnisses: dass Jesus tatsächlich in den Gläubigen wohnen würde

Kolosser 1, 27

Kolosser 1, 27
Ihnen wollte Gott bekannt machen, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.

  1. Dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich: Christus in euch: Das Wunder und die Herrlichkeit des bleibenden, innewohnenden Jesus wurden im Alten Testament nicht klar offenbart, insbesondere nicht, dass er in den Heiden bleiben würde. Daher war dieser Aspekt des Wirkens Jesu in seinem Volk ein Geheimnis, das erst zu Lebzeiten Jesu und der Apostel offenbart wurde.
    1. „Dies ist für Paulus das krönende Wunder, dass Gott die Heiden in seine erlösende Gnade miteinbezogen hat.“ (Robertson)
    2. Es bedeutet, dass uns Gott in Jesus offenbart wird. Klassische Theologen verwenden den lateinischen Begriff deus absconditus, um den ‚verborgenen Gott‘ zu bezeichnen, den Gott, den man nicht klar sehen oder kennen kann. Der lateinische theologische Begriff deus revelatus bezieht sich auf den ‚offenbarten Gott‘. Durch Jesus ist der deus absconditus zum deus revelatus geworden.
  2. Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit: Dies ist die Hoffnung der Christen auf die Herrlichkeit. Es ist weder unsere eigene harte Arbeit noch unsere Hingabe an Gott noch die Kraft unserer eigenen Geistlichkeit. Stattdessen ist es die beständige Gegenwart Jesu: Christus in euch.

4. Paulus´ Motto für den apostolischen Dienst

Kolosser 1, 28-29

Kolosser 1, 28-29
Ihn verkündigen wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, um jeden Menschen vollkommen in Christus Jesus darzustellen. Dafür arbeite und ringe ich auch gemäß seiner wirksamen Kraft, die in mir wirkt mit Macht.

  1. Ihn verkündigen wir: Hierauf legte Paulus den Fokus seiner Verkündigung. Er predigte weder von sich selbst oder seiner eigenen Meinung, noch erzählte er zahlreiche unterhaltsame Geschichten. Er hat Jesus verkündigt.
  2. Indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit: Paulus wollte das gesamte Evangelium für die ganze Welt. Er wollte sich in keinem der beiden Bereiche zurückhalten – es war für jeden Menschen, und er legte es in aller Weisheit dar.
    1. Manchmal wird das Wort ermahnen mit ‚beraten‘ übersetzt. Das altgriechische Verb nouthetountes bedeutet: ‚Verständnis vermitteln‘, „auf den Verstand oder das Herz legen“. Der Schwerpunkt liegt also nicht nur darauf, den Verstand zu beeinflussen, sondern auch den Willen und die Gesinnung. Es beschreibt also ein grundlegendes Mittel der Erziehung.
    2. Die Ermahnung – oder dabei behilflich zu sein, Verständnis zu vermitteln – war Paulus´ Leidenschaft in seinem Dienst (Apostelgeschichte 20, 31). Es ist die Aufgabe der Gemeindeleiter (1. Thessalonicher 5, 12) sowie der Gemeindemitglieder untereinander (Kolosser 3, 16), vorausgesetzt, dass sie fähig dazu sind, andere zu ermahnen (Römer 15, 14).
  3. Um jeden Menschen vollkommen in Christus Jesus darzustellen: Paulus verfolgte das Ziel in seinem Dienst, dass jeder in Christus zu einem mündigen Christen heranreift und nicht von Paulus abhängig ist.
    1. „Darum ist das Ziel dieses Briefes und in der Tat aller apostolischen Arbeit, jeden Menschen zu ermahnen und zu lehren, die Vollkommenheit in Christus zu verwirklichen, weil dies zu der Vervollkommnung der ganzen Kirche führt.“ (Morgan)
    2. Dies gilt für jeden Menschen. Im Gegensatz dazu glaubten die Irrlehrer in Kolossä, „dass der Weg der Erlösung … nur von einigen wenigen Auserwählten verstanden werden könne, die eine Art geistige Aristokratie bildeten“. (Vaughan)
  4. Ringe ich auch gemäß seiner wirksamen Kraft, die in mir wirkt mit Macht: Paulus wurde durch Gottes mächtige Kraft zu seinem Werk befähigt. Aber die Stärke Gottes im Leben des Paulus bedeutete nicht, dass er untätig war. Er arbeitete hart mit Gottes wirksamer Kraft.
    1. „Das Wort [das hier übersetzt wird mit] ‚kämpfen‘ [ringen], dessen Wurzel ‚an den Spielen teilzunehmen‘ bedeuten kann, vergleicht Paulus´ Wirken daher mit einem athletischen Wettkampf: Paulus geht nicht halbherzig an seine Arbeit heran, in der Hoffnung, dass Gnade die Lücken füllt, falls er zu träge ist, an sich selbst zu arbeiten.“ (Wright)

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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